Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

denden Fischnieren. Es freut mich wenigstens, für die Art ihrer Bildung
die Ansicht versochten zu haben, dass sie aus einem Blutgefässe hervorspros-
sen. Ich hoffe, dass diese sich bewähren wird.

Vielleicht hätte ich das Ganze umarbeiten sollen, um die trockne Er-
zählung durch eingestreute Anwendungen auf physiologische Fragen lebendiger
zu machen. Das aber hätte ein neues Werk gegeben, was ich nicht beab-
sichtigte, und mir die Möglichkeit einer spätern ausführlichen Bearbeitung ab-
geschnitten. Auch hebt sich wohl nach einer Frist von drei Vierteljahren
allerdings manches Verhältniss klarer hervor, und besonders tritt uns eine
consequentere Benennung entgegen, wenn wir die angenommene erst in der
Ausarbeitung erprobt haben. Indessen habe ich in dieser Hinsicht auch nur
Eine Umänderung vorgenommen. Ich habe die Benennung Keimhaut nur für
den hautförmigen Theil gebraucht, welcher nach allen Seiten vom Embryo
sich ausbreitet, für die frühere Zeit aber, wo der Embryo noch gar nicht
verschieden ist von einer umgebenden Keimhaut, sondern beide Theile nur
ein indifferentes Ganzes bilden, schien mir die Bezeichnung Keim der Sache
und der Sprache am angemessensten. Das Wort Keimblatt, welches Du zu-
gleich mit Keimhaut anwendest, hat das Unbequeme, dass in diesem Blatte
wieder Blätter zu unterscheiden sind und in manchen Thieren der Keim schon
beim Hervortreten sackförmig ist. Die Benennung Rückenplatten und Bauch-
platten hätte ich auch vielleicht nach einer Verbesserung, die ich später ken-
nen lernte, verändern sollen. Burdach nennt sie Spinalplatten und Visce-
ralplatten. Nun bilden die ersten allerdings in den Wirbelthieren die obere
Hälfte des Leibes, welche das Rückenmark enthält, und die letztern die un-
tere Körperhälfte, welche die bildenden Organe einschliesst. Allein ganz
entschieden schien mir der Vorzug auch nicht, denn die Benennung medulla
spinalis,
von welcher das erstere Wort abgeleitet wird, ist selbst wieder ab-
geleitet, und zwar morphologisch unrichtig abgeleitet von Spina, dem Stamme

denden Fischnieren. Es freut mich wenigstens, für die Art ihrer Bildung
die Ansicht verſochten zu haben, daſs sie aus einem Blutgefäſse hervorspros-
sen. Ich hoffe, daſs diese sich bewähren wird.

Vielleicht hätte ich das Ganze umarbeiten sollen, um die trockne Er-
zählung durch eingestreute Anwendungen auf physiologische Fragen lebendiger
zu machen. Das aber hätte ein neues Werk gegeben, was ich nicht beab-
sichtigte, und mir die Möglichkeit einer spätern ausführlichen Bearbeitung ab-
geschnitten. Auch hebt sich wohl nach einer Frist von drei Vierteljahren
allerdings manches Verhältniſs klarer hervor, und besonders tritt uns eine
consequentere Benennung entgegen, wenn wir die angenommene erst in der
Ausarbeitung erprobt haben. Indessen habe ich in dieser Hinsicht auch nur
Eine Umänderung vorgenommen. Ich habe die Benennung Keimhaut nur für
den hautförmigen Theil gebraucht, welcher nach allen Seiten vom Embryo
sich ausbreitet, für die frühere Zeit aber, wo der Embryo noch gar nicht
verschieden ist von einer umgebenden Keimhaut, sondern beide Theile nur
ein indifferentes Ganzes bilden, schien mir die Bezeichnung Keim der Sache
und der Sprache am angemessensten. Das Wort Keimblatt, welches Du zu-
gleich mit Keimhaut anwendest, hat das Unbequeme, daſs in diesem Blatte
wieder Blätter zu unterscheiden sind und in manchen Thieren der Keim schon
beim Hervortreten sackförmig ist. Die Benennung Rückenplatten und Bauch-
platten hätte ich auch vielleicht nach einer Verbesserung, die ich später ken-
nen lernte, verändern sollen. Burdach nennt sie Spinalplatten und Visce-
ralplatten. Nun bilden die ersten allerdings in den Wirbelthieren die obere
Hälfte des Leibes, welche das Rückenmark enthält, und die letztern die un-
tere Körperhälfte, welche die bildenden Organe einschlieſst. Allein ganz
entschieden schien mir der Vorzug auch nicht, denn die Benennung medulla
spinalis,
von welcher das erstere Wort abgeleitet wird, ist selbst wieder ab-
geleitet, und zwar morphologisch unrichtig abgeleitet von Spina, dem Stamme

