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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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in so fern sie nicht fast ganz entfach sind. Für die Wirbelthiere muss aber der
Fortgang der Ausbildung ein eigenthümlicher seyn. Nun wissen wir aus der
Entwickelungsgeschichte des Huhnes, dass sich zuerst eine Axe bildet, dass von
dieser aus eine Entwickelung nach der Seite, dann nach oben und wieder gegen
die Mittelebene fortgeht, und durch Verwachsung eine Röhre sich nach oben
bildet, an welcher nur die obere oder animalische Schicht des Keimes Theil
nimmt; dass darauf eine andere Fortbildung in entgegengesetzter Richtung von
den Seiten nach unten fortgeht, woran sowohl die animale als die plastische
Schicht Theil hat. Denselben Fortgang habe ich im Frosche vollständig verfolgt,
und wenn ich auch keinen Embryo von andern Amphibien, von Fischen und von
Säugethieren gesehen habe, in welchem der Rücken noch offen gewesen wäre,
so liessen doch die jüngern Embryonen mit Sicherheit erkennen, dass auch hier
dasselbe Schema waltete, denn die Wirbelsaite und die kaum verwachsenen
Rückenplatten habe ich in allen erkannt. Nehmen wir nun darauf keine Rück-
sicht, dass auf der Bauchfläche am Vogel, Säugethier und den meisten Amphi-
bien längere Zeit hindurch eine Gegend (der Nabel) ungeschlossen bleibt, und wir
können dieses um so mehr, da in andern Wirbelthieren, wie im Frosche, sich
kein wirklicher Nabel bildet, so sehen wir, dass der Embryo der Wirbelthiere
zuvörderst aus zwei Hauptröhren besteht, einer obern für die Rückenhälfte und
einer untern für die Bauchhälfte. Jede Röhre ist aus seitlichen Hälften zusammen-
gewachsen, und zwar so, dass in jeder Röhre nur die der andern zugekehrte
Linie, wo zwischen beiden Hauptröhren die Wirbelsaite als gemeinschaftliche
Axe liegt, ursprünglich central ist, die Seitentheile und die der Axe abgekehrte
Schlusslinie aber einst excentrisch, und zwar diese Schlusslinien (für die obere
Röhre die oberste Linie, für die untere Röhre die unterste Linie) einst am
meisten peripherisch waren. Wir können das Schema, welches die Wirbelthiere
in ihrer Entwickelung verfolgen, seinem Queerdurchschnitte nach mit einer 8
vergleichen, wenn wir uns denken, dass von der Mitte aus nach oben und unten
die Gestalt dieser Ziffer vollendet wird.

b. Dadurch
werden aus
den Schich-
ten des Kei-
mes Röhren.

Da ferner theils gleich nach dem Schlusse nach oben, theils während des
Schlusses nach unten, im Embryo die Sonderung in Schichten eintritt, so bilden
alle Schichten bald Röhren. Diese Röhren nenne ich die Fundamentalorgane,
da aus ihnen die speciellen Organe sich allmählig ausbilden. Sie müssen sich
nothwendig einander einschliessen, aber nicht auf ganz gleiche Weise. Die
Figur 4. der Tafel III. giebt eine Durchschnitts-Abbildung dieser Röhren. Ihr
gegenseitiges Lagerungsverhältniss ist nothwendiges Product der primären Son-
derung und des Schema der Entwickelung.

in so fern sie nicht fast ganz entfach sind. Für die Wirbelthiere muſs aber der
Fortgang der Ausbildung ein eigenthümlicher seyn. Nun wissen wir aus der
Entwickelungsgeschichte des Huhnes, daſs sich zuerst eine Axe bildet, daſs von
dieser aus eine Entwickelung nach der Seite, dann nach oben und wieder gegen
die Mittelebene fortgeht, und durch Verwachsung eine Röhre sich nach oben
bildet, an welcher nur die obere oder animalische Schicht des Keimes Theil
nimmt; daſs darauf eine andere Fortbildung in entgegengesetzter Richtung von
den Seiten nach unten fortgeht, woran sowohl die animale als die plastische
Schicht Theil hat. Denselben Fortgang habe ich im Frosche vollständig verfolgt,
und wenn ich auch keinen Embryo von andern Amphibien, von Fischen und von
Säugethieren gesehen habe, in welchem der Rücken noch offen gewesen wäre,
so lieſsen doch die jüngern Embryonen mit Sicherheit erkennen, daſs auch hier
dasselbe Schema waltete, denn die Wirbelsaite und die kaum verwachsenen
Rückenplatten habe ich in allen erkannt. Nehmen wir nun darauf keine Rück-
sicht, daſs auf der Bauchfläche am Vogel, Säugethier und den meisten Amphi-
bien längere Zeit hindurch eine Gegend (der Nabel) ungeschlossen bleibt, und wir
können dieses um so mehr, da in andern Wirbelthieren, wie im Frosche, sich
kein wirklicher Nabel bildet, so sehen wir, daſs der Embryo der Wirbelthiere
zuvörderst aus zwei Hauptröhren besteht, einer obern für die Rückenhälfte und
einer untern für die Bauchhälfte. Jede Röhre ist aus seitlichen Hälften zusammen-
gewachsen, und zwar so, daſs in jeder Röhre nur die der andern zugekehrte
Linie, wo zwischen beiden Hauptröhren die Wirbelsaite als gemeinschaftliche
Axe liegt, ursprünglich central ist, die Seitentheile und die der Axe abgekehrte
Schluſslinie aber einst excentrisch, und zwar diese Schluſslinien (für die obere
Röhre die oberste Linie, für die untere Röhre die unterste Linie) einst am
meisten peripherisch waren. Wir können das Schema, welches die Wirbelthiere
in ihrer Entwickelung verfolgen, seinem Queerdurchschnitte nach mit einer 8
vergleichen, wenn wir uns denken, daſs von der Mitte aus nach oben und unten
die Gestalt dieser Ziffer vollendet wird.

