ander abgegrenzt, aber nicht völlig geschieden. Es scheint, dass ihre Nerven- blätter in der Mitte zusammenstossen, sie sind aber von der Hülle noch nicht deutlich getrennt. Das Hirn besteht also aus Blasen, welche ich nach den Ven- trikeln benannt habe, da sonst ein Name gefehlt hätte, um die Blase für die dritte Hirnhöhle zu bezeichnen. Allein die Wandung dieser unter sich zusammen- hängenden Blasen ist nicht mehr ein so einfaches Blatt, als am dritten Tage. So wie schon im Rückenmarke der untere Strang jeder Seite deutlicher ist, so ist die Fortsetzung desselben im Hirne als ein erhabener Strang noch viel kenntlicher. Diesen Strang sieht man, obgleich seitlich immer in die Seitenwand übergehend, deutlich auf den Boden der vierten Hirnhöhle und der Sylvischen Höhle bis in die dritte Hirnhöhle verlaufen. Hier bildet der Strang den Trichter. Während aber am Anfange des dritten Tages die hintere Wand des Trichters das eigentliche Ende des untern Randes des Rückenmarkes schien, und am Ende des dritten Tages, wo man schon die Andeutung eines Stranges erkennt, der Uebergang in die vordere und hintere Wand des Trichters gleichmässig war, ist am vierten Tage der Uebergang in die hintere Wand des Trichters schwach im Verhältniss zu dem sehr verdickten Uebergange in die vordere Wand. Diese ist jetzt das vor- zügliche Ende des Stranges, in welches er mit ziemlicher Dicke übergeht, und dadurch dem Eingange des Trichters einen wülstigen Saum giebt. Dieses Ende des Stranges bildet in der Vorderwand des Trichters eine Anschwellung, die fast wie eine plötzliche Umbeugung aussieht, allein bei der Kleinheit der Theile lässt sich darüber nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Endlich verliert sich der Strang aber auch mit einer kaum merklich erhobenen Fortsetzung in die Blase des Seitenventrikels seiner Seite oder in die Hemisphäre des grossen Hirnes.
v. Sinnes- nerven und Sinnes- organe.
Mehrere der Hirnventrikel verlängern sich in die hohlen Sinnesnerven. Die hohlen Eingänge in dieselben sind an erhärteten Hirnen von der innern Fläche der Hirnblasen aus deutlich und ohne viel Schwierigkeit erkenntlich, und zwar der Eingang in den Hörnerven aus der vierten Hirnhöhle zwischen den Blättern des kleinen Hirns und den Blättern des verlängerten Markes, der Eingang in den Sehnernen aus dem dritten Ventrikel vor dem Trichter, der Eingang in den Riechnerven aus dem Seitenventrikel in der untern Fläche desselben. Da noch keine Faserung zu erkennen ist, so kann man über den Uebergang der einzel- nen Hirntheile nur nach der äussern Gestaltung urtheilen, und nach diesen scheinen die Sinnesnerven nicht aus beschränkten Stellen, sondern vom ganzen Umfange der Hirnblasen zu entspringen; so dass also z. B. der Sehnerve nicht von der Stelle käme, die künftig zum Sehhügel wird, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes eine Verlängerung der Hirnblase ist, die die dritte Hirnhöhle einschliesst.
ander abgegrenzt, aber nicht völlig geschieden. Es scheint, daſs ihre Nerven- blätter in der Mitte zusammenstoſsen, sie sind aber von der Hülle noch nicht deutlich getrennt. Das Hirn besteht also aus Blasen, welche ich nach den Ven- trikeln benannt habe, da sonst ein Name gefehlt hätte, um die Blase für die dritte Hirnhöhle zu bezeichnen. Allein die Wandung dieser unter sich zusammen- hängenden Blasen ist nicht mehr ein so einfaches Blatt, als am dritten Tage. So wie schon im Rückenmarke der untere Strang jeder Seite deutlicher ist, so ist die Fortsetzung desselben im Hirne als ein erhabener Strang noch viel kenntlicher. Diesen Strang sieht man, obgleich seitlich immer in die Seitenwand übergehend, deutlich auf den Boden der vierten Hirnhöhle und der Sylvischen Höhle bis in die dritte Hirnhöhle verlaufen. Hier bildet der Strang den Trichter. Während aber am Anfange des dritten Tages die hintere Wand des Trichters das eigentliche Ende des untern Randes des Rückenmarkes schien, und am Ende des dritten Tages, wo man schon die Andeutung eines Stranges erkennt, der Uebergang in die vordere und hintere Wand des Trichters gleichmäſsig war, ist am vierten Tage der Uebergang in die hintere Wand des Trichters schwach im Verhältniſs zu dem sehr verdickten Uebergange in die vordere Wand. Diese ist jetzt das vor- zügliche Ende des Stranges, in welches er mit ziemlicher Dicke übergeht, und dadurch dem Eingange des Trichters einen wülstigen Saum giebt. Dieses Ende des Stranges bildet in der Vorderwand des Trichters eine Anschwellung, die fast wie eine plötzliche Umbeugung aussieht, allein bei der Kleinheit der Theile läſst sich darüber nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Endlich verliert sich der Strang aber auch mit einer kaum merklich erhobenen Fortsetzung in die Blase des Seitenventrikels seiner Seite oder in die Hemisphäre des groſsen Hirnes.
v. Sinnes- nerven und Sinnes- organe.
