Welt kamen, so stammten sie offenbar vom vorigen Jahre. Dagegen sollen die Eier von eben ausgekrochenen Schmetterlingen zuweilen Embryonen entwickeln, und für diese Erfahrung spricht die Autorität eines Pallas. An Blattläusen hat man Zeugung ohne Befruchtung vielfach beobachtet. Hierin schon liegt ein voll- ständiger Beweis, dass bei der Befruchtung das männliche Geschlecht nicht allein wirkt und das weibliche Geschlecht ganz leidend sich verhält. Vielmehr scheint die Frucht aus einem weiblichen Geschlechtsapparate weiblicher Natur, welche durch das Keimbläschen repräsentirt wird, und es bedarf der Einwirkung des männlichen Zeugungsstoffes derselben Thierart, um die Idee des Thiers vollstän- dig zu machen und ihm die Möglichkeit der Entwickelung zu geben. Wie nun die Einwirkung des männlichen Geschlechtes ersetzt werde, um jene Eier der Schmetterlinge oder die Früchte der Blattläuse zur Entwickelung zu bringen, ist um so mehr unbegreiflich, als der Zeugungsstoff einer merklich verschiedenen Thierart nicht einmal befruchtend wirkt. Vielleicht darf man annehmen, dass diese Eier ursprünglich nicht weiblicher Natur, sondern weiblich-männlich waren, bei den Blattläusen als normale Folge vom Einfluss der Jahreszeit, bei jenen Schmetterlingen als besondere Abweichung, zu welcher die Insecten schon da- durch eine Neigung offenbaren, dass das Keimbläschen in ihnen ungemein früh schwindet. -- Indessen bleiben neue Bestätigungen vom Auskriechen der Eier unbefruchteter Phalaenen sehr zu wünschen.
Scho-
Welt kamen, so stammten sie offenbar vom vorigen Jahre. Dagegen sollen die Eier von eben ausgekrochenen Schmetterlingen zuweilen Embryonen entwickeln, und für diese Erfahrung spricht die Autorität eines Pallas. An Blattläusen hat man Zeugung ohne Befruchtung vielfach beobachtet. Hierin schon liegt ein voll- ständiger Beweis, daſs bei der Befruchtung das männliche Geschlecht nicht allein wirkt und das weibliche Geschlecht ganz leidend sich verhält. Vielmehr scheint die Frucht aus einem weiblichen Geschlechtsapparate weiblicher Natur, welche durch das Keimbläschen repräsentirt wird, und es bedarf der Einwirkung des männlichen Zeugungsstoffes derselben Thierart, um die Idee des Thiers vollstän- dig zu machen und ihm die Möglichkeit der Entwickelung zu geben. Wie nun die Einwirkung des männlichen Geschlechtes ersetzt werde, um jene Eier der Schmetterlinge oder die Früchte der Blattläuse zur Entwickelung zu bringen, ist um so mehr unbegreiflich, als der Zeugungsstoff einer merklich verschiedenen Thierart nicht einmal befruchtend wirkt. Vielleicht darf man annehmen, daſs diese Eier ursprünglich nicht weiblicher Natur, sondern weiblich-männlich waren, bei den Blattläusen als normale Folge vom Einfluſs der Jahreszeit, bei jenen Schmetterlingen als besondere Abweichung, zu welcher die Insecten schon da- durch eine Neigung offenbaren, daſs das Keimbläschen in ihnen ungemein früh schwindet. — Indessen bleiben neue Bestätigungen vom Auskriechen der Eier unbefruchteter Phalaenen sehr zu wünschen.
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Welt kamen, so stammten sie offenbar vom vorigen Jahre. Dagegen sollen die
Eier von eben ausgekrochenen Schmetterlingen zuweilen Embryonen entwickeln,
und für diese Erfahrung spricht die Autorität eines Pallas. An Blattläusen hat
man Zeugung ohne Befruchtung vielfach beobachtet. Hierin schon liegt ein voll-
ständiger Beweis, daſs bei der Befruchtung das männliche Geschlecht nicht allein
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Thierart nicht einmal befruchtend wirkt. Vielleicht darf man annehmen, daſs
diese Eier ursprünglich nicht weiblicher Natur, sondern weiblich-männlich waren,
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/182>, abgerufen am 27.11.2024.
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