Wenn ein Componist aus gewissen Ursachen einen Gedanken in die Grundstimme setzet, welcher im eigentlichen Einklange von den übrigen Stimmen begleitet wird, und folg- lich keine Verdoppelung der Octaven, weder in der Höhe, noch in der Tiefe verträget, weil er just in der vorgeschriebenen und keiner andern Lage ausgeführet werden soll: so lässet man hierbey die rechte Hand pausiren, und spielt diesen verführerischen Ein- klang bloß mit der linken einstimmig. Eben so werden die Ge- danken abgefertiget, welche zwar nicht allezeit etwas glänzendes haben, aber doch von besonderm Ausdrucke sind, und zuweilen ganz allein bey der Grundstimme in der Tiefe vorkom- men, damit sie durch eine harmonische Begleitung weder bedecket, noch durch eine Verdoppelung der Octave jünger gemachet wer- den sollen. Der Componist, welcher dergleichen studirte Plans machet, muß sie sehr accurat bezeichnen, oder er stehet in Gefahr, daß seine Absichten nicht erreichet werden.
§. 8.
Der zweyte Fall, wo die Begleitung im Einklange gut thut, betrift alle brillante Stellen in der Grundstimme, wo- bey der Verfertiger eine besondere Absicht gehabt hat; sie mö- gen in Sprüngen, in Läufern, in gebrochener Harmonie, in Ketten von Trillern, und wer weiß in was für Figuren mehr bestehen. Unsere Absicht ist hiebey, daß diese Stellen deutlich hervorragen sollen, welches durch die harmonische Begleitung nicht so gut geschiehet, als durch die, mit dem Einklange. Es
ist
Vom Einklange.
[Abbildung]
§. 7.
Wenn ein Componiſt aus gewiſſen Urſachen einen Gedanken in die Grundſtimme ſetzet, welcher im eigentlichen Einklange von den übrigen Stimmen begleitet wird, und folg- lich keine Verdoppelung der Octaven, weder in der Höhe, noch in der Tiefe verträget, weil er juſt in der vorgeſchriebenen und keiner andern Lage ausgeführet werden ſoll: ſo läſſet man hierbey die rechte Hand pauſiren, und ſpielt dieſen verführeriſchen Ein- klang bloß mit der linken einſtimmig. Eben ſo werden die Ge- danken abgefertiget, welche zwar nicht allezeit etwas glänzendes haben, aber doch von beſonderm Ausdrucke ſind, und zuweilen ganz allein bey der Grundſtimme in der Tiefe vorkom- men, damit ſie durch eine harmoniſche Begleitung weder bedecket, noch durch eine Verdoppelung der Octave jünger gemachet wer- den ſollen. Der Componiſt, welcher dergleichen ſtudirte Plans machet, muß ſie ſehr accurat bezeichnen, oder er ſtehet in Gefahr, daß ſeine Abſichten nicht erreichet werden.
§. 8.
Der zweyte Fall, wo die Begleitung im Einklange gut thut, betrift alle brillante Stellen in der Grundſtimme, wo- bey der Verfertiger eine beſondere Abſicht gehabt hat; ſie mö- gen in Sprüngen, in Läufern, in gebrochener Harmonie, in Ketten von Trillern, und wer weiß in was für Figuren mehr beſtehen. Unſere Abſicht iſt hiebey, daß dieſe Stellen deutlich hervorragen ſollen, welches durch die harmoniſche Begleitung nicht ſo gut geſchiehet, als durch die, mit dem Einklange. Es
iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0185"n="175"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vom Einklange.</hi></fw><lb/><figure/></div><divn="2"><head>§. 7.</head><p>Wenn ein Componiſt aus gewiſſen Urſachen einen<lb/>
Gedanken in die Grundſtimme ſetzet, welcher im <hirendition="#fr">eigentlichen</hi><lb/>
Einklange von den übrigen Stimmen begleitet wird, und folg-<lb/>
lich keine Verdoppelung der Octaven, weder in der Höhe, noch<lb/>
in der Tiefe verträget, weil er juſt in der vorgeſchriebenen und<lb/>
keiner andern Lage ausgeführet werden ſoll: ſo läſſet man hierbey<lb/>
die rechte Hand pauſiren, und ſpielt dieſen verführeriſchen Ein-<lb/>
klang bloß mit der linken einſtimmig. Eben ſo werden die Ge-<lb/>
danken abgefertiget, welche zwar nicht allezeit etwas glänzendes<lb/>
haben, aber doch von beſonderm Ausdrucke ſind, und zuweilen<lb/>
ganz <hirendition="#fr">allein bey der Grundſtimme in der Tiefe</hi> vorkom-<lb/>
men, damit ſie durch eine harmoniſche Begleitung weder bedecket,<lb/>
noch durch eine Verdoppelung der Octave jünger gemachet wer-<lb/>
den ſollen. Der Componiſt, welcher dergleichen ſtudirte Plans<lb/>
machet, muß ſie ſehr accurat bezeichnen, oder er ſtehet in Gefahr,<lb/>
daß ſeine Abſichten nicht erreichet werden.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 8.</head><p>Der <hirendition="#fr">zweyte Fall,</hi> wo die Begleitung im Einklange<lb/>
gut thut, betrift alle brillante Stellen in der Grundſtimme, wo-<lb/>
bey der Verfertiger eine beſondere Abſicht gehabt hat; ſie mö-<lb/>
gen in Sprüngen, in Läufern, in gebrochener Harmonie, in<lb/>
Ketten von Trillern, und wer weiß in was für Figuren mehr<lb/>
beſtehen. Unſere Abſicht iſt hiebey, daß dieſe Stellen deutlich<lb/>
hervorragen ſollen, welches durch die harmoniſche Begleitung<lb/>
nicht ſo gut geſchiehet, als durch die, mit dem Einklange. Es<lb/><fwplace="bottom"type="catch">iſt</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0185]
Vom Einklange.
[Abbildung]
§. 7. Wenn ein Componiſt aus gewiſſen Urſachen einen
Gedanken in die Grundſtimme ſetzet, welcher im eigentlichen
Einklange von den übrigen Stimmen begleitet wird, und folg-
lich keine Verdoppelung der Octaven, weder in der Höhe, noch
in der Tiefe verträget, weil er juſt in der vorgeſchriebenen und
keiner andern Lage ausgeführet werden ſoll: ſo läſſet man hierbey
die rechte Hand pauſiren, und ſpielt dieſen verführeriſchen Ein-
klang bloß mit der linken einſtimmig. Eben ſo werden die Ge-
danken abgefertiget, welche zwar nicht allezeit etwas glänzendes
haben, aber doch von beſonderm Ausdrucke ſind, und zuweilen
ganz allein bey der Grundſtimme in der Tiefe vorkom-
men, damit ſie durch eine harmoniſche Begleitung weder bedecket,
noch durch eine Verdoppelung der Octave jünger gemachet wer-
den ſollen. Der Componiſt, welcher dergleichen ſtudirte Plans
machet, muß ſie ſehr accurat bezeichnen, oder er ſtehet in Gefahr,
daß ſeine Abſichten nicht erreichet werden.
§. 8. Der zweyte Fall, wo die Begleitung im Einklange
gut thut, betrift alle brillante Stellen in der Grundſtimme, wo-
bey der Verfertiger eine beſondere Abſicht gehabt hat; ſie mö-
gen in Sprüngen, in Läufern, in gebrochener Harmonie, in
Ketten von Trillern, und wer weiß in was für Figuren mehr
beſtehen. Unſere Abſicht iſt hiebey, daß dieſe Stellen deutlich
hervorragen ſollen, welches durch die harmoniſche Begleitung
nicht ſo gut geſchiehet, als durch die, mit dem Einklange. Es
iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/185>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.