Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

verengte Stelle, die im Nabel liegt, mit einander Gemeinschaft haben. Es
zieht sich aber immer mehr von der äussern Hälfte durch den Nabel, so dass
also die Vorragung im Dottersacke immer weiter fortrückt, bis endlich der
ganze Sack in die Bauchhöhle schlüpft. Der in die Bauchhöhle eingetretene
Theil behält hier nicht seine sphärische Gestalt, sondern legt sich in alle leeren
Räume der Bauchhöhle hinein, und formt sich also nach den Lücken, welche
andere Theile hier lassen. Dann aber scheint sich der Ueberzug des Dotters
wieder zusammen zu ziehen, und im Augenblicke des Auskriechens, noch mehr
aber bald nachher, erhält er eine selbstständige fast kugliche Form, jedoch mit
Einschnitten, welche die Gefässe veranlassen.

Wenn der Dotter ganz in die Bauchhöhle getreten ist, so verengt sich
der Nabel rasch und fängt an zu vernarben, wobei die äussere Hülle des Dotter-
sackes wie ein Bruchsack zurückbleibt und abgeschnürt wird.

Die Form des Leibes wird durch den eingetretenen grossen Dottersack
sehr verändert. Der spitz hervorgedrängte Nabel bildet das hintere Ende des
Leibes, indem der After in die Höhe geschoben wird. Der Nabel hat erst
in der letzten Zeit seinen vollständigen Character erhalten, indem das, was
wir Hautnabel und Leibesnabel genannt haben, zusammenrückt, und ver-
wachsen ist.

Der concurrirende Ast aus der rechten Lungenschlagader in den hintern
Arterienstamm und die linke Wurzel desselben aus der linken Lungenschlag-
ader sind sehr eng geworden und bilden zwei Botalli'sche Gänge, von denen der
rechte sehr viel kürzer ist, als der linke.

§. 15.
Vom Auskriechen des Hühnchens.

Wenn das Hühnchen die gewöhnliche Lage hat, so nämlich liegt, dass
das Vorderende an den Luftraum stösst, der Hals zurückgekrümmt ist, der
Kopf unter dem rechten Flügel liegt, mit der Schnabelspitze nach vorn gerichtet,
so steht diese Spitze ganz nahe an der Gegend des Chorions, welche den Luft-
raum begrenzt. Ein geringer Versuch, den Kopf aus dieser Lage zu bringen,
durchstösst das Chorion, und die Schnabelspitze dringt in den Luftraum. Das
Hühnchen kann nun, ohne übrigens seine Lage zu verändern, etwas Luft

S

verengte Stelle, die im Nabel liegt, mit einander Gemeinschaft haben. Es
zieht sich aber immer mehr von der äuſsern Hälfte durch den Nabel, so daſs
also die Vorragung im Dottersacke immer weiter fortrückt, bis endlich der
ganze Sack in die Bauchhöhle schlüpft. Der in die Bauchhöhle eingetretene
Theil behält hier nicht seine sphärische Gestalt, sondern legt sich in alle leeren
Räume der Bauchhöhle hinein, und formt sich also nach den Lücken, welche
andere Theile hier lassen. Dann aber scheint sich der Ueberzug des Dotters
wieder zusammen zu ziehen, und im Augenblicke des Auskriechens, noch mehr
aber bald nachher, erhält er eine selbstständige fast kugliche Form, jedoch mit
Einschnitten, welche die Gefäſse veranlassen.

Wenn der Dotter ganz in die Bauchhöhle getreten ist, so verengt sich
der Nabel rasch und fängt an zu vernarben, wobei die äuſsere Hülle des Dotter-
sackes wie ein Bruchsack zurückbleibt und abgeschnürt wird.

Die Form des Leibes wird durch den eingetretenen groſsen Dottersack
sehr verändert. Der spitz hervorgedrängte Nabel bildet das hintere Ende des
Leibes, indem der After in die Höhe geschoben wird. Der Nabel hat erst
in der letzten Zeit seinen vollständigen Character erhalten, indem das, was
wir Hautnabel und Leibesnabel genannt haben, zusammenrückt, und ver-
wachsen ist.

Der concurrirende Ast aus der rechten Lungenschlagader in den hintern
Arterienstamm und die linke Wurzel desselben aus der linken Lungenschlag-
ader sind sehr eng geworden und bilden zwei Botalli’sche Gänge, von denen der
rechte sehr viel kürzer ist, als der linke.

§. 15.
Vom Auskriechen des Hühnchens.

Wenn das Hühnchen die gewöhnliche Lage hat, so nämlich liegt, daſs
das Vorderende an den Luftraum stöſst, der Hals zurückgekrümmt ist, der
Kopf unter dem rechten Flügel liegt, mit der Schnabelspitze nach vorn gerichtet,
so steht diese Spitze ganz nahe an der Gegend des Chorions, welche den Luft-
raum begrenzt. Ein geringer Versuch, den Kopf aus dieser Lage zu bringen,
durchstöſst das Chorion, und die Schnabelspitze dringt in den Luftraum. Das
Hühnchen kann nun, ohne übrigens seine Lage zu verändern, etwas Luft

