Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite
XV.
Die Verkaufung Joseph's.
Aus dem Purimspiel
[fremdsprachliches Material].

Die älteste Nachricht über die Mechirus Joseph ([fremdsprachliches Material],
Mechirus Joseph) gibt Schudt, "Jüdische Merkwürdigkeiten",
Buch VI, Kap. 35, §. 19 fg., wo er anführt, daß die Mechirus
Joseph am Purimfeste in der Wohnung des Löw Worms "zur
weißen oder silbernen Kand" zu Frankfurt einige Jahre vor dem
1711 ausgebrochenen Brande der Judengasse von jüdischen Stu-
denten aus Hamburg und Prag mit außerordentlichem Aufwand
von Decorationen, Maschinerien und sonstigen Effecten gespielt
worden sei. Schudt gibt die Mechirus nach der zweiten Ausgabe,
welche 1713 bei Johann Kellner in Frankfurt gedruckt ist. Die
ältere Ausgabe, deren Schudt erwähnt, ist ohne Ort und Datum
bei dem Bochur Löw Gintzburg zu Frankfurt gedruckt und in fast
sämmtlichen Exemplaren bei dem Brande verloren gegangen. Nach
mündlicher Tradition bezeichnet Schudt als Verfasser den Beerman
von Limburg, welcher jedoch auch von Steinschneider ("Serapeum",
Jahrg. 1848, Stück 23, Nr. 146) nur als angeblicher Verfasser
angeführt wird.

Wenn nun auch die Mechirus in ganz elenden Knittelversen
geschrieben ist, so bleibt sie doch immer merkwürdig dadurch, daß
sie in Ton und Haltung sich ganz dem ältern deutschen Lust- und
Possenspiel anfügt und ebenso wie dieses den Pickelhering in sei-
ner Tölpelhaftigkeit und dennoch schalkhaften Laune zu einer Haupt-
figur macht, welche wie der Hanswurst seit dem ältesten vorhan-
denen Lustspiel des Peter Probst (1553): "Vom kranken Bauer
und einem Doctor" sich hervorthut. Noch auffälliger ist aber die
Sprache selbst, welche überall jene verunreinigte und verdorbene
sprachliche Ausdrucksform der traurigsten Periode unserer deutschen
Grammatik und Literatur aufweist, sodaß theilweise in der eigen-

XV.
Die Verkaufung Joſeph’s.
Aus dem Purimſpiel
[fremdsprachliches Material].

Die älteſte Nachricht über die Mechirus Joſeph ([fremdsprachliches Material],
Mechirus Joseph) gibt Schudt, „Jüdiſche Merkwürdigkeiten“,
Buch VI, Kap. 35, §. 19 fg., wo er anführt, daß die Mechirus
Joſeph am Purimfeſte in der Wohnung des Löw Worms „zur
weißen oder ſilbernen Kand“ zu Frankfurt einige Jahre vor dem
1711 ausgebrochenen Brande der Judengaſſe von jüdiſchen Stu-
denten aus Hamburg und Prag mit außerordentlichem Aufwand
von Decorationen, Maſchinerien und ſonſtigen Effecten geſpielt
worden ſei. Schudt gibt die Mechirus nach der zweiten Ausgabe,
welche 1713 bei Johann Kellner in Frankfurt gedruckt iſt. Die
ältere Ausgabe, deren Schudt erwähnt, iſt ohne Ort und Datum
bei dem Bochur Löw Gintzburg zu Frankfurt gedruckt und in faſt
ſämmtlichen Exemplaren bei dem Brande verloren gegangen. Nach
mündlicher Tradition bezeichnet Schudt als Verfaſſer den Beerman
von Limburg, welcher jedoch auch von Steinſchneider („Serapeum“,
Jahrg. 1848, Stück 23, Nr. 146) nur als angeblicher Verfaſſer
angeführt wird.

