Scholion IV. Ueber das Schema, das die Entwickelung der Wirbelthiere befolgt.
§. 1. Im Keime und werdenden Embryo zeigt sich in allen Dimensionen dieselbe Reihenfolge von Differenzen.
Je weiter wir in der Entwickelungsgeschichte zurückgehen, um desto mehr fallen alle Vorgänge zusammen. Es ist daher kaum möglich, irgend ein Verhältniss von seinem Entstehen an zu verfolgen, ohne auch andere wieder- holend zu berühren. Dieses zur Entschuldigung, wenn hier einige Bemerkungen nur Fortsetzungen oder Wiederholungen von Bemerkungen aus dem dritten Scholion scheinen, und andre vielleicht spätern Erörterungen vorgreifen. -- Es kam mir nur darauf an, eine Reihe von Betrachtungen zusammen zu fassen, die sich vorzüglich auf die Bildungsweise der Wirbelthiere beziehen. Sie sollten dem folgenden Scholion als Vorbereitung dienen. Dieses letztere wird auch näher zu scheiden sich bemühen, was in dem vorhergehenden mehr allgemeine Gültig- keit hat und nur der Darstellung wegen in engern Zusammenhang mit Verhält- nissen gebracht ist, die nur im Wirbelthiere walten.
So zusammengesetzt auch und scheinbar verworren der Bau eines aus- gewachsenen Wirbelthiers ist, so einfach und nach allen Richtungen gleich- mässig ist der Fortgang der Ausbildung dieser Form in der ersten Zeit.
a. Die Differenzen der primä- ren Sonde- rung wieder- holen sich in allen Dimen- sionen des Keimes.
Ueberblicken wir zuvörderst die Scheidung, welche in der Dicke des Keimes auftritt als seröses Blatt, Gefässblatt und Schleimblatt, so finden wir die Wiederholung derselben Differenzirungen auch in der Fläche, wie schon in der Entwickelungsgeschichte §. 1. bemerkt wurde, da im Dotterhofe das Schleimblatt, im Gefässhofe das Gefässblatt vorherrscht und der Fruchthof dem serösen Blatte entspricht. Da der Keim keinen merklichen Gegensatz von vorn und hinten hat, so kann in dieser Dimension dieselbe Folge nicht auffallend werden. Als ganz schwach angedeutet lässt sie sich jedoch auch finden, indem nach hinten wirklich der Dotterhof überwiegt, nach vorn aber der Gefässhof und besonders der Frucht-
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Scholion IV. Ueber das Schema, das die Entwickelung der Wirbelthiere befolgt.
§. 1. Im Keime und werdenden Embryo zeigt sich in allen Dimensionen dieselbe Reihenfolge von Differenzen.
Je weiter wir in der Entwickelungsgeschichte zurückgehen, um desto mehr fallen alle Vorgänge zusammen. Es ist daher kaum möglich, irgend ein Verhältniſs von seinem Entstehen an zu verfolgen, ohne auch andere wieder- holend zu berühren. Dieses zur Entschuldigung, wenn hier einige Bemerkungen nur Fortsetzungen oder Wiederholungen von Bemerkungen aus dem dritten Scholion scheinen, und andre vielleicht spätern Erörterungen vorgreifen. — Es kam mir nur darauf an, eine Reihe von Betrachtungen zusammen zu fassen, die sich vorzüglich auf die Bildungsweise der Wirbelthiere beziehen. Sie sollten dem folgenden Scholion als Vorbereitung dienen. Dieses letztere wird auch näher zu scheiden sich bemühen, was in dem vorhergehenden mehr allgemeine Gültig- keit hat und nur der Darstellung wegen in engern Zusammenhang mit Verhält- nissen gebracht ist, die nur im Wirbelthiere walten.
So zusammengesetzt auch und scheinbar verworren der Bau eines aus- gewachsenen Wirbelthiers ist, so einfach und nach allen Richtungen gleich- mäſsig ist der Fortgang der Ausbildung dieser Form in der ersten Zeit.
a. Die Differenzen der primä- ren Sonde- rung wieder- holen sich in allen Dimen- sionen des Keimes.
Ueberblicken wir zuvörderst die Scheidung, welche in der Dicke des Keimes auftritt als seröses Blatt, Gefäſsblatt und Schleimblatt, so finden wir die Wiederholung derselben Differenzirungen auch in der Fläche, wie schon in der Entwickelungsgeschichte §. 1. bemerkt wurde, da im Dotterhofe das Schleimblatt, im Gefäſshofe das Gefäſsblatt vorherrscht und der Fruchthof dem serösen Blatte entspricht. Da der Keim keinen merklichen Gegensatz von vorn und hinten hat, so kann in dieser Dimension dieselbe Folge nicht auffallend werden. Als ganz schwach angedeutet läſst sie sich jedoch auch finden, indem nach hinten wirklich der Dotterhof überwiegt, nach vorn aber der Gefäſshof und besonders der Frucht-
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Scholion IV.
Ueber das Schema, das die Entwickelung der Wirbelthiere befolgt.
§. 1.
Im Keime und werdenden Embryo zeigt sich in allen Dimensionen dieselbe
Reihenfolge von Differenzen.
Je weiter wir in der Entwickelungsgeschichte zurückgehen, um desto
mehr fallen alle Vorgänge zusammen. Es ist daher kaum möglich, irgend ein
Verhältniſs von seinem Entstehen an zu verfolgen, ohne auch andere wieder-
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nur Fortsetzungen oder Wiederholungen von Bemerkungen aus dem dritten
Scholion scheinen, und andre vielleicht spätern Erörterungen vorgreifen. — Es
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sich vorzüglich auf die Bildungsweise der Wirbelthiere beziehen. Sie sollten
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zu scheiden sich bemühen, was in dem vorhergehenden mehr allgemeine Gültig-
keit hat und nur der Darstellung wegen in engern Zusammenhang mit Verhält-
nissen gebracht ist, die nur im Wirbelthiere walten.
So zusammengesetzt auch und scheinbar verworren der Bau eines aus-
gewachsenen Wirbelthiers ist, so einfach und nach allen Richtungen gleich-
mäſsig ist der Fortgang der Ausbildung dieser Form in der ersten Zeit.
Ueberblicken wir zuvörderst die Scheidung, welche in der Dicke des
Keimes auftritt als seröses Blatt, Gefäſsblatt und Schleimblatt, so finden wir die
Wiederholung derselben Differenzirungen auch in der Fläche, wie schon in der
Entwickelungsgeschichte §. 1. bemerkt wurde, da im Dotterhofe das Schleimblatt,
im Gefäſshofe das Gefäſsblatt vorherrscht und der Fruchthof dem serösen Blatte
entspricht. Da der Keim keinen merklichen Gegensatz von vorn und hinten hat,
so kann in dieser Dimension dieselbe Folge nicht auffallend werden. Als ganz
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/190>, abgerufen am 17.02.2025.
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