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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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nern Differenzirung nehmen also einzelne Elementartheile die Natur der Schichten
an, indem sie zu Nervenmasse und Blut sich bilden. So werden denn zwei von
den in Röhren umgewandelten Blättern allgemeine Systeme, indem die Differen-
zirung, welche sie abschied, sich in den andern Blättern wiederholt, und die ur-
sprünglichen Röhren sind nur die Centraltheile dieser Systeme. Andere durch in-
nere Differenzirung entstandene Theile, wie die Knochen, bilden sich nur in ge-
wissen Schichten. Ich nenne diese Form der Differenzirung die histologische Son-
derung.

Eine dritte Form der Differenzirung ist vorzüglich eine Differenzirung derd. Morpho-
logische
Sonderung.

äussern Gestaltung. Einzelne Abschnitte der ursprünglich aus den Schichten ge-
bildeten Röhren entwickeln sich nämlich zu individuellen Formen, welche in spä-
terer Zeit besondere Verrichtungen haben, die zwar in der allgemeinsten Bezie-
hung untergeordnete Glieder der Verrichtung der ganzen Röhre sind, aber doch
von den Verrichtungen anderer Abschnitte abweichen. So scheidet sich die Ner-
venröhre in Sinnesorgane, Hirn und Rückenmark, die Schleimhautröhre in Mund-
höhle, Speiseröhre, Magen, Darm, Athmungsapparat, Leber, Harnsack u. s. w.
Die Besonderheit in der Entwickelung ist nämlich entweder mit einem vermehr-
ten oder verminderten Wachsthume verbunden.

Nie ist zwar ein vermehrtes Wachsthum im ganzen Umfange einer Röhre
gleichmässig, es ist aber doch bald mehr ausgebreitet, bald mehr auf eine Stelle
beschränkt. Ist es ausgebreitet, so hat der Vorgang mehr den Character einer
Abgrenzung eines Abschnittes gegen den andern, so die Scheidung von Hirn und
Rückenmark, von Magen und Darm. Zeigt sich aber das vermehrte Wachsthum
auf einer beschränkten Stelle des Umfanges einer Röhre, so giebt sie uns mehr
das Bild einer Hervorstülpung. So die Entwickelungsweise der Sinnesorgane *)
aus der Nervenröhre, des Athmungsapparates, der Leber, des Harnsackes aus
der Schleimhautröhre (in Verbindung mit der Gefässschicht). Im Grunde ist aber

*) Ich meine hierbei vorzüglich die höhern Sinnesorgane. Vom Auge und Ohr zeigt die Entwicke-
lungsgeschichte diese Bedeutung ganz klar. Was die Nase anlangt, so scheint die Hervorstül-
pung bloss den Stamm des Riechnerven oder den Riechkolben zu umfassen. Im Grunde ist
auch hier das Verhältniss wohl nur relativ. Das Auge nämlich scheint eine Hervorstülpung der
Nervenröhre durch die Fleischschicht (die die Knochen mit enthält) bis an die Hautschicht,
und die äussern Theile des Auges sind dadurch hervorgerufene Metamorphosen der Haut. Das
Ohr möchte ich eine Hervorstülpung der Nervenröhre bis in die Fleischschicht und zwar bis in
die Knochenlage derselben nennen. Dieser Hervorstülpung wächst dann eine Einstülpung der
Hautschicht entgegen. Die Nase wäre eine Hervorstülpung der Nervenröhre bis an die
Fleischschicht, denn die eigentlichen Riechnerven, die gewöhnlich sogenannten Aeste, möchten
wohl nicht durch Hervorstülpung, sondern durch innere Differenzirung entstanden seyn.
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nern Differenzirung nehmen also einzelne Elementartheile die Natur der Schichten
an, indem sie zu Nervenmasse und Blut sich bilden. So werden denn zwei von
den in Röhren umgewandelten Blättern allgemeine Systeme, indem die Differen-
zirung, welche sie abschied, sich in den andern Blättern wiederholt, und die ur-
sprünglichen Röhren sind nur die Centraltheile dieser Systeme. Andere durch in-
nere Differenzirung entstandene Theile, wie die Knochen, bilden sich nur in ge-
wissen Schichten. Ich nenne diese Form der Differenzirung die histologische Son-
derung.

Eine dritte Form der Differenzirung ist vorzüglich eine Differenzirung derd. Morpho-
logische
Sonderung.

äuſsern Gestaltung. Einzelne Abschnitte der ursprünglich aus den Schichten ge-
bildeten Röhren entwickeln sich nämlich zu individuellen Formen, welche in spä-
terer Zeit besondere Verrichtungen haben, die zwar in der allgemeinsten Bezie-
hung untergeordnete Glieder der Verrichtung der ganzen Röhre sind, aber doch
von den Verrichtungen anderer Abschnitte abweichen. So scheidet sich die Ner-
venröhre in Sinnesorgane, Hirn und Rückenmark, die Schleimhautröhre in Mund-
höhle, Speiseröhre, Magen, Darm, Athmungsapparat, Leber, Harnsack u. s. w.
Die Besonderheit in der Entwickelung ist nämlich entweder mit einem vermehr-
ten oder verminderten Wachsthume verbunden.

