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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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dere als einen Keim setzen und zulassen, welcher allerdings hier
und da aufgegangen und an's helle Tageslicht gedrungen ist, ohne
inzwischen dadurch den ausschließlichen Charakter jener Jdiome
wesentlich aufzuheben und zu stören."



Siebenundvierzigstes Kapitel.
E. Der Gebrauch der Gaunersprache.

So erkennt man nun als Summa aller bisherigen Unter-
suchungen, zu welchen jeder Moment, jede Situation der tagtäg-
lichen Berufsthätigkeit den praktischen Polizeimann so unablässig
wie gewaltig mahnte und drängte, die Wahrheit: daß die Gau-
nersprache die Syntax des Gaunerthums selbst ist und daß in der
Darstellung der historischen, literarischen und technischen Ausbil-
dung des Gaunerthums immer nur erst die vereinzelte ungenügende
Etymologie der ganzen Erscheinung gegeben werden konnte. Die
Gaunersprache ist nicht der bloße Ausdruck der Gewalt des Gau-
nerthums: sie ist seine höchste geistige Gewalt selbst, sie ist
das mit tausend Fäden ausgespannte feine Gewebe, mittels dessen
das Gaunerthum das Volk mit seiner Sitte und Sprache umgarnt
hält und an welchem es mit der Behendigkeit einer Spinne hin-
und herschießt und seine Opfer zu fassen und ebenso schnell wie-
der in die tiefen, dunkeln Winkel zu verschwinden weiß. Kaum
gibt es eine Redensart, welche so von Sicherheit und Uebermuth
strotzt, als das verwegene Gaunerwort: "Wenn die Gojim
werden Loschen kodesch medabber sein, wird Haolom
hase unterhulichen.
" Aber auch die große Wahrheit liegt darin
vom Gaunerthum selbst beglaubigt, daß nur erst in der Gauner-
sprache der furchtbare Feind vollständig erkannt und nur erst in

fernen Zeitweiten, so auch in weit auseinander liegenden Ländern die gleichen
oder doch ähnlich gebildete Wörter wiederholen, was aber in dem oft erstaun-
lich ausgedehnten Umherkommen des Räubergesindels seinen genügenden Er-
klärungsgrund finden mag."

dere als einen Keim ſetzen und zulaſſen, welcher allerdings hier
und da aufgegangen und an’s helle Tageslicht gedrungen iſt, ohne
inzwiſchen dadurch den ausſchließlichen Charakter jener Jdiome
weſentlich aufzuheben und zu ſtören.“



Siebenundvierzigſtes Kapitel.
E. Der Gebrauch der Gaunerſprache.

So erkennt man nun als Summa aller bisherigen Unter-
ſuchungen, zu welchen jeder Moment, jede Situation der tagtäg-
lichen Berufsthätigkeit den praktiſchen Polizeimann ſo unabläſſig
wie gewaltig mahnte und drängte, die Wahrheit: daß die Gau-
nerſprache die Syntax des Gaunerthums ſelbſt iſt und daß in der
Darſtellung der hiſtoriſchen, literariſchen und techniſchen Ausbil-
dung des Gaunerthums immer nur erſt die vereinzelte ungenügende
Etymologie der ganzen Erſcheinung gegeben werden konnte. Die
Gaunerſprache iſt nicht der bloße Ausdruck der Gewalt des Gau-
nerthums: ſie iſt ſeine höchſte geiſtige Gewalt ſelbſt, ſie iſt
das mit tauſend Fäden ausgeſpannte feine Gewebe, mittels deſſen
das Gaunerthum das Volk mit ſeiner Sitte und Sprache umgarnt
hält und an welchem es mit der Behendigkeit einer Spinne hin-
und herſchießt und ſeine Opfer zu faſſen und ebenſo ſchnell wie-
der in die tiefen, dunkeln Winkel zu verſchwinden weiß. Kaum
gibt es eine Redensart, welche ſo von Sicherheit und Uebermuth
ſtrotzt, als das verwegene Gaunerwort: „Wenn die Gojim
werden Loſchen kodeſch medabber ſein, wird Haolom
haſe unterhulichen.
“ Aber auch die große Wahrheit liegt darin
vom Gaunerthum ſelbſt beglaubigt, daß nur erſt in der Gauner-
ſprache der furchtbare Feind vollſtändig erkannt und nur erſt in

fernen Zeitweiten, ſo auch in weit auseinander liegenden Ländern die gleichen
oder doch ähnlich gebildete Wörter wiederholen, was aber in dem oft erſtaun-
lich ausgedehnten Umherkommen des Räubergeſindels ſeinen genügenden Er-
klärungsgrund finden mag.“
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[313/0325] dere als einen Keim ſetzen und zulaſſen, welcher allerdings hier und da aufgegangen und an’s helle Tageslicht gedrungen iſt, ohne inzwiſchen dadurch den ausſchließlichen Charakter jener Jdiome weſentlich aufzuheben und zu ſtören.“ Siebenundvierzigſtes Kapitel. E. Der Gebrauch der Gaunerſprache. So erkennt man nun als Summa aller bisherigen Unter- ſuchungen, zu welchen jeder Moment, jede Situation der tagtäg- lichen Berufsthätigkeit den praktiſchen Polizeimann ſo unabläſſig wie gewaltig mahnte und drängte, die Wahrheit: daß die Gau- nerſprache die Syntax des Gaunerthums ſelbſt iſt und daß in der Darſtellung der hiſtoriſchen, literariſchen und techniſchen Ausbil- dung des Gaunerthums immer nur erſt die vereinzelte ungenügende Etymologie der ganzen Erſcheinung gegeben werden konnte. Die Gaunerſprache iſt nicht der bloße Ausdruck der Gewalt des Gau- nerthums: ſie iſt ſeine höchſte geiſtige Gewalt ſelbſt, ſie iſt das mit tauſend Fäden ausgeſpannte feine Gewebe, mittels deſſen das Gaunerthum das Volk mit ſeiner Sitte und Sprache umgarnt hält und an welchem es mit der Behendigkeit einer Spinne hin- und herſchießt und ſeine Opfer zu faſſen und ebenſo ſchnell wie- der in die tiefen, dunkeln Winkel zu verſchwinden weiß. Kaum gibt es eine Redensart, welche ſo von Sicherheit und Uebermuth ſtrotzt, als das verwegene Gaunerwort: „Wenn die Gojim werden Loſchen kodeſch medabber ſein, wird Haolom haſe unterhulichen.“ Aber auch die große Wahrheit liegt darin vom Gaunerthum ſelbſt beglaubigt, daß nur erſt in der Gauner- ſprache der furchtbare Feind vollſtändig erkannt und nur erſt in 2) 2) fernen Zeitweiten, ſo auch in weit auseinander liegenden Ländern die gleichen oder doch ähnlich gebildete Wörter wiederholen, was aber in dem oft erſtaun- lich ausgedehnten Umherkommen des Räubergeſindels ſeinen genügenden Er- klärungsgrund finden mag.“

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/325>, abgerufen am 24.11.2024.