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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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deutsche Eigenthümlichkeit ist sowol in ethnographischer wie in
culturhistorischer, psychologischer und sprachlicher Hinsicht die schon
sofort bei der ersten Beachtung des Judendeutsch von christlichen
Schriftstellern gemachte und auch heute noch in ausgedehnter
Weise zu machende Wahrnehmung, daß das jüdischdeutsche Sprach-
gefüge in seiner vollen Eigenthümlichkeit sowol durch die jüdische
als auch deutsche Weltzügigkeit in die weiteste Ferne getragen ist
und als lebendige Verkehrssprache, wie in Deutschland, so in Böh-
men, Mähren, Ungarn, Polen, Rußland, in der großen und klei-
nen Ukraine, Frankreich, Holland, Spanien, ja in Amerika, Asien,
Afrika, Australien u. s. w. erhalten und von den Judengruppen
deutschen Stammes gesprochen wird 1), ohne daß irgendeine wesent-
liche Zuthat aus der von den begabten Juden leicht aufgefaßten
und angeeigneten Landessprache zum Judendeutsch hinzugethan
ist. 2) Bei weitem eher findet sich, daß in fremden Ländern ein-
zelne jüdischdeutsche Ausdrücke vom Gaunerthum aufgefaßt und
jener Sprache einverleibt sind, wie z. B. im Französischen (argot)
das Wort entiffle, welches Francisque-Michel, a. a. O., S. 144,
zwar richtig mit eglise übersetzt, aber mit in der That komischer
Unwissenheit, Gewalt und Breite (vgl. ebend., S. 12, unter An-
tiffle
) von antif, anti und vies, lat. via (!!) ableitet, während
man ganz einfach in entiffle den jüdischdeutschen Ueberläufer
[fremdsprachliches Material], tiffle, mit dem deutschen unbestimmten Artikel [fremdsprachliches Material],
eine Tiffle, en' Tiffle, ann' Tiffle, eine christliche Kirche (im
spöttischen Sinne) erkennt, von [fremdsprachliches Material], tofel 3), abgeschmackt, albern,

1) Chrysander, a. a. O., S. 27: "Die Juden behaupten deswegen: mit
dem Juden-Teutschen könne man durch die ganze Welt kommen."
2) Von Unklarheit und grammatischer Unwissenheit zeugt es daher, wenn
Stern, a. a. O., S. 186 sagt: "Die Wurzelwörter der hebräischen Sprache,
die dabei angewendet werden, bleiben sich in allen lebenden Sprachen Europas
gleich, nur mit dem Unterschied, daß sie nach den Regeln der verschie-
denen Sprachen gebeugt werden, in Frankreich französisch, in
Rußland russisch, in Deutschland deutsch
!"
3) Sogar der deutsche Töffel, als Typus der Beschränktheit, Tölpelhaf-
tigkeit, scheint eher von tofel abgeleitet, als für eine Abkürzung von Chri-
stophel
genommen werden zu dürfen.

deutſche Eigenthümlichkeit iſt ſowol in ethnographiſcher wie in
culturhiſtoriſcher, pſychologiſcher und ſprachlicher Hinſicht die ſchon
ſofort bei der erſten Beachtung des Judendeutſch von chriſtlichen
Schriftſtellern gemachte und auch heute noch in ausgedehnter
Weiſe zu machende Wahrnehmung, daß das jüdiſchdeutſche Sprach-
gefüge in ſeiner vollen Eigenthümlichkeit ſowol durch die jüdiſche
als auch deutſche Weltzügigkeit in die weiteſte Ferne getragen iſt
und als lebendige Verkehrsſprache, wie in Deutſchland, ſo in Böh-
men, Mähren, Ungarn, Polen, Rußland, in der großen und klei-
nen Ukraine, Frankreich, Holland, Spanien, ja in Amerika, Aſien,
Afrika, Auſtralien u. ſ. w. erhalten und von den Judengruppen
deutſchen Stammes geſprochen wird 1), ohne daß irgendeine weſent-
liche Zuthat aus der von den begabten Juden leicht aufgefaßten
und angeeigneten Landesſprache zum Judendeutſch hinzugethan
iſt. 2) Bei weitem eher findet ſich, daß in fremden Ländern ein-
zelne jüdiſchdeutſche Ausdrücke vom Gaunerthum aufgefaßt und
jener Sprache einverleibt ſind, wie z. B. im Franzöſiſchen (argot)
das Wort entiffle, welches Francisque-Michel, a. a. O., S. 144,
zwar richtig mit église überſetzt, aber mit in der That komiſcher
Unwiſſenheit, Gewalt und Breite (vgl. ebend., S. 12, unter An-
tiffle
) von antif, anti und viés, lat. via (!!) ableitet, während
man ganz einfach in entiffle den jüdiſchdeutſchen Ueberläufer
[fremdsprachliches Material], tiffle, mit dem deutſchen unbeſtimmten Artikel [fremdsprachliches Material],
eine Tiffle, en’ Tiffle, ān’ Tiffle, eine chriſtliche Kirche (im
ſpöttiſchen Sinne) erkennt, von [fremdsprachliches Material], tofel 3), abgeſchmackt, albern,

