sten Höhe, von der weiter nichts möglich ist als der jähe sittliche Zusammensturz in den tiefen Abgrund des Verderbens. Wie jede Sprache hat die Gaunersprache ihren Geist, aber kein Sprachgeist besticht und blendet mehr, als dieser Geist der Gaunersprache. Diese ist die vollmächtigste dämonische Propaganda des Gauner- thums, weil sie die Sprache des Volks ist und das Volk mit sei- ner eigenen Sprache schmählich belügt. Wie oft reißt ein blitz- artig aufleuchtendes Witzwort selbst den nüchternen Forscher zu einem Lächeln hin, um ihn gleich darauf vor der frechen Frivolität des Verbrechens zurückschrecken zu lassen!
Greift man aus diesem wüsten Vorrath meistens schmählicher Metaphern einzelne Beispiele zur Veranschaulichung heraus, so findet sich zunächst in Bezug auf Personen: Chochom (der Weise), der Gauner; Wittisch, Wittstock (der Linkische, Unbeholfene), der Nichtgauner, Dummkopf; Freier, Schaute (Narr), der zu Bestehlende; Oschpes (Gastfreund) und Balbajis (Hausvater), Gaunerwirth; Schickse (Greuel), Mädchen. Hierher gehört die ganze Reihe von Benennungen der verschiedensten Diebsarten, wie Kaudemhalchener, Scheinspringer, Erefgänger, Gole- hopser, Kittenschieber, Schrendefeger, Stradekehrer u. s. w. Ferner Standesbezeichnungen, wie Jltis, Klette, Fleischmann, Gerichts- oder Polizeibeamte; Dreckschwalbe, Maurer; Hammerschlag, Schmied; Schneepflanzer, Lein- weber; Stichling, Sticheler, Schneider; Trittlingspflanzer, Schuster; Ballertmelochner, Kesselflicker; Rollfetzer, Müller u. s. w. Ferner das Heer scheußlicher Spitznamen der Gauner und der schändlichsten Schmuzausdrücke der Bordellsprache nach den verschiedenen Körpertheilen und Geschlechtseigenheiten. Andere Körpertheile sind: Schneutzling, Riecheling, Giebel, Zin- ken, Rüssel, Muffert, Nase; Schmeckert, Mund; Trittling, Stampfer, Stämmerling, Fuß, Bein; Lausmarkt, Kopf; Lüßling, Läußling, Leisling, Ohr; Laller, Zunge; Flachs, Straubert, Struppert, Haar; Langert, Hals; Klaishanse, Milchhanse, Brüste; Griffling, Hand u. s. w.
Beispiele von Thiernamen: Kleebeißer, Schaf, Pferd;
ſten Höhe, von der weiter nichts möglich iſt als der jähe ſittliche Zuſammenſturz in den tiefen Abgrund des Verderbens. Wie jede Sprache hat die Gaunerſprache ihren Geiſt, aber kein Sprachgeiſt beſticht und blendet mehr, als dieſer Geiſt der Gaunerſprache. Dieſe iſt die vollmächtigſte dämoniſche Propaganda des Gauner- thums, weil ſie die Sprache des Volks iſt und das Volk mit ſei- ner eigenen Sprache ſchmählich belügt. Wie oft reißt ein blitz- artig aufleuchtendes Witzwort ſelbſt den nüchternen Forſcher zu einem Lächeln hin, um ihn gleich darauf vor der frechen Frivolität des Verbrechens zurückſchrecken zu laſſen!
