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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Vom Recitativ.
kommen, entweder ganz schwach anschlagen, oder gar übergehen,
damit die Hauptstimme nicht zu viel accompagnirt werde, und damit
die übrigen Instrumente den Sänger deutlicher hören, und folglich
besser Acht haben können, wenn sie nachher wieder einfallen sol-
len. Das Geräusche des Flügels, welches die Instrumentisten
in der Nähe sehr stark hören, zumal, wenn der Ton desselben
durchdringend ist, kann alsdenn oft die gute Ordnung gar leicht
stören. Zuweilen gewinnet auch bey dieser Unthätigkeit des Cla-
vieristen der Nachdruck gewisser Worte, welche der Componist aus
guter Ursache bey aller Stille der Instrumente will hergesaget
wissen. Gehet eine heftige Action ganz hinten auf dem Theater
vor, so ist diese Vorsicht um so viel nöthiger, weil alsdenn die
Töne des Sängers mehrentheils über das Orchester wegfliehen,
welches letztere aus Ursachen tiefer angeleget ist, als das Parterre.

§. 7.

Wenn der Sänger nicht recht tonfeste ist, so thut
man besser, daß man die Harmome zugleich einigemal hinter
einander anschläget, als wenn man einzelne Intervallen angie-
bet. Bey den Recitativen kommt es hauptsächlich auf die Rich-
tigkeit der Harmonie an, und man muß nicht allezeit fordern,
daß der Sänger, zumal bey gleichgültigen Stellen, just die vor-
geschriebenen Noten, und keine anderen singen soll. Es ist genug,
wenn er in der gehörigen Harmonie declamirt. Bey einer frem-
den Ausweichung kann man allenfalls das schwere Intervall
allein anschlagen. Wenn man sich auf die Geschicklichkeit des
Sängers hinlänglich verlassen kann, so muß man nicht gleich stutzen,
wenn er in folgendem Exempel (a), statt der Vorschrift, die Aus-
führung von (1) und (2) wählet. Oft ist hieran eine Bequem-
lichkeit wegen der Höhe und Tiefe Schuld, oft auch eine Verges-
senheit, weil die Sänger bey dem Auswendiglernen, die sich im-
mer ähnlichen Recitativmodulationen leicht verwechseln, indem

sie
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Vom Recitativ.
kommen, entweder ganz ſchwach anſchlagen, oder gar übergehen,
damit die Hauptſtimme nicht zu viel accompagnirt werde, und damit
die übrigen Inſtrumente den Sänger deutlicher hören, und folglich
beſſer Acht haben können, wenn ſie nachher wieder einfallen ſol-
len. Das Geräuſche des Flügels, welches die Inſtrumentiſten
in der Nähe ſehr ſtark hören, zumal, wenn der Ton deſſelben
durchdringend iſt, kann alsdenn oft die gute Ordnung gar leicht
ſtören. Zuweilen gewinnet auch bey dieſer Unthätigkeit des Cla-
vieriſten der Nachdruck gewiſſer Worte, welche der Componiſt aus
guter Urſache bey aller Stille der Inſtrumente will hergeſaget
wiſſen. Gehet eine heftige Action ganz hinten auf dem Theater
vor, ſo iſt dieſe Vorſicht um ſo viel nöthiger, weil alsdenn die
Töne des Sängers mehrentheils über das Orcheſter wegfliehen,
welches letztere aus Urſachen tiefer angeleget iſt, als das Parterre.

§. 7.

Wenn der Sänger nicht recht tonfeſte iſt, ſo thut
man beſſer, daß man die Harmome zugleich einigemal hinter
einander anſchläget, als wenn man einzelne Intervallen angie-
bet. Bey den Recitativen kommt es hauptſächlich auf die Rich-
tigkeit der Harmonie an, und man muß nicht allezeit fordern,
daß der Sänger, zumal bey gleichgültigen Stellen, juſt die vor-
geſchriebenen Noten, und keine anderen ſingen ſoll. Es iſt genug,
wenn er in der gehörigen Harmonie declamirt. Bey einer frem-
den Ausweichung kann man allenfalls das ſchwere Intervall
allein anſchlagen. Wenn man ſich auf die Geſchicklichkeit des
Sängers hinlänglich verlaſſen kann, ſo muß man nicht gleich ſtutzen,
wenn er in folgendem Exempel (a), ſtatt der Vorſchrift, die Aus-
führung von (1) und (2) wählet. Oft iſt hieran eine Bequem-
lichkeit wegen der Höhe und Tiefe Schuld, oft auch eine Vergeſ-
ſenheit, weil die Sänger bey dem Auswendiglernen, die ſich im-
mer ähnlichen Recitativmodulationen leicht verwechſeln, indem

ſie
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[317/0327] Vom Recitativ. kommen, entweder ganz ſchwach anſchlagen, oder gar übergehen, damit die Hauptſtimme nicht zu viel accompagnirt werde, und damit die übrigen Inſtrumente den Sänger deutlicher hören, und folglich beſſer Acht haben können, wenn ſie nachher wieder einfallen ſol- len. Das Geräuſche des Flügels, welches die Inſtrumentiſten in der Nähe ſehr ſtark hören, zumal, wenn der Ton deſſelben durchdringend iſt, kann alsdenn oft die gute Ordnung gar leicht ſtören. Zuweilen gewinnet auch bey dieſer Unthätigkeit des Cla- vieriſten der Nachdruck gewiſſer Worte, welche der Componiſt aus guter Urſache bey aller Stille der Inſtrumente will hergeſaget wiſſen. Gehet eine heftige Action ganz hinten auf dem Theater vor, ſo iſt dieſe Vorſicht um ſo viel nöthiger, weil alsdenn die Töne des Sängers mehrentheils über das Orcheſter wegfliehen, welches letztere aus Urſachen tiefer angeleget iſt, als das Parterre. §. 7. Wenn der Sänger nicht recht tonfeſte iſt, ſo thut man beſſer, daß man die Harmome zugleich einigemal hinter einander anſchläget, als wenn man einzelne Intervallen angie- bet. Bey den Recitativen kommt es hauptſächlich auf die Rich- tigkeit der Harmonie an, und man muß nicht allezeit fordern, daß der Sänger, zumal bey gleichgültigen Stellen, juſt die vor- geſchriebenen Noten, und keine anderen ſingen ſoll. Es iſt genug, wenn er in der gehörigen Harmonie declamirt. Bey einer frem- den Ausweichung kann man allenfalls das ſchwere Intervall allein anſchlagen. Wenn man ſich auf die Geſchicklichkeit des Sängers hinlänglich verlaſſen kann, ſo muß man nicht gleich ſtutzen, wenn er in folgendem Exempel (a), ſtatt der Vorſchrift, die Aus- führung von (1) und (2) wählet. Oft iſt hieran eine Bequem- lichkeit wegen der Höhe und Tiefe Schuld, oft auch eine Vergeſ- ſenheit, weil die Sänger bey dem Auswendiglernen, die ſich im- mer ähnlichen Recitativmodulationen leicht verwechſeln, indem ſie R r 3

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/327>, abgerufen am 28.11.2024.