Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.schließt und je nach dem socialen Bildungsgrade der Jndividuali- 1) Jn phonetischer Hinsicht ist das Zusammentreffen mit dem hebräischen
[irrelevantes Material - Zeichen fehlt], nida, jüdischd. [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], hanida, gewiß nur zufällig. Keineswegs scheint aber die Bedeutung des jüdischdeutschen hanida für Metze, Hure gemeinster Art, und daher arges Schimpfwort, zufällig zu sein. Denn [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] hat im Hebräischen nur allgemein die Bedeutung des Greulichen, Unreinen, im physischen Sinne (besonders wegen der Menstruation) wie im moralischen. Als Gegenstand, Per- son des Greuels ist aber die der alten hebräischen Sprache fremde Bedeutung der Metze wol erst später durch die deutsche Bedeutung der Schande, Erniedrigung, auf das jüdischdeutsche [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] übertragen worden. Selbst das deutsche Schande scheint, wie Adelung, III, 1260, bemerkt, nur durch vorgesetzte Sibilation aus dem Ottfried'schen honida entstanden zu sein. ſchließt und je nach dem ſocialen Bildungsgrade der Jndividuali- 1) Jn phonetiſcher Hinſicht iſt das Zuſammentreffen mit dem hebräiſchen
[irrelevantes Material – Zeichen fehlt], nida, jüdiſchd. [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], hanida, gewiß nur zufällig. Keineswegs ſcheint aber die Bedeutung des jüdiſchdeutſchen hanida für Metze, Hure gemeinſter Art, und daher arges Schimpfwort, zufällig zu ſein. Denn [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] hat im Hebräiſchen nur allgemein die Bedeutung des Greulichen, Unreinen, im phyſiſchen Sinne (beſonders wegen der Menſtruation) wie im moraliſchen. Als Gegenſtand, Per- ſon des Greuels iſt aber die der alten hebräiſchen Sprache fremde Bedeutung der Metze wol erſt ſpäter durch die deutſche Bedeutung der Schande, Erniedrigung, auf das jüdiſchdeutſche [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] übertragen worden. Selbſt das deutſche Schande ſcheint, wie Adelung, III, 1260, bemerkt, nur durch vorgeſetzte Sibilation aus dem Ottfried’ſchen honida entſtanden zu ſein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0288" n="276"/> ſchließt und je nach dem ſocialen Bildungsgrade der Jndividuali-<lb/> tät dieſe Flexionen mit mehr oder minder deutlicher Correctheit<lb/> ſichtbar werden läßt, weicht ſie in der Wahl und Bildung des<lb/> Wortvorraths inſofern erheblich ab von der „Sprache der Bil-<lb/> dung“, als ſie nach dem Grundſatze der Nützlichkeit gefliſſentlich<lb/> das Mundartige da zur Geltung bringt, wo es zum Zweck des<lb/> geheimen Verſtändniſſes förderlich und zugleich der gewöhnlichen<lb/> Verkehrsſprache fremd oder entlegen iſt. Keineswegs iſt aber die<lb/> in der Gaunerſprache ſehr ſcharf hervortretende bunte mundartige<lb/> Miſchung eine überall künſtlich erſonnene und abſichtlich zuſam-<lb/> mengeſetzte, ſondern ſie iſt lediglich eine im allmählichen Verlauf<lb/> der Zeit und des Volksverkehrs aus allen Ecken und Enden des<lb/> Landes zufällig zuſammengebrachte, aber nach dem Princip der<lb/> Nützlichkeit mit kluger Auswahl geſichtete und mit zäher Treue<lb/> bewahrte traditionelle Wortmenge. Daraus erklärt ſich das Vor-<lb/> kommen mancher althochdeutſcher und mittelhochdeutſcher Wörter,<lb/> welche in der wechſelnden Hegemonie des fränkiſchen, ſchwäbiſchen<lb/> und meißniſchen Dialekts vom Gaunerthum mitten aus der Fülle<lb/> der deutſchen Volksſprache herausgegriffen und mit ſeltener Treue<lb/> bis zur Stunde feſtgehalten wurden, wenn ſie auch vielfach ver-<lb/> färbt und oft kaum noch zu erkennen ſind. Nimmt man das erſte<lb/> beſte Wort, z. B. das althochdeutſche <hi rendition="#aq">huoh, huah,</hi> Schande, <hi rendition="#aq">huo-<lb/> hon, honan,</hi> ſchänden, ausziſchen, <hi rendition="#aq">huolich</hi> (bei Notker), ſchändlich,<lb/> und <hi