Greift man aus dieſem wüſten Vorrath meiſtens ſchmählicher Metaphern einzelne Beiſpiele zur Veranſchaulichung heraus, ſo findet ſich zunächſt in Bezug auf Perſonen: Chochom (der Weiſe), der Gauner; Wittiſch, Wittſtock (der Linkiſche, Unbeholfene), der Nichtgauner, Dummkopf; Freier, Schaute (Narr), der zu Beſtehlende; Oſchpes (Gaſtfreund) und Balbajis (Hausvater), Gaunerwirth; Schickſe (Greuel), Mädchen. Hierher gehört die ganze Reihe von Benennungen der verſchiedenſten Diebsarten, wie Kaudemhalchener, Scheinſpringer, Erefgänger, Gole- hopſer, Kittenſchieber, Schrendefeger, Stradekehrer u. ſ. w. Ferner Standesbezeichnungen, wie Jltis, Klette, Fleiſchmann, Gerichts- oder Polizeibeamte; Dreckſchwalbe, Maurer; Hammerſchlag, Schmied; Schneepflanzer, Lein- weber; Stichling, Sticheler, Schneider; Trittlingspflanzer, Schuſter; Ballertmelochner, Keſſelflicker; Rollfetzer, Müller u. ſ. w. Ferner das Heer ſcheußlicher Spitznamen der Gauner und der ſchändlichſten Schmuzausdrücke der Bordellſprache nach den verſchiedenen Körpertheilen und Geſchlechtseigenheiten. Andere Körpertheile ſind: Schneutzling, Riecheling, Giebel, Zin- ken, Rüſſel, Muffert, Naſe; Schmeckert, Mund; Trittling, Stampfer, Stämmerling, Fuß, Bein; Lausmarkt, Kopf; Lüßling, Läußling, Leisling, Ohr; Laller, Zunge; Flachs, Straubert, Struppert, Haar; Langert, Hals; Klaishanſe, Milchhanſe, Brüſte; Griffling, Hand u. ſ. w.
Beiſpiele von Thiernamen: Kleebeißer, Schaf, Pferd;
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ſten Höhe, von der weiter nichts möglich iſt als der jähe ſittliche
Zuſammenſturz in den tiefen Abgrund des Verderbens. Wie jede
Sprache hat die Gaunerſprache ihren Geiſt, aber kein Sprachgeiſt
beſticht und blendet mehr, als dieſer Geiſt der Gaunerſprache.
Dieſe iſt die vollmächtigſte dämoniſche Propaganda des Gauner-
thums, weil ſie die Sprache des Volks iſt und das Volk mit ſei-
ner eigenen Sprache ſchmählich belügt. Wie oft reißt ein blitz-
artig aufleuchtendes Witzwort ſelbſt den nüchternen Forſcher zu
einem Lächeln hin, um ihn gleich darauf vor der frechen Frivolität
des Verbrechens zurückſchrecken zu laſſen!
Greift man aus dieſem wüſten Vorrath meiſtens ſchmählicher
Metaphern einzelne Beiſpiele zur Veranſchaulichung heraus, ſo
findet ſich zunächſt in Bezug auf Perſonen: Chochom (der Weiſe),
der Gauner; Wittiſch, Wittſtock (der Linkiſche, Unbeholfene),
der Nichtgauner, Dummkopf; Freier, Schaute (Narr), der zu
Beſtehlende; Oſchpes (Gaſtfreund) und Balbajis (Hausvater),
Gaunerwirth; Schickſe (Greuel), Mädchen. Hierher gehört die
ganze Reihe von Benennungen der verſchiedenſten Diebsarten, wie
Kaudemhalchener, Scheinſpringer, Erefgänger, Gole-
hopſer, Kittenſchieber, Schrendefeger, Stradekehrer
u. ſ. w. Ferner Standesbezeichnungen, wie Jltis, Klette,
Fleiſchmann, Gerichts- oder Polizeibeamte; Dreckſchwalbe,
Maurer; Hammerſchlag, Schmied; Schneepflanzer, Lein-
weber; Stichling, Sticheler, Schneider; Trittlingspflanzer,
Schuſter; Ballertmelochner, Keſſelflicker; Rollfetzer, Müller
u. ſ. w. Ferner das Heer ſcheußlicher Spitznamen der Gauner
und der ſchändlichſten Schmuzausdrücke der Bordellſprache nach
den verſchiedenen Körpertheilen und Geſchlechtseigenheiten. Andere
Körpertheile ſind: Schneutzling, Riecheling, Giebel, Zin-
ken, Rüſſel, Muffert, Naſe; Schmeckert, Mund; Trittling,
Stampfer, Stämmerling, Fuß, Bein; Lausmarkt, Kopf;
Lüßling, Läußling, Leisling, Ohr; Laller, Zunge; Flachs,
Straubert, Struppert, Haar; Langert, Hals; Klaishanſe,
Milchhanſe, Brüſte; Griffling, Hand u. ſ. w.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/322>, abgerufen am 24.11.2024.
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