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="XII"/>
denden Fischnieren. Es freut mich wenigstens, für die Art ihrer Bildung<lb/>
die Ansicht ver&#x017F;ochten zu haben, da&#x017F;s sie aus einem Blutgefä&#x017F;se hervorspros-<lb/>
sen. Ich hoffe, da&#x017F;s diese sich bewähren wird.</p><lb/>
        <p>Vielleicht hätte ich das Ganze umarbeiten sollen, um die trockne Er-<lb/>
zählung durch eingestreute Anwendungen auf physiologische Fragen lebendiger<lb/>
zu machen. Das aber hätte ein neues Werk gegeben, was ich nicht beab-<lb/>
sichtigte, und mir die Möglichkeit einer spätern ausführlichen Bearbeitung ab-<lb/>
geschnitten. Auch hebt sich wohl nach einer Frist von drei Vierteljahren<lb/>
allerdings manches Verhältni&#x017F;s klarer hervor, und besonders tritt uns eine<lb/>
consequentere Benennung entgegen, wenn wir die angenommene erst in der<lb/>
Ausarbeitung erprobt haben. Indessen habe ich in dieser Hinsicht auch nur<lb/>
Eine Umänderung vorgenommen. Ich habe die Benennung Keimhaut nur für<lb/>
den hautförmigen Theil gebraucht, welcher nach allen Seiten vom Embryo<lb/>
sich ausbreitet, für die frühere Zeit aber, wo der Embryo noch gar nicht<lb/>
verschieden ist von einer umgebenden Keimhaut, sondern beide Theile nur<lb/>
ein indifferentes Ganzes bilden, schien mir die Bezeichnung <hi rendition="#i">Keim</hi> der Sache<lb/>
und der Sprache am angemessensten. Das Wort Keimblatt, welches Du zu-<lb/>
gleich mit Keimhaut anwendest, hat das Unbequeme, da&#x017F;s in diesem Blatte<lb/>
wieder Blätter zu unterscheiden sind und in manchen Thieren der Keim schon<lb/>
beim Hervortreten sackförmig ist. Die Benennung Rückenplatten und Bauch-<lb/>
platten hätte ich auch vielleicht nach einer Verbesserung, die ich später ken-<lb/>
nen lernte, verändern sollen. <hi rendition="#g">Burdach</hi> nennt sie Spinalplatten und Visce-<lb/>
ralplatten. Nun bilden die ersten allerdings in den Wirbelthieren die obere<lb/>
Hälfte des Leibes, welche das Rückenmark enthält, und die letztern die un-<lb/>
tere Körperhälfte, welche die bildenden Organe einschlie&#x017F;st. Allein ganz<lb/>
entschieden schien mir der Vorzug auch nicht, denn die Benennung <hi rendition="#i">medulla<lb/>
spinalis,</hi> von welcher das erstere Wort abgeleitet wird, ist selbst wieder ab-<lb/>
geleitet, und zwar morphologisch unrichtig abgeleitet von <hi rendition="#i">Spina,</hi> dem Stamme<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XII/0018] denden Fischnieren. Es freut mich wenigstens, für die Art ihrer Bildung die Ansicht verſochten zu haben, daſs sie aus einem Blutgefäſse hervorspros- sen. Ich hoffe, daſs diese sich bewähren wird. Vielleicht hätte ich das Ganze umarbeiten sollen, um die trockne Er- zählung durch eingestreute Anwendungen auf physiologische Fragen lebendiger zu machen. Das aber hätte ein neues Werk gegeben, was ich nicht beab- sichtigte, und mir die Möglichkeit einer spätern ausführlichen Bearbeitung ab- geschnitten. Auch hebt sich wohl nach einer Frist von drei Vierteljahren allerdings manches Verhältniſs klarer hervor, und besonders tritt uns eine consequentere Benennung entgegen, wenn wir die angenommene erst in der Ausarbeitung erprobt haben. Indessen habe ich in dieser Hinsicht auch nur Eine Umänderung vorgenommen. Ich habe die Benennung Keimhaut nur für den hautförmigen Theil gebraucht, welcher nach allen Seiten vom Embryo sich ausbreitet, für die frühere Zeit aber, wo der Embryo noch gar nicht verschieden ist von einer umgebenden Keimhaut, sondern beide Theile nur ein indifferentes Ganzes bilden, schien mir die Bezeichnung Keim der Sache und der Sprache am angemessensten. Das Wort Keimblatt, welches Du zu- gleich mit Keimhaut anwendest, hat das Unbequeme, daſs in diesem Blatte wieder Blätter zu unterscheiden sind und in manchen Thieren der Keim schon beim Hervortreten sackförmig ist. Die Benennung Rückenplatten und Bauch- platten hätte ich auch vielleicht nach einer Verbesserung, die ich später ken- nen lernte, verändern sollen. Burdach nennt sie Spinalplatten und Visce- ralplatten. Nun bilden die ersten allerdings in den Wirbelthieren die obere Hälfte des Leibes, welche das Rückenmark enthält, und die letztern die un- tere Körperhälfte, welche die bildenden Organe einschlieſst. Allein ganz entschieden schien mir der Vorzug auch nicht, denn die Benennung medulla spinalis, von welcher das erstere Wort abgeleitet wird, ist selbst wieder ab- geleitet, und zwar morphologisch unrichtig abgeleitet von Spina, dem Stamme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/18
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/18>, abgerufen am 22.11.2024.