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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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reich (um das Oval stehen zwölf Knöpfe), trägt eine Perrüke
(hinter der Tulpe ist eine Muschel), reist als Gelehrter, um seine
Kenntnisse zu erweitern (oben seitlich von der Tulpe, dem Gesichts-
zeichen, sind zwei Ovale), ist evangelischer Confession (hinter dem
Namen steht ein Semikolon), besitzt viele Kenntnisse (unter dem
Namen steht das Zeichen der Einsicht), ist redlich (über dem Zei-
chen der Einsicht stehen zwei Striche "), verschwiegen (das Zeichen
der Einsicht ist zu beiden Seiten mit zwei Strichen versehen), liebt
das Spiel (über dem Zeichen der Einsicht steht neben den Strichen
noch ein Punkt), versteht sich auf Jurisprudenz und Staatswissen-
schaft (die Karte hat oben links die Zahl 25, und zwar sind die
Kenntnisse in der Rechtswissenschaft größer als in der Staats-
kunde, weil die 2 voransteht), und hat gründliche Bildung (das
Zeichen der Einsicht ist unter die Zahl 25 gesetzt).

Noch bestimmter als die auf so schmähliche Weise verrathenen
Personen charakterisirte aber die französische Polizei sich selbst mit
dieser raffinirten Gaunerschrift, indem sie sich damit als Typus
hinterlistigen Verraths hinstellte. Jn jener Zeit der französischen
Revolution, wo in brutaler Gottesvergessenheit alles geheiligte
Recht, aller Glaube, alle Sitte mit Füßen getreten ward, kann es
nicht befremden, daß selbst den bekanntesten und unverdächtigsten
Personen solche Karten als sogenannte "Sicherheitskarten" auf
gedrungen wurden, damit die geheime Aechtung zu jeder Zeit an
dem bereits schon verrathenen Opfer unter der Guillotine vollzogen
werden konnte.

Wenn aber auf demselben sittenverwüsteten Boden, an dessen
Horizontlinie jetzt die "Civilisation" und "Nationalität" wie
eine Fata-Morgana in trügerischer verkehrter Spiegelung am
Wüstenrande erscheint, das neue Kaiserreich den alten Verrath
auch für seine Polizei nützlich und gut fand, so werden die ebenso
ungeheuern wie räthselhaften Erfolge der kaiserlich französischen
Polizei auf deutschem Boden einigermaßen erklärlich und in der
deutschen Brust das Bewußtsein alles dessen lebendig angefacht,
was deutscher Ernst, deutsche Ehre, deutsche Zucht und Sitte heißt.
Von der Propaganda des scheußlichen geheimen Verraths mögen

reich (um das Oval ſtehen zwölf Knöpfe), trägt eine Perrüke
(hinter der Tulpe iſt eine Muſchel), reiſt als Gelehrter, um ſeine
Kenntniſſe zu erweitern (oben ſeitlich von der Tulpe, dem Geſichts-
zeichen, ſind zwei Ovale), iſt evangeliſcher Confeſſion (hinter dem
Namen ſteht ein Semikolon), beſitzt viele Kenntniſſe (unter dem
Namen ſteht das Zeichen der Einſicht), iſt redlich (über dem Zei-
chen der Einſicht ſtehen zwei Striche „), verſchwiegen (das Zeichen
der Einſicht iſt zu beiden Seiten mit zwei Strichen verſehen), liebt
das Spiel (über dem Zeichen der Einſicht ſteht neben den Strichen
noch ein Punkt), verſteht ſich auf Jurisprudenz und Staatswiſſen-
ſchaft (die Karte hat oben links die Zahl 25, und zwar ſind die
Kenntniſſe in der Rechtswiſſenſchaft größer als in der Staats-
kunde, weil die 2 voranſteht), und hat gründliche Bildung (das
Zeichen der Einſicht iſt unter die Zahl 25 geſetzt).

