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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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tine, Baden; Stroh Mokum, Strasburg (Strohsburg); Zer-
fes Matine,
Frankreich; Zaddick Mokum, Celle u. s. w. Bei
Städtenamen wird Mokum willkürlich vor oder nach dem Namen
selbst gesetzt; dagegen wird bei Ländernamen das Matine, Medine,
gewöhnlich nachgesetzt. Weiter ist nichts Erhebliches zu bemerken,
als daß doch auch immer die Ortsbezeichnungen von der Willkür
der einzelnen Gruppen abhängig sind und bald in dieser, bald in
jener Weise verunstaltet oder auch gewechselt und ganz neu ge-
schaffen werden.



Sechsundvierzigstes Kapitel.
c) Die Wortbedeutung.

Wenn nun die deutsche Gaunersprache in der Zusammen-
häufung und in der eigenthümlichen etymologischen Behandlung
ihres in der That ungeheuern Wortstoffs einen Reichthum aufzu-
weisen hat, wie das keine andere fremde Gaunersprache im Stande
ist, so hat sie aber auch das noch mit diesen Gaunersprachen ge-
mein, worin die hauptsächlichste oder eigentlich charakteristisch
alleinige Eigenthümlichkeit und Gewalt aller dieser Gaunersprachen
besteht: die Umbildung und Veränderung des ursprünglichen Wort-
sinns zu einer ganz andern logischen Bedeutung. Jn dieser Um-
bildung erscheint nun aber der Geist des Gaunerthums in seiner
ganzen furchtbaren negirenden Gewalt. Denn alles, was die leben-
digste Einbildungskraft, die treffendste Beobachtung, der glänzendste
Scharfsinn, der sprudelndste Witz und der frivolste Spott bis zur
schändlichsten Lästerung, selbst alles dessen, was ehrwürdig und
heilig ist, nur ersinnen kann: das alles findet sich in dieser Um-
bildung so treffend, so prägnant und blendend hingestellt, daß erst
die Kenntniß der Gaunersprache die vollständigste Kenntniß des
ganzen Gaunerthums und seines völlig unbändigen Geistes ist,
der nichts kennt und achtet als das maßlos frivole Spielen und
Wuchern in und mit sich selbst bis zur steilsten und schwindelnd-

tine, Baden; Stroh Mokum, Strasburg (Strohsburg); Zer-
fes Matine,
Frankreich; Zaddick Mokum, Celle u. ſ. w. Bei
Städtenamen wird Mokum willkürlich vor oder nach dem Namen
ſelbſt geſetzt; dagegen wird bei Ländernamen das Matine, Medine,
gewöhnlich nachgeſetzt. Weiter iſt nichts Erhebliches zu bemerken,
als daß doch auch immer die Ortsbezeichnungen von der Willkür
der einzelnen Gruppen abhängig ſind und bald in dieſer, bald in
jener Weiſe verunſtaltet oder auch gewechſelt und ganz neu ge-
ſchaffen werden.



Sechsundvierzigſtes Kapitel.
c) Die Wortbedeutung.

Wenn nun die deutſche Gaunerſprache in der Zuſammen-
häufung und in der eigenthümlichen etymologiſchen Behandlung
ihres in der That ungeheuern Wortſtoffs einen Reichthum aufzu-
weiſen hat, wie das keine andere fremde Gaunerſprache im Stande
iſt, ſo hat ſie aber auch das noch mit dieſen Gaunerſprachen ge-
mein, worin die hauptſächlichſte oder eigentlich charakteriſtiſch
alleinige Eigenthümlichkeit und Gewalt aller dieſer Gaunerſprachen
beſteht: die Umbildung und Veränderung des urſprünglichen Wort-
ſinns zu einer ganz andern logiſchen Bedeutung. Jn dieſer Um-
bildung erſcheint nun aber der Geiſt des Gaunerthums in ſeiner
ganzen furchtbaren negirenden Gewalt. Denn alles, was die leben-
digſte Einbildungskraft, die treffendſte Beobachtung, der glänzendſte
Scharfſinn, der ſprudelndſte Witz und der frivolſte Spott bis zur
ſchändlichſten Läſterung, ſelbſt alles deſſen, was ehrwürdig und
heilig iſt, nur erſinnen kann: das alles findet ſich in dieſer Um-
bildung ſo treffend, ſo prägnant und blendend hingeſtellt, daß erſt
die Kenntniß der Gaunerſprache die vollſtändigſte Kenntniß des
ganzen Gaunerthums und ſeines völlig unbändigen Geiſtes iſt,
der nichts kennt und achtet als das maßlos frivole Spielen und
Wuchern in und mit ſich ſelbſt bis zur ſteilſten und ſchwindelnd-

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[309/0321] tine, Baden; Stroh Mokum, Strasburg (Strohsburg); Zer- fes Matine, Frankreich; Zaddick Mokum, Celle u. ſ. w. Bei Städtenamen wird Mokum willkürlich vor oder nach dem Namen ſelbſt geſetzt; dagegen wird bei Ländernamen das Matine, Medine, gewöhnlich nachgeſetzt. Weiter iſt nichts Erhebliches zu bemerken, als daß doch auch immer die Ortsbezeichnungen von der Willkür der einzelnen Gruppen abhängig ſind und bald in dieſer, bald in jener Weiſe verunſtaltet oder auch gewechſelt und ganz neu ge- ſchaffen werden. Sechsundvierzigſtes Kapitel. c) Die Wortbedeutung. Wenn nun die deutſche Gaunerſprache in der Zuſammen- häufung und in der eigenthümlichen etymologiſchen Behandlung ihres in der That ungeheuern Wortſtoffs einen Reichthum aufzu- weiſen hat, wie das keine andere fremde Gaunerſprache im Stande iſt, ſo hat ſie aber auch das noch mit dieſen Gaunerſprachen ge- mein, worin die hauptſächlichſte oder eigentlich charakteriſtiſch alleinige Eigenthümlichkeit und Gewalt aller dieſer Gaunerſprachen beſteht: die Umbildung und Veränderung des urſprünglichen Wort- ſinns zu einer ganz andern logiſchen Bedeutung. Jn dieſer Um- bildung erſcheint nun aber der Geiſt des Gaunerthums in ſeiner ganzen furchtbaren negirenden Gewalt. Denn alles, was die leben- digſte Einbildungskraft, die treffendſte Beobachtung, der glänzendſte Scharfſinn, der ſprudelndſte Witz und der frivolſte Spott bis zur ſchändlichſten Läſterung, ſelbſt alles deſſen, was ehrwürdig und heilig iſt, nur erſinnen kann: das alles findet ſich in dieſer Um- bildung ſo treffend, ſo prägnant und blendend hingeſtellt, daß erſt die Kenntniß der Gaunerſprache die vollſtändigſte Kenntniß des ganzen Gaunerthums und ſeines völlig unbändigen Geiſtes iſt, der nichts kennt und achtet als das maßlos frivole Spielen und Wuchern in und mit ſich ſelbſt bis zur ſteilſten und ſchwindelnd-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/321>, abgerufen am 24.11.2024.