Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.ein ganz besonders schlechtes Deutsch cultivirt haben soll 1), wird Elftes Kapitel. b) Kauderwelsch. Eine gleich ungeschickte Etymologie hat der zuweilen, jedoch 1) Die vielen Misbräuche bei dem 1146 von Konrad III. errichteten, 1572
neu organisirten kaiserlichen Hofgericht, dessen Aussprüche niemals Ansehen ge- wonnen haben, waren es, welche schon bei den westfälischen Friedensverhand- lungen und spätern Gelegenheiten seine Aufhebung zur Sprache brachten, bis Rottweil 1802 an Würtemberg kam und bald darauf das Hofgericht eingezogen wurde. Aber im "stilus curiae", der wahren maccaronischen deutschen Prosa, hatte das Hofgericht vor keinem andern Hof- oder Reichsgericht etwas voraus. Wenn auch die Volkspoesie des 15. Jahrhunderts und Luther's Sprachhelden- schaft der deutschen Sprache den vollständigsten Sieg über die römische Rechts- sprache erkämpft hatten, so blieben doch gerade in der deutschen Gerichtssprache unzählige lateinische Floskeln zurück, welche, wie unsere modernen Nipp- und Rococofiguren, auf allen Börtern der Archive und Gerichtsstuben in seltsamster Gruppirung aufgestellt sind und wie neckische Kobolde mit lächerlichen Fratzen überall umherspringen und die herrliche reiche deutsche Sprache verhöhnen. Wie hat sich der deutsche Jurist zu hüten, wenn er deutsch schreiben will! ein ganz beſonders ſchlechtes Deutſch cultivirt haben ſoll 1), wird Elftes Kapitel. b) Kauderwelſch. Eine gleich ungeſchickte Etymologie hat der zuweilen, jedoch 1) Die vielen Misbräuche bei dem 1146 von Konrad III. errichteten, 1572
neu organiſirten kaiſerlichen Hofgericht, deſſen Ausſprüche niemals Anſehen ge- wonnen haben, waren es, welche ſchon bei den weſtfäliſchen Friedensverhand- lungen und ſpätern Gelegenheiten ſeine Aufhebung zur Sprache brachten, bis Rottweil 1802 an Würtemberg kam und bald darauf das Hofgericht eingezogen wurde. Aber im „stilus curiae“, der wahren maccaroniſchen deutſchen Proſa, hatte das Hofgericht vor keinem andern Hof- oder Reichsgericht etwas voraus. Wenn auch die Volkspoeſie des 15. Jahrhunderts und Luther’s Sprachhelden- ſchaft der deutſchen Sprache den vollſtändigſten Sieg über die römiſche Rechts- ſprache erkämpft hatten, ſo blieben doch gerade in der deutſchen Gerichtsſprache unzählige lateiniſche Floskeln zurück, welche, wie unſere modernen Nipp- und Rococofiguren, auf allen Börtern der Archive und Gerichtsſtuben in ſeltſamſter Gruppirung aufgeſtellt ſind und wie neckiſche Kobolde mit lächerlichen Fratzen überall umherſpringen und die herrliche reiche deutſche Sprache verhöhnen. Wie hat ſich der deutſche Juriſt zu hüten, wenn er deutſch ſchreiben will! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0058" n="24"/> ein ganz beſonders ſchlechtes Deutſch cultivirt haben ſoll <note place="foot" n="1)">Die vielen Misbräuche bei dem 1146 von Konrad <hi rendition="#aq">III.</hi> errichteten, 1572<lb/> neu organiſirten kaiſerlichen Hofgericht, deſſen Ausſprüche niemals Anſehen ge-<lb/> wonnen haben, waren es, welche ſchon bei den weſtfäliſchen Friedensverhand-<lb/> lungen und ſpätern Gelegenheiten ſeine Aufhebung zur Sprache brachten, bis<lb/> Rottweil 1802 an Würtemberg kam und bald darauf das Hofgericht eingezogen<lb/> wurde. Aber im „<hi rendition="#aq">stilus curiae</hi>“, der wahren maccaroniſchen deutſchen Proſa,<lb/> hatte das Hofgericht vor keinem andern Hof- oder Reichsgericht etwas voraus.<lb/> Wenn auch die Volkspoeſie des 15. Jahrhunderts und Luther’s Sprachhelden-<lb/> ſchaft der deutſchen Sprache den vollſtändigſten Sieg über die römiſche Rechts-<lb/> ſprache erkämpft hatten, ſo blieben doch gerade in der deutſchen Gerichtsſprache<lb/> unzählige lateiniſche Floskeln zurück, welche, wie unſere modernen Nipp- und<lb/> Rococofiguren, auf allen Börtern der Archive und Gerichtsſtuben in ſeltſamſter<lb/> Gruppirung aufgeſtellt ſind und wie neckiſche Kobolde mit lächerlichen Fratzen<lb/> überall umherſpringen und die herrliche reiche deutſche Sprache verhöhnen. Wie<lb/> hat ſich der deutſche Juriſt zu hüten, wenn er deutſch ſchreiben will!