Noch beſtimmter als die auf ſo ſchmähliche Weiſe verrathenen
Perſonen charakteriſirte aber die franzöſiſche Polizei ſich ſelbſt mit
dieſer raffinirten Gaunerſchrift, indem ſie ſich damit als Typus
hinterliſtigen Verraths hinſtellte. Jn jener Zeit der franzöſiſchen
Revolution, wo in brutaler Gottesvergeſſenheit alles geheiligte
Recht, aller Glaube, alle Sitte mit Füßen getreten ward, kann es
nicht befremden, daß ſelbſt den bekannteſten und unverdächtigſten
Perſonen ſolche Karten als ſogenannte „Sicherheitskarten“ auf
gedrungen wurden, damit die geheime Aechtung zu jeder Zeit an
dem bereits ſchon verrathenen Opfer unter der Guillotine vollzogen
werden konnte.

Wenn aber auf demſelben ſittenverwüſteten Boden, an deſſen
Horizontlinie jetzt die „Civiliſation“ und „Nationalität“ wie
eine Fata-Morgana in trügeriſcher verkehrter Spiegelung am
Wüſtenrande erſcheint, das neue Kaiſerreich den alten Verrath
auch für ſeine Polizei nützlich und gut fand, ſo werden die ebenſo
ungeheuern wie räthſelhaften Erfolge der kaiſerlich franzöſiſchen
Polizei auf deutſchem Boden einigermaßen erklärlich und in der
deutſchen Bruſt das Bewußtſein alles deſſen lebendig angefacht,
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[26/0038] reich (um das Oval ſtehen zwölf Knöpfe), trägt eine Perrüke (hinter der Tulpe iſt eine Muſchel), reiſt als Gelehrter, um ſeine Kenntniſſe zu erweitern (oben ſeitlich von der Tulpe, dem Geſichts- zeichen, ſind zwei Ovale), iſt evangeliſcher Confeſſion (hinter dem Namen ſteht ein Semikolon), beſitzt viele Kenntniſſe (unter dem Namen ſteht das Zeichen der Einſicht), iſt redlich (über dem Zei- chen der Einſicht ſtehen zwei Striche „), verſchwiegen (das Zeichen der Einſicht iſt zu beiden Seiten mit zwei Strichen verſehen), liebt das Spiel (über dem Zeichen der Einſicht ſteht neben den Strichen noch ein Punkt), verſteht ſich auf Jurisprudenz und Staatswiſſen- ſchaft (die Karte hat oben links die Zahl 25, und zwar ſind die Kenntniſſe in der Rechtswiſſenſchaft größer als in der Staats- kunde, weil die 2 voranſteht), und hat gründliche Bildung (das Zeichen der Einſicht iſt unter die Zahl 25 geſetzt). Noch beſtimmter als die auf ſo ſchmähliche Weiſe verrathenen Perſonen charakteriſirte aber die franzöſiſche Polizei ſich ſelbſt mit dieſer raffinirten Gaunerſchrift, indem ſie ſich damit als Typus hinterliſtigen Verraths hinſtellte. Jn jener Zeit der franzöſiſchen Revolution, wo in brutaler Gottesvergeſſenheit alles geheiligte Recht, aller Glaube, alle Sitte mit Füßen getreten ward, kann es nicht befremden, daß ſelbſt den bekannteſten und unverdächtigſten Perſonen ſolche Karten als ſogenannte „Sicherheitskarten“ auf gedrungen wurden, damit die geheime Aechtung zu jeder Zeit an dem bereits ſchon verrathenen Opfer unter der Guillotine vollzogen werden konnte. Wenn aber auf demſelben ſittenverwüſteten Boden, an deſſen Horizontlinie jetzt die „Civiliſation“ und „Nationalität“ wie eine Fata-Morgana in trügeriſcher verkehrter Spiegelung am Wüſtenrande erſcheint, das neue Kaiſerreich den alten Verrath auch für ſeine Polizei nützlich und gut fand, ſo werden die ebenſo ungeheuern wie räthſelhaften Erfolge der kaiſerlich franzöſiſchen Polizei auf deutſchem Boden einigermaßen erklärlich und in der deutſchen Bruſt das Bewußtſein alles deſſen lebendig angefacht, was deutſcher Ernſt, deutſche Ehre, deutſche Zucht und Sitte heißt. Von der Propaganda des ſcheußlichen geheimen Verraths mögen

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/38>, abgerufen am 24.11.2024.