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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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treibt es dasselbe aus. Hierauf beruht die Art der Gefässvertheilung in den Säuge-
thieren und Vögeln, indem, wie auch die einzelnen Modificationen seyn mögen,
immer der Hauptstrom des Blutes zuerst nach rechts geht.

Der Grund vom Uebertreten der Ingestion nach der linken und der Egestion
nach der rechten Seite möchte wohl darin liegen, dass die linke Seite des Embryo
ursprünglich nach dem ingestiven Pole des Eies zugekehrt ist. Es scheint näm-
lich, dass, während der Embryo in seiner ersten Bildung mit der aufnehmenden
untern Fläche dem Dotter zugekehrt ist, auch das polare Verhältniss im Eie sich
der Keimhaut und dem Embryo allmählig mittheilt. Daher schon in der ersten
Periode der Eintritt des Venenblutes von der linken Seite. Wenn nun die linke
Seite allmählig immer mehr Antheil an der physiologischen Bedeutung der untern
Fläche nimmt, so scheint es nothwendig, dass sie auch räumlich in ihre Verhält-
nisse tritt, und sich nach unten stellt. Dies ist es eben, was wir mit andern
Worten ein Drehen des Embryo auf seine linke Seite genannt haben. Der Embryo
steht nämlich zum Dotter in nächster Beziehung und empfängt aus ihm seine
Nahrung. Seine ingestive Seite muss daher immer dem Dotter zugekehrt seyn.
Die Umänderung des ingestiven und egestiven Gegensatzes und die Wendung auf
die linke Seite, sind also nur Erscheinungen derselben Metamorphose.

Aufnahme von der linken und Ausscheidung nach der rechten Seite ist
Character des Molluskentypus. Wir schliessen also, dass in der zweiten Periode
der Typus der Mollusken sich der bisher symmetrischen Anlage des Wirbelthieres
einbildet.
Man darf aber nicht sagen, dass der Embryo des Huhnes jetzt auf der
Bildungsstufe der Mollusken stehe. Wirbelsäule, Rückenmark und Hirn sprechen
zu sehr dagegen. Vielmehr sind nur die plastischen Organe nach dem Typus der
Mollusken gebaut, und im animalischen Theile ist nur eine leise Andeutung von
Aesymmetrie in der stärkern Entwickelung der rechten Hälfte. Die seitliche
Ungleichheit wurde aber begleitet von einer Spaltung der Schichten des Keimes
in eine obere und eine untere Lage. Diese Spaltung ist, wie wir gezeigt haben
(§. 5. c.), nichts als die Bildung der Bauchhöhle, eine Trennung des plastischen
Theils vom animalischen durch einen mit Feuchtigkeit gefüllten Raum. Das
Selbstständigwerden derjenigen Theile des Keimblattes und des Embryo, welche
bestimmt sind, die plastischen Organe zu erzeugen, und, was ganz dasselbe ist,
die Bildung der Bauchhöhle, die ja in der ersten Zeit alle plastische Organe von
der Rachenhöhle bis zum After enthält, scheint demnach auch eine unmittelbare
Folge der Versetzung der Ingestion auf die linke Seite. Ist diese aber wieder die
Folge der Einwirkung des gesammten Eies auf den Keim, so scheint Alles, was
die zweite Periode besonders characterisirt, auf dieser Einwirkung zu beruhen.

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treibt es dasselbe aus. Hierauf beruht die Art der Gefäſsvertheilung in den Säuge-
thieren und Vögeln, indem, wie auch die einzelnen Modificationen seyn mögen,
immer der Hauptstrom des Blutes zuerst nach rechts geht.

Der Grund vom Uebertreten der Ingestion nach der linken und der Egestion
nach der rechten Seite möchte wohl darin liegen, daſs die linke Seite des Embryo
ursprünglich nach dem ingestiven Pole des Eies zugekehrt ist. Es scheint näm-
lich, daſs, während der Embryo in seiner ersten Bildung mit der aufnehmenden
untern Fläche dem Dotter zugekehrt ist, auch das polare Verhältniſs im Eie sich
der Keimhaut und dem Embryo allmählig mittheilt. Daher schon in der ersten
Periode der Eintritt des Venenblutes von der linken Seite. Wenn nun die linke
Seite allmählig immer mehr Antheil an der physiologischen Bedeutung der untern
Fläche nimmt, so scheint es nothwendig, daſs sie auch räumlich in ihre Verhält-
nisse tritt, und sich nach unten stellt. Dies ist es eben, was wir mit andern
Worten ein Drehen des Embryo auf seine linke Seite genannt haben. Der Embryo
steht nämlich zum Dotter in nächster Beziehung und empfängt aus ihm seine
Nahrung. Seine ingestive Seite muſs daher immer dem Dotter zugekehrt seyn.
Die Umänderung des ingestiven und egestiven Gegensatzes und die Wendung auf
die linke Seite, sind also nur Erscheinungen derselben Metamorphose.

