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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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verwächst, der am Rumpfe die hintere Extremität zur Verwachsung bestimmt.
In der That finden wir in denjenigen Thieren, wo der vordere Theil des Hirnes
besonders stark entwickelt ist, in den Säugethieren, die vorderen Kiefer inniger
verwachsen, als in andern Thierklassen, wo sie mehr oder weniger beweglich
sind. Es ist daher auch ganz übereinstimmend mit dem für die Bauchextremität
Gefundenen, wenn die Oberkiefer zugleich die untern Wirbelbogen des Kopfes
wiederholen. Die Seitenwände der Nasenhöhle haben offenbar Uebereinstimmung
mit den Ganmenbogen und diese mit den absteigenden Flügeln des Keilbeines,
sie alle sind Wände einer plastischen Höhle, und gewiss die untern Bogen der
Schädelwirbel, was am Keilbeine besonders deutlich ist. Die Zahnränder des
Oberkiefers, die über den Schluss jener untern Bogen der Schädelwirbel hinaus-
ragen, haben aber offenbar eine andere Bedeutung, eben so das äussere Blatt des
Oberkiefers höherer Thiere. Die Kieferhöhle der Säugethiere scheint mir nichts
als eine Lücke zwischen dem Theile des Oberkiefers, der ursprünglich die Be-
deutung der untern Bogen der Schädelwirbel hat, und dem Theile, der in der
Bedeutung der Extremitäten steht.

Hiermit haben wir angedeutet, dass im Oberkiefer der höheren Thiere
eine zweifache Grundbeziehung vereint ist, wie im Becken der höheren Wirbel-
thiere. Um zu zeigen, wie dieses Verhältniss sich allmählig ausbildet, schlagen
wir einen andern Weg ein.

Wenden wir uns an diejenigen Wirbelthiere, die dem Grundtypus am
nächsten stehen, die Fische also, so finden wir in ihnen die Kiefern sehr ver-
schieden gebildet. In vielen sind beide Kiefern vorstreckbar, keiner also ist an-
gewachsen, wie denn auch die Fische diejenigen Thiere sind, in welchen das
Becken gar nicht mit der Wirbelsäule unmittelbar verbunden ist. In den Ex-
tremitäten erkannten wir zwei Hauptformen, solche, welche den Leib nicht zu
tragen haben, und solche, die ihn tragen. Die ersteren wirken einfach durch
Stoss auf das Element, in welchem sie den Leib fortbewegen, und das hintere
Ende der Wirbelsäule nimmt dann immer an der Fortbewegung Antheil, die
letztern sind die einzigen, welche (wenn auch nicht in allen Formen) Gegenstände
der Aussenwelt fassen und gegen den Leib bewegen können. Die ersteren sind
zweigliedrig, die andern viergliedrig. Die Kiefern zeigen uns auch 2 Haupt-
formen. Entweder finden wir in dem ganzen Kiefergerüste nur ein Gelenk --
wie in den Säugethieren und einigen Amphibien, oder zwei Gelenke -- wie in
allen den Formen, in denen ein an beiden Enden beweglicher Quadratknochen
ist, ja in seltenen Fällen, wie im Stör, sogar drei Gelenke. Das obere Gelenk
scheint aber den Inbegriff der hintern Kiefern nicht zu schliessen. Ein Theil

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verwächst, der am Rumpfe die hintere Extremität zur Verwachsung bestimmt.
In der That finden wir in denjenigen Thieren, wo der vordere Theil des Hirnes
besonders stark entwickelt ist, in den Säugethieren, die vorderen Kiefer inniger
verwachsen, als in andern Thierklassen, wo sie mehr oder weniger beweglich
sind. Es ist daher auch ganz übereinstimmend mit dem für die Bauchextremität
Gefundenen, wenn die Oberkiefer zugleich die untern Wirbelbogen des Kopfes
wiederholen. Die Seitenwände der Nasenhöhle haben offenbar Uebereinstimmung
mit den Ganmenbogen und diese mit den absteigenden Flügeln des Keilbeines,
sie alle sind Wände einer plastischen Höhle, und gewiſs die untern Bogen der
Schädelwirbel, was am Keilbeine besonders deutlich ist. Die Zahnränder des
Oberkiefers, die über den Schluſs jener untern Bogen der Schädelwirbel hinaus-
ragen, haben aber offenbar eine andere Bedeutung, eben so das äuſsere Blatt des
Oberkiefers höherer Thiere. Die Kieferhöhle der Säugethiere scheint mir nichts
als eine Lücke zwischen dem Theile des Oberkiefers, der ursprünglich die Be-
deutung der untern Bogen der Schädelwirbel hat, und dem Theile, der in der
Bedeutung der Extremitäten steht.

Hiermit haben wir angedeutet, daſs im Oberkiefer der höheren Thiere
eine zweifache Grundbeziehung vereint ist, wie im Becken der höheren Wirbel-
thiere. Um zu zeigen, wie dieses Verhältniſs sich allmählig ausbildet, schlagen
wir einen andern Weg ein.

