Wenn diese Umbildungen der Wortbedeutung schon als Wort- spiele gelten müssen, so treibt die Gaunersprache aber auch noch ein verwegenes Spiel mit der Assonanz jüdischdeutscher und deut- scher Wörter, indem sie ähnlich klingende Wörter und Silben mit- einander verwechselt. So ungeschickt das auch oft im graphischen Ausdruck für das Auge sich macht, so geschickt verbirgt sich doch beim Sprechen selbst eins in das andere, namentlich wenn die dialektische Modulation dabei sich geltend macht. So z. B. wird der gewöhnlich schlecht besoldete Schulmeister Dulmeister (von dal, arm) oder Dulgoi genannt. Schön' Willkomm wird in Sched Willkomm (Teufels Willkomm) verwandelt. Sogar re- ligiöse heilige Gegenstände werden in solcher Weise herabgewürdigt,
Wenn dieſe Umbildungen der Wortbedeutung ſchon als Wort- ſpiele gelten müſſen, ſo treibt die Gaunerſprache aber auch noch ein verwegenes Spiel mit der Aſſonanz jüdiſchdeutſcher und deut- ſcher Wörter, indem ſie ähnlich klingende Wörter und Silben mit- einander verwechſelt. So ungeſchickt das auch oft im graphiſchen Ausdruck für das Auge ſich macht, ſo geſchickt verbirgt ſich doch beim Sprechen ſelbſt eins in das andere, namentlich wenn die dialektiſche Modulation dabei ſich geltend macht. So z. B. wird der gewöhnlich ſchlecht beſoldete Schulmeiſter Dulmeiſter (von dal, arm) oder Dulgoi genannt. Schön’ Willkomm wird in Sched Willkomm (Teufels Willkomm) verwandelt. Sogar re- ligiöſe heilige Gegenſtände werden in ſolcher Weiſe herabgewürdigt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0323"n="311"/><hirendition="#g">Fletterling,</hi> Vogel, Taube; <hirendition="#g">Breitfuß, Strohbohrer, Stroh-<lb/>
böhner</hi> (niederd. <hirendition="#g">bohnen,</hi> putzen), <hirendition="#g">Strohputzer,</hi> Gans; <hirendition="#g">Teich-<lb/>
gräber, Dreckpatſcher, Bäkentrecker</hi> (Bachzieher, vom nie-<lb/>
derdeutſchen <hirendition="#g">Bäk,</hi> Bach, <hirendition="#g">trecken,</hi> ziehen), Ente; <hirendition="#g">Schneider,<lb/>
Klemſer,</hi> Krebs; <hirendition="#g">Langſchnabel,</hi> Storch, Schnepfe; <hirendition="#g">Langfuß,<lb/>
Latſchfuß,</hi> Haſe; <hirendition="#g">Dachhaſe, Zwackohr, Schmackfuß,<lb/>
Schmalfuß,</hi> Katze; <hirendition="#g">Trappert, Klebis,</hi> Pferd; <hirendition="#g">Brummert,</hi><lb/>
Ochs; <hirendition="#g">Klaistrampel, Haarbogen, Hornbock,</hi> Kuh; <hirendition="#g">Beller,<lb/>
Blaffer, Klaffer,</hi> Hund; <hirendition="#g">Meckes,</hi> Ziege; <hirendition="#g">Fluckert, Gacken-<lb/>ſcherr, Holderkautz,</hi> Huhn; <hirendition="#g">Stiercher, Caporal, Flunker-<lb/>
ter, Fluckarter,</hi> Hahn u. ſ. w.</p><lb/><p>Von Gegenſtänden des täglichen Gebrauches: <hirendition="#g">Rollert,</hi><lb/>
Wagen; <hirendition="#g">Roller,</hi> Rad; <hirendition="#g">Roll, Rolle,</hi> Mühle; <hirendition="#g">Staub, Stau-<lb/>
bert,</hi> Mehl; <hirendition="#g">Tikkert,</hi> Uhr; <hirendition="#g">Schlange,</hi> Kette; <hirendition="#g">Schnee,</hi> Lein-<lb/>
wand, Papier; <hirendition="#g">Schmierling,</hi> Seife; <hirendition="#g">Flatter,</hi> Wäſche; <hirendition="#g">Flamme,</hi><lb/>
Schürze; <hirendition="#g">Weitling,</hi> Hoſen; <hirendition="#g">Streifling, Amratzim</hi> (Volk der<lb/>
Erde), Strümpfe; <hirendition="#g">Rußling, Ballert,</hi> Keſſel; <hirendition="#g">Rumpfling,</hi><lb/>
Senf; <hirendition="#g">Krachling, Krachmann,</hi> Nuß; <hirendition="#g">Rothhoſen,</hi> Kirſchen;<lb/><hirendition="#g">Blauhoſen,</hi> Pflaumen; <hirendition="#g">Ringling, Längling,</hi> Wurſt;<lb/><hirendition="#g">Schwarzhaber,</hi> Speck; <hirendition="#g">Schwarzboſſert,</hi> Schinken; <hirendition="#g">Stie-<lb/>