Nie ist zwar ein vermehrtes Wachsthum im ganzen Umfange einer Röhre
gleichmäſsig, es ist aber doch bald mehr ausgebreitet, bald mehr auf eine Stelle
beschränkt. Ist es ausgebreitet, so hat der Vorgang mehr den Character einer
Abgrenzung eines Abschnittes gegen den andern, so die Scheidung von Hirn und
Rückenmark, von Magen und Darm. Zeigt sich aber das vermehrte Wachsthum
auf einer beschränkten Stelle des Umfanges einer Röhre, so giebt sie uns mehr
das Bild einer Hervorstülpung. So die Entwickelungsweise der Sinnesorgane *)
aus der Nervenröhre, des Athmungsapparates, der Leber, des Harnsackes aus
der Schleimhautröhre (in Verbindung mit der Gefäſsschicht). Im Grunde ist aber

*) Ich meine hierbei vorzüglich die höhern Sinnesorgane. Vom Auge und Ohr zeigt die Entwicke-
lungsgeschichte diese Bedeutung ganz klar. Was die Nase anlangt, so scheint die Hervorstül-
pung bloſs den Stamm des Riechnerven oder den Riechkolben zu umfassen. Im Grunde ist
auch hier das Verhältniſs wohl nur relativ. Das Auge nämlich scheint eine Hervorstülpung der
Nervenröhre durch die Fleischschicht (die die Knochen mit enthält) bis an die Hautschicht,
und die äuſsern Theile des Auges sind dadurch hervorgerufene Metamorphosen der Haut. Das
Ohr möchte ich eine Hervorstülpung der Nervenröhre bis in die Fleischschicht und zwar bis in
die Knochenlage derselben nennen. Dieser Hervorstülpung wächst dann eine Einstülpung der
Hautschicht entgegen. Die Nase wäre eine Hervorstülpung der Nervenröhre bis an die
Fleischschicht, denn die eigentlichen Riechnerven, die gewöhnlich sogenannten Aeste, möchten
wohl nicht durch Hervorstülpung, sondern durch innere Differenzirung entstanden seyn.
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[155/0185] nern Differenzirung nehmen also einzelne Elementartheile die Natur der Schichten an, indem sie zu Nervenmasse und Blut sich bilden. So werden denn zwei von den in Röhren umgewandelten Blättern allgemeine Systeme, indem die Differen- zirung, welche sie abschied, sich in den andern Blättern wiederholt, und die ur- sprünglichen Röhren sind nur die Centraltheile dieser Systeme. Andere durch in- nere Differenzirung entstandene Theile, wie die Knochen, bilden sich nur in ge- wissen Schichten. Ich nenne diese Form der Differenzirung die histologische Son- derung. Eine dritte Form der Differenzirung ist vorzüglich eine Differenzirung der äuſsern Gestaltung. Einzelne Abschnitte der ursprünglich aus den Schichten ge- bildeten Röhren entwickeln sich nämlich zu individuellen Formen, welche in spä- terer Zeit besondere Verrichtungen haben, die zwar in der allgemeinsten Bezie- hung untergeordnete Glieder der Verrichtung der ganzen Röhre sind, aber doch von den Verrichtungen anderer Abschnitte abweichen. So scheidet sich die Ner- venröhre in Sinnesorgane, Hirn und Rückenmark, die Schleimhautröhre in Mund- höhle, Speiseröhre, Magen, Darm, Athmungsapparat, Leber, Harnsack u. s. w. Die Besonderheit in der Entwickelung ist nämlich entweder mit einem vermehr- ten oder verminderten Wachsthume verbunden. d. Morpho- logische Sonderung. Nie ist zwar ein vermehrtes Wachsthum im ganzen Umfange einer Röhre gleichmäſsig, es ist aber doch bald mehr ausgebreitet, bald mehr auf eine Stelle beschränkt. Ist es ausgebreitet, so hat der Vorgang mehr den Character einer Abgrenzung eines Abschnittes gegen den andern, so die Scheidung von Hirn und Rückenmark, von Magen und Darm. Zeigt sich aber das vermehrte Wachsthum auf einer beschränkten Stelle des Umfanges einer Röhre, so giebt sie uns mehr das Bild einer Hervorstülpung. So die Entwickelungsweise der Sinnesorgane *) aus der Nervenröhre, des Athmungsapparates, der Leber, des Harnsackes aus der Schleimhautröhre (in Verbindung mit der Gefäſsschicht). Im Grunde ist aber *) Ich meine hierbei vorzüglich die höhern Sinnesorgane. Vom Auge und Ohr zeigt die Entwicke- lungsgeschichte diese Bedeutung ganz klar. Was die Nase anlangt, so scheint die Hervorstül- pung bloſs den Stamm des Riechnerven oder den Riechkolben zu umfassen. Im Grunde ist auch hier das Verhältniſs wohl nur relativ. Das Auge nämlich scheint eine Hervorstülpung der Nervenröhre durch die Fleischschicht (die die Knochen mit enthält) bis an die Hautschicht, und die äuſsern Theile des Auges sind dadurch hervorgerufene Metamorphosen der Haut. Das Ohr möchte ich eine Hervorstülpung der Nervenröhre bis in die Fleischschicht und zwar bis in die Knochenlage derselben nennen. Dieser Hervorstülpung wächst dann eine Einstülpung der Hautschicht entgegen. Die Nase wäre eine Hervorstülpung der Nervenröhre bis an die Fleischschicht, denn die eigentlichen Riechnerven, die gewöhnlich sogenannten Aeste, möchten wohl nicht durch Hervorstülpung, sondern durch innere Differenzirung entstanden seyn. U 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/185>, abgerufen am 27.11.2024.