rendition="#aq">honida</hi> <note place="foot" n="1)">Jn phonetiſcher Hinſicht iſt das Zuſammentreffen mit dem hebräiſchen<lb/><gap reason="insignificant" unit="chars"/>, <hi rendition="#aq">nida,</hi> jüdiſchd. <gap reason="insignificant" unit="chars"/>, <hi rendition="#aq">hanida,</hi> gewiß nur zufällig. Keineswegs ſcheint<lb/> aber die Bedeutung des jüdiſchdeutſchen <hi rendition="#aq">hanida</hi> für Metze, Hure gemeinſter Art,<lb/> und daher arges Schimpfwort, zufällig zu ſein. Denn <gap reason="insignificant" unit="chars"/> hat im Hebräiſchen<lb/> nur allgemein die Bedeutung des Greulichen, Unreinen, im phyſiſchen Sinne<lb/> (beſonders wegen der Menſtruation) wie im moraliſchen. Als Gegenſtand, Per-<lb/> ſon des Greuels iſt aber die der alten hebräiſchen Sprache fremde Bedeutung der<lb/> Metze wol erſt ſpäter durch die deutſche Bedeutung der Schande, Erniedrigung, auf<lb/> das jüdiſchdeutſche <gap reason="insignificant" unit="chars"/> übertragen worden. Selbſt das deutſche <hi rendition="#g">Schande</hi><lb/> ſcheint, wie Adelung, <hi rendition="#aq">III,</hi> 1260, bemerkt, nur durch vorgeſetzte Sibilation aus<lb/> dem Ottfried’ſchen <hi rendition="#aq">honida</hi> entſtanden zu ſein.</note> (bei Ottfried), Schande; goth. <hi rendition="#aq">hauns,</hi> niedrig,<lb/> ſchwach, <hi rendition="#aq">haunjan,</hi> erniedrigen, <hi rendition="#aq">hauneins,</hi> Niedrigkeit (vgl. J. Gau-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0288]
ſchließt und je nach dem ſocialen Bildungsgrade der Jndividuali-
tät dieſe Flexionen mit mehr oder minder deutlicher Correctheit
ſichtbar werden läßt, weicht ſie in der Wahl und Bildung des
Wortvorraths inſofern erheblich ab von der „Sprache der Bil-
dung“, als ſie nach dem Grundſatze der Nützlichkeit gefliſſentlich
das Mundartige da zur Geltung bringt, wo es zum Zweck des
geheimen Verſtändniſſes förderlich und zugleich der gewöhnlichen
Verkehrsſprache fremd oder entlegen iſt. Keineswegs iſt aber die
in der Gaunerſprache ſehr ſcharf hervortretende bunte mundartige
Miſchung eine überall künſtlich erſonnene und abſichtlich zuſam-
mengeſetzte, ſondern ſie iſt lediglich eine im allmählichen Verlauf
der Zeit und des Volksverkehrs aus allen Ecken und Enden des
Landes zufällig zuſammengebrachte, aber nach dem Princip der
Nützlichkeit mit kluger Auswahl geſichtete und mit zäher Treue
bewahrte traditionelle Wortmenge. Daraus erklärt ſich das Vor-
kommen mancher althochdeutſcher und mittelhochdeutſcher Wörter,
welche in der wechſelnden Hegemonie des fränkiſchen, ſchwäbiſchen
und meißniſchen Dialekts vom Gaunerthum mitten aus der Fülle
der deutſchen Volksſprache herausgegriffen und mit ſeltener Treue
bis zur Stunde feſtgehalten wurden, wenn ſie auch vielfach ver-
färbt und oft kaum noch zu erkennen ſind. Nimmt man das erſte
beſte Wort, z. B. das althochdeutſche huoh, huah, Schande, huo-
hon, honan, ſchänden, ausziſchen, huolich (bei Notker), ſchändlich,
und honida 1) (bei Ottfried), Schande; goth. hauns, niedrig,
ſchwach, haunjan, erniedrigen, hauneins, Niedrigkeit (vgl. J. Gau-
1) Jn phonetiſcher Hinſicht iſt das Zuſammentreffen mit dem hebräiſchen
_ , nida, jüdiſchd. _ , hanida, gewiß nur zufällig. Keineswegs ſcheint
aber die Bedeutung des jüdiſchdeutſchen hanida für Metze, Hure gemeinſter Art,
und daher arges Schimpfwort, zufällig zu ſein. Denn _ hat im Hebräiſchen
nur allgemein die Bedeutung des Greulichen, Unreinen, im phyſiſchen Sinne
(beſonders wegen der Menſtruation) wie im moraliſchen. Als Gegenſtand, Per-
ſon des Greuels iſt aber die der alten hebräiſchen Sprache fremde Bedeutung der
Metze wol erſt ſpäter durch die deutſche Bedeutung der Schande, Erniedrigung, auf
das jüdiſchdeutſche _ übertragen worden. Selbſt das deutſche Schande
ſcheint, wie Adelung, III, 1260, bemerkt, nur durch vorgeſetzte Sibilation aus
dem Ottfried’ſchen honida entſtanden zu ſein.
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