S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0167" n="137"/>
verengte Stelle, die im Nabel liegt, mit einander Gemeinschaft haben. Es<lb/>
zieht sich aber immer mehr von der äu&#x017F;sern Hälfte durch den Nabel, so da&#x017F;s<lb/>
also die Vorragung im Dottersacke immer weiter fortrückt, bis endlich der<lb/>
ganze Sack in die Bauchhöhle schlüpft. Der in die Bauchhöhle eingetretene<lb/>
Theil behält hier nicht seine sphärische Gestalt, sondern legt sich in alle leeren<lb/>
Räume der Bauchhöhle hinein, und formt sich also nach den Lücken, welche<lb/>
andere Theile hier lassen. Dann aber scheint sich der Ueberzug des Dotters<lb/>
wieder zusammen zu ziehen, und im Augenblicke des Auskriechens, noch mehr<lb/>
aber bald nachher, erhält er eine selbstständige fast kugliche Form, jedoch mit<lb/>
Einschnitten, welche die Gefä&#x017F;se veranlassen.</p><lb/>
            <p>Wenn der Dotter ganz in die Bauchhöhle getreten ist, so verengt sich<lb/>
der Nabel rasch und fängt an zu vernarben, wobei die äu&#x017F;sere Hülle des Dotter-<lb/>
sackes wie ein Bruchsack zurückbleibt und abgeschnürt wird.</p><lb/>
            <p>Die Form des Leibes wird durch den eingetretenen gro&#x017F;sen Dottersack<lb/>
sehr verändert. Der spitz hervorgedrängte Nabel bildet das hintere Ende des<lb/>
Leibes, indem der After in die Höhe geschoben wird. Der Nabel hat erst<lb/>
in der letzten Zeit seinen vollständigen Character erhalten, indem das, was<lb/>
wir Hautnabel und Leibesnabel genannt haben, zusammenrückt, und ver-<lb/>
wachsen ist.</p><lb/>
            <p>Der concurrirende Ast aus der rechten Lungenschlagader in den hintern<lb/>
Arterienstamm und die linke Wurzel desselben aus der linken Lungenschlag-<lb/>
ader sind sehr eng geworden und bilden zwei Botalli&#x2019;sche Gänge, von denen der<lb/>
rechte sehr viel kürzer ist, als der linke.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 15.<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Vom Auskriechen des Hühnchens.</hi></hi></head><lb/>
            <p>Wenn das Hühnchen die gewöhnliche Lage hat, so nämlich liegt, da&#x017F;s<lb/>
das Vorderende an den Luftraum stö&#x017F;st, der Hals zurückgekrümmt ist, der<lb/>
Kopf unter dem rechten Flügel liegt, mit der Schnabelspitze nach vorn gerichtet,<lb/>
so steht diese Spitze ganz nahe an der Gegend des Chorions, welche den Luft-<lb/>
raum begrenzt. Ein geringer Versuch, den Kopf aus dieser Lage zu bringen,<lb/>
durchstö&#x017F;st das Chorion, und die Schnabelspitze dringt in den Luftraum. Das<lb/>
Hühnchen kann nun, ohne übrigens seine Lage zu verändern, etwas Luft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0167] verengte Stelle, die im Nabel liegt, mit einander Gemeinschaft haben. Es zieht sich aber immer mehr von der äuſsern Hälfte durch den Nabel, so daſs also die Vorragung im Dottersacke immer weiter fortrückt, bis endlich der ganze Sack in die Bauchhöhle schlüpft. Der in die Bauchhöhle eingetretene Theil behält hier nicht seine sphärische Gestalt, sondern legt sich in alle leeren Räume der Bauchhöhle hinein, und formt sich also nach den Lücken, welche andere Theile hier lassen. Dann aber scheint sich der Ueberzug des Dotters wieder zusammen zu ziehen, und im Augenblicke des Auskriechens, noch mehr aber bald nachher, erhält er eine selbstständige fast kugliche Form, jedoch mit Einschnitten, welche die Gefäſse veranlassen. Wenn der Dotter ganz in die Bauchhöhle getreten ist, so verengt sich der Nabel rasch und fängt an zu vernarben, wobei die äuſsere Hülle des Dotter- sackes wie ein Bruchsack zurückbleibt und abgeschnürt wird. Die Form des Leibes wird durch den eingetretenen groſsen Dottersack sehr verändert. Der spitz hervorgedrängte Nabel bildet das hintere Ende des Leibes, indem der After in die Höhe geschoben wird. Der Nabel hat erst in der letzten Zeit seinen vollständigen Character erhalten, indem das, was wir Hautnabel und Leibesnabel genannt haben, zusammenrückt, und ver- wachsen ist. Der concurrirende Ast aus der rechten Lungenschlagader in den hintern Arterienstamm und die linke Wurzel desselben aus der linken Lungenschlag- ader sind sehr eng geworden und bilden zwei Botalli’sche Gänge, von denen der rechte sehr viel kürzer ist, als der linke. §. 15. Vom Auskriechen des Hühnchens. Wenn das Hühnchen die gewöhnliche Lage hat, so nämlich liegt, daſs das Vorderende an den Luftraum stöſst, der Hals zurückgekrümmt ist, der Kopf unter dem rechten Flügel liegt, mit der Schnabelspitze nach vorn gerichtet, so steht diese Spitze ganz nahe an der Gegend des Chorions, welche den Luft- raum begrenzt. Ein geringer Versuch, den Kopf aus dieser Lage zu bringen, durchstöſst das Chorion, und die Schnabelspitze dringt in den Luftraum. Das Hühnchen kann nun, ohne übrigens seine Lage zu verändern, etwas Luft S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/167
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/167>, abgerufen am 27.11.2024.