1) Chryſander, a. a. O., S. 27: „Die Juden behaupten deswegen: mit
dem Juden-Teutſchen könne man durch die ganze Welt kommen.“
2) Von Unklarheit und grammatiſcher Unwiſſenheit zeugt es daher, wenn
Stern, a. a. O., S. 186 ſagt: „Die Wurzelwörter der hebräiſchen Sprache,
die dabei angewendet werden, bleiben ſich in allen lebenden Sprachen Europas
gleich, nur mit dem Unterſchied, daß ſie nach den Regeln der verſchie-
denen Sprachen gebeugt werden, in Frankreich franzöſiſch, in
Rußland ruſſiſch, in Deutſchland deutſch
!“
3) Sogar der deutſche Töffel, als Typus der Beſchränktheit, Tölpelhaf-
tigkeit, ſcheint eher von tofel abgeleitet, als für eine Abkürzung von Chri-
ſtophel
genommen werden zu dürfen.
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[50/0084] deutſche Eigenthümlichkeit iſt ſowol in ethnographiſcher wie in culturhiſtoriſcher, pſychologiſcher und ſprachlicher Hinſicht die ſchon ſofort bei der erſten Beachtung des Judendeutſch von chriſtlichen Schriftſtellern gemachte und auch heute noch in ausgedehnter Weiſe zu machende Wahrnehmung, daß das jüdiſchdeutſche Sprach- gefüge in ſeiner vollen Eigenthümlichkeit ſowol durch die jüdiſche als auch deutſche Weltzügigkeit in die weiteſte Ferne getragen iſt und als lebendige Verkehrsſprache, wie in Deutſchland, ſo in Böh- men, Mähren, Ungarn, Polen, Rußland, in der großen und klei- nen Ukraine, Frankreich, Holland, Spanien, ja in Amerika, Aſien, Afrika, Auſtralien u. ſ. w. erhalten und von den Judengruppen deutſchen Stammes geſprochen wird 1), ohne daß irgendeine weſent- liche Zuthat aus der von den begabten Juden leicht aufgefaßten und angeeigneten Landesſprache zum Judendeutſch hinzugethan iſt. 2) Bei weitem eher findet ſich, daß in fremden Ländern ein- zelne jüdiſchdeutſche Ausdrücke vom Gaunerthum aufgefaßt und jener Sprache einverleibt ſind, wie z. B. im Franzöſiſchen (argot) das Wort entiffle, welches Francisque-Michel, a. a. O., S. 144, zwar richtig mit église überſetzt, aber mit in der That komiſcher Unwiſſenheit, Gewalt und Breite (vgl. ebend., S. 12, unter An- tiffle) von antif, anti und viés, lat. via (!!) ableitet, während man ganz einfach in entiffle den jüdiſchdeutſchen Ueberläufer _ , tiffle, mit dem deutſchen unbeſtimmten Artikel _ , eine Tiffle, en’ Tiffle, ān’ Tiffle, eine chriſtliche Kirche (im ſpöttiſchen Sinne) erkennt, von _ , tofel 3), abgeſchmackt, albern, 1) Chryſander, a. a. O., S. 27: „Die Juden behaupten deswegen: mit dem Juden-Teutſchen könne man durch die ganze Welt kommen.“ 2) Von Unklarheit und grammatiſcher Unwiſſenheit zeugt es daher, wenn Stern, a. a. O., S. 186 ſagt: „Die Wurzelwörter der hebräiſchen Sprache, die dabei angewendet werden, bleiben ſich in allen lebenden Sprachen Europas gleich, nur mit dem Unterſchied, daß ſie nach den Regeln der verſchie- denen Sprachen gebeugt werden, in Frankreich franzöſiſch, in Rußland ruſſiſch, in Deutſchland deutſch!“ 3) Sogar der deutſche Töffel, als Typus der Beſchränktheit, Tölpelhaf- tigkeit, ſcheint eher von tofel abgeleitet, als für eine Abkürzung von Chri- ſtophel genommen werden zu dürfen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/84>, abgerufen am 24.11.2024.