b. Dadurch
werden aus
den Schich-
ten des Kei-
mes Röhren.

Da ferner theils gleich nach dem Schlusse nach oben, theils während des
Schlusses nach unten, im Embryo die Sonderung in Schichten eintritt, so bilden
alle Schichten bald Röhren. Diese Röhren nenne ich die Fundamentalorgane,
da aus ihnen die speciellen Organe sich allmählig ausbilden. Sie müssen sich
nothwendig einander einschlieſsen, aber nicht auf ganz gleiche Weise. Die
Figur 4. der Tafel III. giebt eine Durchschnitts-Abbildung dieser Röhren. Ihr
gegenseitiges Lagerungsverhältniſs ist nothwendiges Product der primären Son-
derung und des Schema der Entwickelung.

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[164/0194] in so fern sie nicht fast ganz entfach sind. Für die Wirbelthiere muſs aber der Fortgang der Ausbildung ein eigenthümlicher seyn. Nun wissen wir aus der Entwickelungsgeschichte des Huhnes, daſs sich zuerst eine Axe bildet, daſs von dieser aus eine Entwickelung nach der Seite, dann nach oben und wieder gegen die Mittelebene fortgeht, und durch Verwachsung eine Röhre sich nach oben bildet, an welcher nur die obere oder animalische Schicht des Keimes Theil nimmt; daſs darauf eine andere Fortbildung in entgegengesetzter Richtung von den Seiten nach unten fortgeht, woran sowohl die animale als die plastische Schicht Theil hat. Denselben Fortgang habe ich im Frosche vollständig verfolgt, und wenn ich auch keinen Embryo von andern Amphibien, von Fischen und von Säugethieren gesehen habe, in welchem der Rücken noch offen gewesen wäre, so lieſsen doch die jüngern Embryonen mit Sicherheit erkennen, daſs auch hier dasselbe Schema waltete, denn die Wirbelsaite und die kaum verwachsenen Rückenplatten habe ich in allen erkannt. Nehmen wir nun darauf keine Rück- sicht, daſs auf der Bauchfläche am Vogel, Säugethier und den meisten Amphi- bien längere Zeit hindurch eine Gegend (der Nabel) ungeschlossen bleibt, und wir können dieses um so mehr, da in andern Wirbelthieren, wie im Frosche, sich kein wirklicher Nabel bildet, so sehen wir, daſs der Embryo der Wirbelthiere zuvörderst aus zwei Hauptröhren besteht, einer obern für die Rückenhälfte und einer untern für die Bauchhälfte. Jede Röhre ist aus seitlichen Hälften zusammen- gewachsen, und zwar so, daſs in jeder Röhre nur die der andern zugekehrte Linie, wo zwischen beiden Hauptröhren die Wirbelsaite als gemeinschaftliche Axe liegt, ursprünglich central ist, die Seitentheile und die der Axe abgekehrte Schluſslinie aber einst excentrisch, und zwar diese Schluſslinien (für die obere Röhre die oberste Linie, für die untere Röhre die unterste Linie) einst am meisten peripherisch waren. Wir können das Schema, welches die Wirbelthiere in ihrer Entwickelung verfolgen, seinem Queerdurchschnitte nach mit einer 8 vergleichen, wenn wir uns denken, daſs von der Mitte aus nach oben und unten die Gestalt dieser Ziffer vollendet wird. Da ferner theils gleich nach dem Schlusse nach oben, theils während des Schlusses nach unten, im Embryo die Sonderung in Schichten eintritt, so bilden alle Schichten bald Röhren. Diese Röhren nenne ich die Fundamentalorgane, da aus ihnen die speciellen Organe sich allmählig ausbilden. Sie müssen sich nothwendig einander einschlieſsen, aber nicht auf ganz gleiche Weise. Die Figur 4. der Tafel III. giebt eine Durchschnitts-Abbildung dieser Röhren. Ihr gegenseitiges Lagerungsverhältniſs ist nothwendiges Product der primären Son- derung und des Schema der Entwickelung.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/194>, abgerufen am 27.11.2024.