Wenden wir uns an diejenigen Wirbelthiere, die dem Grundtypus am
nächsten stehen, die Fische also, so finden wir in ihnen die Kiefern sehr ver-
schieden gebildet. In vielen sind beide Kiefern vorstreckbar, keiner also ist an-
gewachsen, wie denn auch die Fische diejenigen Thiere sind, in welchen das
Becken gar nicht mit der Wirbelsäule unmittelbar verbunden ist. In den Ex-
tremitäten erkannten wir zwei Hauptformen, solche, welche den Leib nicht zu
tragen haben, und solche, die ihn tragen. Die ersteren wirken einfach durch
Stoſs auf das Element, in welchem sie den Leib fortbewegen, und das hintere
Ende der Wirbelsäule nimmt dann immer an der Fortbewegung Antheil, die
letztern sind die einzigen, welche (wenn auch nicht in allen Formen) Gegenstände
der Auſsenwelt fassen und gegen den Leib bewegen können. Die ersteren sind
zweigliedrig, die andern viergliedrig. Die Kiefern zeigen uns auch 2 Haupt-
formen. Entweder finden wir in dem ganzen Kiefergerüste nur ein Gelenk —
wie in den Säugethieren und einigen Amphibien, oder zwei Gelenke — wie in
allen den Formen, in denen ein an beiden Enden beweglicher Quadratknochen
ist, ja in seltenen Fällen, wie im Stör, sogar drei Gelenke. Das obere Gelenk
scheint aber den Inbegriff der hintern Kiefern nicht zu schlieſsen. Ein Theil

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[193/0223] verwächst, der am Rumpfe die hintere Extremität zur Verwachsung bestimmt. In der That finden wir in denjenigen Thieren, wo der vordere Theil des Hirnes besonders stark entwickelt ist, in den Säugethieren, die vorderen Kiefer inniger verwachsen, als in andern Thierklassen, wo sie mehr oder weniger beweglich sind. Es ist daher auch ganz übereinstimmend mit dem für die Bauchextremität Gefundenen, wenn die Oberkiefer zugleich die untern Wirbelbogen des Kopfes wiederholen. Die Seitenwände der Nasenhöhle haben offenbar Uebereinstimmung mit den Ganmenbogen und diese mit den absteigenden Flügeln des Keilbeines, sie alle sind Wände einer plastischen Höhle, und gewiſs die untern Bogen der Schädelwirbel, was am Keilbeine besonders deutlich ist. Die Zahnränder des Oberkiefers, die über den Schluſs jener untern Bogen der Schädelwirbel hinaus- ragen, haben aber offenbar eine andere Bedeutung, eben so das äuſsere Blatt des Oberkiefers höherer Thiere. Die Kieferhöhle der Säugethiere scheint mir nichts als eine Lücke zwischen dem Theile des Oberkiefers, der ursprünglich die Be- deutung der untern Bogen der Schädelwirbel hat, und dem Theile, der in der Bedeutung der Extremitäten steht. Hiermit haben wir angedeutet, daſs im Oberkiefer der höheren Thiere eine zweifache Grundbeziehung vereint ist, wie im Becken der höheren Wirbel- thiere. Um zu zeigen, wie dieses Verhältniſs sich allmählig ausbildet, schlagen wir einen andern Weg ein. Wenden wir uns an diejenigen Wirbelthiere, die dem Grundtypus am nächsten stehen, die Fische also, so finden wir in ihnen die Kiefern sehr ver- schieden gebildet. In vielen sind beide Kiefern vorstreckbar, keiner also ist an- gewachsen, wie denn auch die Fische diejenigen Thiere sind, in welchen das Becken gar nicht mit der Wirbelsäule unmittelbar verbunden ist. In den Ex- tremitäten erkannten wir zwei Hauptformen, solche, welche den Leib nicht zu tragen haben, und solche, die ihn tragen. Die ersteren wirken einfach durch Stoſs auf das Element, in welchem sie den Leib fortbewegen, und das hintere Ende der Wirbelsäule nimmt dann immer an der Fortbewegung Antheil, die letztern sind die einzigen, welche (wenn auch nicht in allen Formen) Gegenstände der Auſsenwelt fassen und gegen den Leib bewegen können. Die ersteren sind zweigliedrig, die andern viergliedrig. Die Kiefern zeigen uns auch 2 Haupt- formen. Entweder finden wir in dem ganzen Kiefergerüste nur ein Gelenk — wie in den Säugethieren und einigen Amphibien, oder zwei Gelenke — wie in allen den Formen, in denen ein an beiden Enden beweglicher Quadratknochen ist, ja in seltenen Fällen, wie im Stör, sogar drei Gelenke. Das obere Gelenk scheint aber den Inbegriff der hintern Kiefern nicht zu schlieſsen. Ein Theil B b

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/223>, abgerufen am 22.11.2024.