Mehrere der Hirnventrikel verlängern sich in die hohlen Sinnesnerven. Die hohlen Eingänge in dieselben sind an erhärteten Hirnen von der innern Fläche der Hirnblasen aus deutlich und ohne viel Schwierigkeit erkenntlich, und zwar der Eingang in den Hörnerven aus der vierten Hirnhöhle zwischen den Blättern des kleinen Hirns und den Blättern des verlängerten Markes, der Eingang in den Sehnernen aus dem dritten Ventrikel vor dem Trichter, der Eingang in den Riechnerven aus dem Seitenventrikel in der untern Fläche desselben. Da noch keine Faserung zu erkennen ist, so kann man über den Uebergang der einzel- nen Hirntheile nur nach der äuſsern Gestaltung urtheilen, und nach diesen scheinen die Sinnesnerven nicht aus beschränkten Stellen, sondern vom ganzen Umfange der Hirnblasen zu entspringen; so daſs also z. B. der Sehnerve nicht von der Stelle käme, die künftig zum Sehhügel wird, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes eine Verlängerung der Hirnblase ist, die die dritte Hirnhöhle einschlieſst.
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[76/0106]
ander abgegrenzt, aber nicht völlig geschieden. Es scheint, daſs ihre Nerven-
blätter in der Mitte zusammenstoſsen, sie sind aber von der Hülle noch nicht
deutlich getrennt. Das Hirn besteht also aus Blasen, welche ich nach den Ven-
trikeln benannt habe, da sonst ein Name gefehlt hätte, um die Blase für die
dritte Hirnhöhle zu bezeichnen. Allein die Wandung dieser unter sich zusammen-
hängenden Blasen ist nicht mehr ein so einfaches Blatt, als am dritten Tage. So
wie schon im Rückenmarke der untere Strang jeder Seite deutlicher ist, so ist die
Fortsetzung desselben im Hirne als ein erhabener Strang noch viel kenntlicher.
Diesen Strang sieht man, obgleich seitlich immer in die Seitenwand übergehend,
deutlich auf den Boden der vierten Hirnhöhle und der Sylvischen Höhle bis in die
dritte Hirnhöhle verlaufen. Hier bildet der Strang den Trichter. Während aber
am Anfange des dritten Tages die hintere Wand des Trichters das eigentliche
Ende des untern Randes des Rückenmarkes schien, und am Ende des dritten
Tages, wo man schon die Andeutung eines Stranges erkennt, der Uebergang in
die vordere und hintere Wand des Trichters gleichmäſsig war, ist am vierten
Tage der Uebergang in die hintere Wand des Trichters schwach im Verhältniſs
zu dem sehr verdickten Uebergange in die vordere Wand. Diese ist jetzt das vor-
zügliche Ende des Stranges, in welches er mit ziemlicher Dicke übergeht, und
dadurch dem Eingange des Trichters einen wülstigen Saum giebt. Dieses Ende
des Stranges bildet in der Vorderwand des Trichters eine Anschwellung, die fast
wie eine plötzliche Umbeugung aussieht, allein bei der Kleinheit der Theile läſst
sich darüber nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Endlich verliert sich der
Strang aber auch mit einer kaum merklich erhobenen Fortsetzung in die Blase
des Seitenventrikels seiner Seite oder in die Hemisphäre des groſsen Hirnes.
Mehrere der Hirnventrikel verlängern sich in die hohlen Sinnesnerven.
Die hohlen Eingänge in dieselben sind an erhärteten Hirnen von der innern Fläche
der Hirnblasen aus deutlich und ohne viel Schwierigkeit erkenntlich, und zwar
der Eingang in den Hörnerven aus der vierten Hirnhöhle zwischen den Blättern
des kleinen Hirns und den Blättern des verlängerten Markes, der Eingang in den
Sehnernen aus dem dritten Ventrikel vor dem Trichter, der Eingang in den
Riechnerven aus dem Seitenventrikel in der untern Fläche desselben. Da noch
keine Faserung zu erkennen ist, so kann man über den Uebergang der einzel-
nen Hirntheile nur nach der äuſsern Gestaltung urtheilen, und nach diesen
scheinen die Sinnesnerven nicht aus beschränkten Stellen, sondern vom ganzen
Umfange der Hirnblasen zu entspringen; so daſs also z. B. der Sehnerve nicht von
der Stelle käme, die künftig zum Sehhügel wird, sondern im eigentlichen Sinne
des Wortes eine Verlängerung der Hirnblase ist, die die dritte Hirnhöhle einschlieſst.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/106>, abgerufen am 16.02.2025.
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