</note>, wird<lb/> übrigens mit Unrecht dem Johann Chriſtoph Gottſched aufgebürdet.<lb/> Er ſtammt vielmehr ſchon von Kaspar Lehmann („Speierſche Chro-<lb/> nik“, Buch 7, Kap. 42) her, wie der alte Friſch, S. 438, anführt:<lb/> „Da die Juriſten zu Rottweil angefangen, ſo viele fremde <hi rendition="#aq">Ter-<lb/> minos</hi> einzumengen, daß es kein Menſch mehr verſtunde.“</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#fr">Elftes Kapitel.</hi><lb/> <hi rendition="#aq">b)</hi> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Kauderwelſch.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Eine gleich ungeſchickte Etymologie hat der zuweilen, jedoch<lb/> niemals von Gaunern, für Rotwelſch oder Gaunerſprache ge-<lb/> brauchte Ausdruck <hi rendition="#g">Kauderwelſch</hi> erfahren. Sie iſt bei der ana-<lb/> logen örtlichen Beziehung ebenſo lächerlich wie die Ableitung des<lb/> Rotwelſch von Rottweil. Das <hi rendition="#g">Kauder</hi> in Kauderwelſch ſoll<lb/> nach Friſch, a. a. O., S. 503, „gar wahrſcheinlich aus Chur ent-<lb/> ſtanden ſein, der Hauptſtadt des Biſtums dieſes Namens in Grau-<lb/> bündten, woſelbſt die Wälſche oder Jtaliäniſche Sprach mit großer<lb/> Veränderung geredet wird, und da der gemeine Mann für Chur<lb/><hi rendition="#g">Caur</hi> ſagt, iſt es in Kaur-Welſch und Kauderwelſch verändert<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0058]
ein ganz beſonders ſchlechtes Deutſch cultivirt haben ſoll 1), wird
übrigens mit Unrecht dem Johann Chriſtoph Gottſched aufgebürdet.
Er ſtammt vielmehr ſchon von Kaspar Lehmann („Speierſche Chro-
nik“, Buch 7, Kap. 42) her, wie der alte Friſch, S. 438, anführt:
„Da die Juriſten zu Rottweil angefangen, ſo viele fremde Ter-
minos einzumengen, daß es kein Menſch mehr verſtunde.“
Elftes Kapitel.
b) Kauderwelſch.
Eine gleich ungeſchickte Etymologie hat der zuweilen, jedoch
niemals von Gaunern, für Rotwelſch oder Gaunerſprache ge-
brauchte Ausdruck Kauderwelſch erfahren. Sie iſt bei der ana-
logen örtlichen Beziehung ebenſo lächerlich wie die Ableitung des
Rotwelſch von Rottweil. Das Kauder in Kauderwelſch ſoll
nach Friſch, a. a. O., S. 503, „gar wahrſcheinlich aus Chur ent-
ſtanden ſein, der Hauptſtadt des Biſtums dieſes Namens in Grau-
bündten, woſelbſt die Wälſche oder Jtaliäniſche Sprach mit großer
Veränderung geredet wird, und da der gemeine Mann für Chur
Caur ſagt, iſt es in Kaur-Welſch und Kauderwelſch verändert
1) Die vielen Misbräuche bei dem 1146 von Konrad III. errichteten, 1572
neu organiſirten kaiſerlichen Hofgericht, deſſen Ausſprüche niemals Anſehen ge-
wonnen haben, waren es, welche ſchon bei den weſtfäliſchen Friedensverhand-
lungen und ſpätern Gelegenheiten ſeine Aufhebung zur Sprache brachten, bis
Rottweil 1802 an Würtemberg kam und bald darauf das Hofgericht eingezogen
wurde. Aber im „stilus curiae“, der wahren maccaroniſchen deutſchen Proſa,
hatte das Hofgericht vor keinem andern Hof- oder Reichsgericht etwas voraus.
Wenn auch die Volkspoeſie des 15. Jahrhunderts und Luther’s Sprachhelden-
ſchaft der deutſchen Sprache den vollſtändigſten Sieg über die römiſche Rechts-
ſprache erkämpft hatten, ſo blieben doch gerade in der deutſchen Gerichtsſprache
unzählige lateiniſche Floskeln zurück, welche, wie unſere modernen Nipp- und
Rococofiguren, auf allen Börtern der Archive und Gerichtsſtuben in ſeltſamſter
Gruppirung aufgeſtellt ſind und wie neckiſche Kobolde mit lächerlichen Fratzen
überall umherſpringen und die herrliche reiche deutſche Sprache verhöhnen. Wie
hat ſich der deutſche Juriſt zu hüten, wenn er deutſch ſchreiben will!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |