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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Einleitung.
§. 15.

Man bekommt einen empfindbaren Begriff von aller-
hand Tactarten und Zeitmasse, samt ihren Figuren; eine sehr nutz-
bare Bekanntschaft mit den meisten Aufgaben des Generalbasses;
eine Fertigkeit in den Fingern und Leichtigkeit vom Blatte zu spie-
len; folglich werden durch diese Handsachen zugleich Augen, Ohren
und Finger geübt.

§. 16.

Das fleißige Anhören guter Musiken, wobey man
auf gute Begleiter genau Achtung giebt, ist besonders anzura-
then; das Ohr wird dadurch gebildet, und zur Aufmerksamkeit
gewöhnt.

§. 17.

Diese genaue Aufmerksamkeit läßt keine Schönheit
in der Musik ohne Rührung vorbey. Man empfindet sogleich,
wie ein Musicus auf den andern genau höret, und seinen Vortrag
darnach einrichtet, damit sie vereint den gesuchten Endzweck errei-
chen. Dieses Lauschen ist überhaupt bey der Musik und also
auch beym Accompagnement, ohngeacht der besten Bezifferung,
unentbehrlich.

§. 18.

Der heutige Geschmack hat einen ganz andern Ge-
brauch der Harmonie, als vordem, eingeführet. Unsre Melodien,
Manieren und der Vortrag erfordern dahero oft eine andere Har-
monie, als die gewöhnliche. Diese Harmonie ist bald schwach, bald
stark, folglich sind die Pflichten eines Begleiters heut zu Tage
von einem weit grössern Umfange, als ehemals, und die bekannten
Regeln des Generalbasses wollen nicht mehr zureichen, und leiden
auch oft eine Abänderung.

§. 19.

Ein Accompagnist muß also jedem Stücke, welches
er begleitet, mit dem rechten Vortrag die ihm zukommende
Harmonie,
und zwar in der gehörigen Stärke und Weite
gleichsam anpassen. Er muß hierinnen dem Componisten auf das
genaueste zu folgen suchen, und zu dem Ende beständig auf die

Ripien-
Einleitung.
§. 15.

Man bekommt einen empfindbaren Begriff von aller-
hand Tactarten und Zeitmaſſe, ſamt ihren Figuren; eine ſehr nutz-
bare Bekanntſchaft mit den meiſten Aufgaben des Generalbaſſes;
eine Fertigkeit in den Fingern und Leichtigkeit vom Blatte zu ſpie-
len; folglich werden durch dieſe Handſachen zugleich Augen, Ohren
und Finger geübt.

§. 16.

Das fleißige Anhören guter Muſiken, wobey man
auf gute Begleiter genau Achtung giebt, iſt beſonders anzura-
then; das Ohr wird dadurch gebildet, und zur Aufmerkſamkeit
gewöhnt.

§. 17.

Dieſe genaue Aufmerkſamkeit läßt keine Schönheit
in der Muſik ohne Rührung vorbey. Man empfindet ſogleich,
wie ein Muſicus auf den andern genau höret, und ſeinen Vortrag
darnach einrichtet, damit ſie vereint den geſuchten Endzweck errei-
chen. Dieſes Lauſchen iſt überhaupt bey der Muſik und alſo
auch beym Accompagnement, ohngeacht der beſten Bezifferung,
unentbehrlich.

§. 18.

Der heutige Geſchmack hat einen ganz andern Ge-
brauch der Harmonie, als vordem, eingeführet. Unſre Melodien,
Manieren und der Vortrag erfordern dahero oft eine andere Har-
monie, als die gewöhnliche. Dieſe Harmonie iſt bald ſchwach, bald
ſtark, folglich ſind die Pflichten eines Begleiters heut zu Tage
von einem weit gröſſern Umfange, als ehemals, und die bekannten
Regeln des Generalbaſſes wollen nicht mehr zureichen, und leiden
auch oft eine Abänderung.

§. 19.

Ein Accompagniſt muß alſo jedem Stücke, welches
er begleitet, mit dem rechten Vortrag die ihm zukommende
Harmonie,
und zwar in der gehörigen Stärke und Weite
gleichſam anpaſſen. Er muß hierinnen dem Componiſten auf das
genaueſte zu folgen ſuchen, und zu dem Ende beſtändig auf die

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[4/0014] Einleitung. §. 15. Man bekommt einen empfindbaren Begriff von aller- hand Tactarten und Zeitmaſſe, ſamt ihren Figuren; eine ſehr nutz- bare Bekanntſchaft mit den meiſten Aufgaben des Generalbaſſes; eine Fertigkeit in den Fingern und Leichtigkeit vom Blatte zu ſpie- len; folglich werden durch dieſe Handſachen zugleich Augen, Ohren und Finger geübt. §. 16. Das fleißige Anhören guter Muſiken, wobey man auf gute Begleiter genau Achtung giebt, iſt beſonders anzura- then; das Ohr wird dadurch gebildet, und zur Aufmerkſamkeit gewöhnt. §. 17. Dieſe genaue Aufmerkſamkeit läßt keine Schönheit in der Muſik ohne Rührung vorbey. Man empfindet ſogleich, wie ein Muſicus auf den andern genau höret, und ſeinen Vortrag darnach einrichtet, damit ſie vereint den geſuchten Endzweck errei- chen. Dieſes Lauſchen iſt überhaupt bey der Muſik und alſo auch beym Accompagnement, ohngeacht der beſten Bezifferung, unentbehrlich. §. 18. Der heutige Geſchmack hat einen ganz andern Ge- brauch der Harmonie, als vordem, eingeführet. Unſre Melodien, Manieren und der Vortrag erfordern dahero oft eine andere Har- monie, als die gewöhnliche. Dieſe Harmonie iſt bald ſchwach, bald ſtark, folglich ſind die Pflichten eines Begleiters heut zu Tage von einem weit gröſſern Umfange, als ehemals, und die bekannten Regeln des Generalbaſſes wollen nicht mehr zureichen, und leiden auch oft eine Abänderung. §. 19. Ein Accompagniſt muß alſo jedem Stücke, welches er begleitet, mit dem rechten Vortrag die ihm zukommende Harmonie, und zwar in der gehörigen Stärke und Weite gleichſam anpaſſen. Er muß hierinnen dem Componiſten auf das genaueſte zu folgen ſuchen, und zu dem Ende beſtändig auf die Ripien-

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/14>, abgerufen am 24.11.2024.