ling, Baumkrebs,</hi> Birne; <hirendition="#g">Schürnbrand,</hi> Branntwein; <hirendition="#g">Jauche,</hi><lb/>
Suppe; <hirendition="#g">Salz,</hi> Schrot, Hagel; <hirendition="#g">Pfeffer, Kümmel,</hi> Schießpul-<lb/>
ver; <hirendition="#g">Knaller, Klaſeime,</hi> Piſtole u. ſ. w.</p><lb/><p>Wenn dieſe Umbildungen der Wortbedeutung ſchon als Wort-<lb/>ſpiele gelten müſſen, ſo treibt die Gaunerſprache aber auch noch<lb/>
ein verwegenes Spiel mit der Aſſonanz jüdiſchdeutſcher und deut-<lb/>ſcher Wörter, indem ſie ähnlich klingende Wörter und Silben mit-<lb/>
einander verwechſelt. So ungeſchickt das auch oft im graphiſchen<lb/>
Ausdruck für das Auge ſich macht, ſo geſchickt verbirgt ſich doch<lb/>
beim Sprechen ſelbſt eins in das andere, namentlich wenn die<lb/>
dialektiſche Modulation dabei ſich geltend macht. So z. B. wird<lb/>
der gewöhnlich ſchlecht beſoldete Schulmeiſter <hirendition="#g">Dulmeiſter</hi> (von<lb/><hirendition="#aq">dal,</hi> arm) oder <hirendition="#g">Dulgoi</hi> genannt. Schön’ Willkomm wird in<lb/><hirendition="#g">Sched Willkomm</hi> (Teufels Willkomm) verwandelt. Sogar re-<lb/>
ligiöſe heilige Gegenſtände werden in ſolcher Weiſe herabgewürdigt,<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[311/0323]
Fletterling, Vogel, Taube; Breitfuß, Strohbohrer, Stroh-
böhner (niederd. bohnen, putzen), Strohputzer, Gans; Teich-
gräber, Dreckpatſcher, Bäkentrecker (Bachzieher, vom nie-
derdeutſchen Bäk, Bach, trecken, ziehen), Ente; Schneider,
Klemſer, Krebs; Langſchnabel, Storch, Schnepfe; Langfuß,
Latſchfuß, Haſe; Dachhaſe, Zwackohr, Schmackfuß,
Schmalfuß, Katze; Trappert, Klebis, Pferd; Brummert,
Ochs; Klaistrampel, Haarbogen, Hornbock, Kuh; Beller,
Blaffer, Klaffer, Hund; Meckes, Ziege; Fluckert, Gacken-
ſcherr, Holderkautz, Huhn; Stiercher, Caporal, Flunker-
ter, Fluckarter, Hahn u. ſ. w.
Von Gegenſtänden des täglichen Gebrauches: Rollert,
Wagen; Roller, Rad; Roll, Rolle, Mühle; Staub, Stau-
bert, Mehl; Tikkert, Uhr; Schlange, Kette; Schnee, Lein-
wand, Papier; Schmierling, Seife; Flatter, Wäſche; Flamme,
Schürze; Weitling, Hoſen; Streifling, Amratzim (Volk der
Erde), Strümpfe; Rußling, Ballert, Keſſel; Rumpfling,
Senf; Krachling, Krachmann, Nuß; Rothhoſen, Kirſchen;
Blauhoſen, Pflaumen; Ringling, Längling, Wurſt;
Schwarzhaber, Speck; Schwarzboſſert, Schinken; Stie-
ling, Baumkrebs, Birne; Schürnbrand, Branntwein; Jauche,
Suppe; Salz, Schrot, Hagel; Pfeffer, Kümmel, Schießpul-
ver; Knaller, Klaſeime, Piſtole u. ſ. w.
Wenn dieſe Umbildungen der Wortbedeutung ſchon als Wort-
ſpiele gelten müſſen, ſo treibt die Gaunerſprache aber auch noch
ein verwegenes Spiel mit der Aſſonanz jüdiſchdeutſcher und deut-
ſcher Wörter, indem ſie ähnlich klingende Wörter und Silben mit-
einander verwechſelt. So ungeſchickt das auch oft im graphiſchen
Ausdruck für das Auge ſich macht, ſo geſchickt verbirgt ſich doch
beim Sprechen ſelbſt eins in das andere, namentlich wenn die
dialektiſche Modulation dabei ſich geltend macht. So z. B. wird
der gewöhnlich ſchlecht beſoldete Schulmeiſter Dulmeiſter (von
dal, arm) oder Dulgoi genannt. Schön’ Willkomm wird in
Sched Willkomm (Teufels Willkomm) verwandelt. Sogar re-
ligiöſe heilige Gegenſtände werden in ſolcher Weiſe herabgewürdigt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/323>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.