Aufnahme von der linken und Ausscheidung nach der rechten Seite ist
Character des Molluskentypus. Wir schlieſsen also, daſs in der zweiten Periode
der Typus der Mollusken sich der bisher symmetrischen Anlage des Wirbelthieres
einbildet.
Man darf aber nicht sagen, daſs der Embryo des Huhnes jetzt auf der
Bildungsstufe der Mollusken stehe. Wirbelsäule, Rückenmark und Hirn sprechen
zu sehr dagegen. Vielmehr sind nur die plastischen Organe nach dem Typus der
Mollusken gebaut, und im animalischen Theile ist nur eine leise Andeutung von
Aesymmetrie in der stärkern Entwickelung der rechten Hälfte. Die seitliche
Ungleichheit wurde aber begleitet von einer Spaltung der Schichten des Keimes
in eine obere und eine untere Lage. Diese Spaltung ist, wie wir gezeigt haben
(§. 5. c.), nichts als die Bildung der Bauchhöhle, eine Trennung des plastischen
Theils vom animalischen durch einen mit Feuchtigkeit gefüllten Raum. Das
Selbstständigwerden derjenigen Theile des Keimblattes und des Embryo, welche
bestimmt sind, die plastischen Organe zu erzeugen, und, was ganz dasselbe ist,
die Bildung der Bauchhöhle, die ja in der ersten Zeit alle plastische Organe von
der Rachenhöhle bis zum After enthält, scheint demnach auch eine unmittelbare
Folge der Versetzung der Ingestion auf die linke Seite. Ist diese aber wieder die
Folge der Einwirkung des gesammten Eies auf den Keim, so scheint Alles, was
die zweite Periode besonders characterisirt, auf dieser Einwirkung zu beruhen.

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[89/0119] treibt es dasselbe aus. Hierauf beruht die Art der Gefäſsvertheilung in den Säuge- thieren und Vögeln, indem, wie auch die einzelnen Modificationen seyn mögen, immer der Hauptstrom des Blutes zuerst nach rechts geht. Der Grund vom Uebertreten der Ingestion nach der linken und der Egestion nach der rechten Seite möchte wohl darin liegen, daſs die linke Seite des Embryo ursprünglich nach dem ingestiven Pole des Eies zugekehrt ist. Es scheint näm- lich, daſs, während der Embryo in seiner ersten Bildung mit der aufnehmenden untern Fläche dem Dotter zugekehrt ist, auch das polare Verhältniſs im Eie sich der Keimhaut und dem Embryo allmählig mittheilt. Daher schon in der ersten Periode der Eintritt des Venenblutes von der linken Seite. Wenn nun die linke Seite allmählig immer mehr Antheil an der physiologischen Bedeutung der untern Fläche nimmt, so scheint es nothwendig, daſs sie auch räumlich in ihre Verhält- nisse tritt, und sich nach unten stellt. Dies ist es eben, was wir mit andern Worten ein Drehen des Embryo auf seine linke Seite genannt haben. Der Embryo steht nämlich zum Dotter in nächster Beziehung und empfängt aus ihm seine Nahrung. Seine ingestive Seite muſs daher immer dem Dotter zugekehrt seyn. Die Umänderung des ingestiven und egestiven Gegensatzes und die Wendung auf die linke Seite, sind also nur Erscheinungen derselben Metamorphose. Aufnahme von der linken und Ausscheidung nach der rechten Seite ist Character des Molluskentypus. Wir schlieſsen also, daſs in der zweiten Periode der Typus der Mollusken sich der bisher symmetrischen Anlage des Wirbelthieres einbildet. Man darf aber nicht sagen, daſs der Embryo des Huhnes jetzt auf der Bildungsstufe der Mollusken stehe. Wirbelsäule, Rückenmark und Hirn sprechen zu sehr dagegen. Vielmehr sind nur die plastischen Organe nach dem Typus der Mollusken gebaut, und im animalischen Theile ist nur eine leise Andeutung von Aesymmetrie in der stärkern Entwickelung der rechten Hälfte. Die seitliche Ungleichheit wurde aber begleitet von einer Spaltung der Schichten des Keimes in eine obere und eine untere Lage. Diese Spaltung ist, wie wir gezeigt haben (§. 5. c.), nichts als die Bildung der Bauchhöhle, eine Trennung des plastischen Theils vom animalischen durch einen mit Feuchtigkeit gefüllten Raum. Das Selbstständigwerden derjenigen Theile des Keimblattes und des Embryo, welche bestimmt sind, die plastischen Organe zu erzeugen, und, was ganz dasselbe ist, die Bildung der Bauchhöhle, die ja in der ersten Zeit alle plastische Organe von der Rachenhöhle bis zum After enthält, scheint demnach auch eine unmittelbare Folge der Versetzung der Ingestion auf die linke Seite. Ist diese aber wieder die Folge der Einwirkung des gesammten Eies auf den Keim, so scheint Alles, was die zweite Periode besonders characterisirt, auf dieser Einwirkung zu beruhen. M

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/119>, abgerufen am 22.11.2024.