Wenn nun auch die Mechirus in ganz elenden Knittelverſen
geſchrieben iſt, ſo bleibt ſie doch immer merkwürdig dadurch, daß
ſie in Ton und Haltung ſich ganz dem ältern deutſchen Luſt- und
Poſſenſpiel anfügt und ebenſo wie dieſes den Pickelhering in ſei-
ner Tölpelhaftigkeit und dennoch ſchalkhaften Laune zu einer Haupt-
figur macht, welche wie der Hanswurſt ſeit dem älteſten vorhan-
denen Luſtſpiel des Peter Probſt (1553): „Vom kranken Bauer
und einem Doctor“ ſich hervorthut. Noch auffälliger iſt aber die
Sprache ſelbſt, welche überall jene verunreinigte und verdorbene
ſprachliche Ausdrucksform der traurigſten Periode unſerer deutſchen
Grammatik und Literatur aufweiſt, ſodaß theilweiſe in der eigen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0525" n="491"/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">XV.</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">Die Verkaufung Jo&#x017F;eph&#x2019;s.<lb/>
Aus dem Purim&#x017F;piel</hi><gap reason="fm"/>.</head><lb/>
                <p>Die älte&#x017F;te Nachricht über die Mechirus Jo&#x017F;eph (<gap reason="fm"/>,<lb/><hi rendition="#aq">Mechirus Joseph</hi>) gibt Schudt, &#x201E;Jüdi&#x017F;che Merkwürdigkeiten&#x201C;,<lb/>
Buch <hi rendition="#aq">VI</hi>, Kap. 35, §. 19 fg., wo er anführt, daß die Mechirus<lb/>
Jo&#x017F;eph am Purimfe&#x017F;te in der Wohnung des Löw Worms &#x201E;zur<lb/>
weißen oder &#x017F;ilbernen Kand&#x201C; zu Frankfurt einige Jahre vor dem<lb/>
1711 ausgebrochenen Brande der Judenga&#x017F;&#x017F;e von jüdi&#x017F;chen Stu-<lb/>
denten aus Hamburg und Prag mit außerordentlichem Aufwand<lb/>
von Decorationen, Ma&#x017F;chinerien und &#x017F;on&#x017F;tigen Effecten ge&#x017F;pielt<lb/>
worden &#x017F;ei. Schudt gibt die Mechirus nach der zweiten Ausgabe,<lb/>
welche 1713 bei Johann Kellner in Frankfurt gedruckt i&#x017F;t. Die<lb/>
ältere Ausgabe, deren Schudt erwähnt, i&#x017F;t ohne Ort und Datum<lb/>
bei dem Bochur Löw Gintzburg zu Frankfurt gedruckt und in fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ämmtlichen Exemplaren bei dem Brande verloren gegangen. Nach<lb/>
mündlicher Tradition bezeichnet Schudt als Verfa&#x017F;&#x017F;er den Beerman<lb/>
von Limburg, welcher jedoch auch von Stein&#x017F;chneider (&#x201E;Serapeum&#x201C;,<lb/>
Jahrg. 1848, Stück 23, Nr. 146) nur als <hi rendition="#g">angeblicher</hi> Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
angeführt wird.</p><lb/>
                <p>Wenn nun auch die Mechirus in ganz elenden Knittelver&#x017F;en<lb/>
ge&#x017F;chrieben i&#x017F;t, &#x017F;o bleibt &#x017F;ie doch immer merkwürdig dadurch, daß<lb/>
&#x017F;ie in Ton und Haltung &#x017F;ich ganz dem ältern deut&#x017F;chen Lu&#x017F;t- und<lb/>
Po&#x017F;&#x017F;en&#x017F;piel anfügt und eben&#x017F;o wie die&#x017F;es den Pickelhering in &#x017F;ei-<lb/>
ner Tölpelhaftigkeit und dennoch &#x017F;chalkhaften Laune zu einer Haupt-<lb/>
figur macht, welche wie der Hanswur&#x017F;t &#x017F;eit dem älte&#x017F;ten vorhan-<lb/>
denen Lu&#x017F;t&#x017F;piel des Peter Prob&#x017F;t (1553): &#x201E;Vom kranken Bauer<lb/>
und einem Doctor&#x201C; &#x017F;ich hervorthut. Noch auffälliger i&#x017F;t aber die<lb/>
Sprache &#x017F;elb&#x017F;t, welche überall jene verunreinigte und verdorbene<lb/>
&#x017F;prachliche Ausdrucksform der traurig&#x017F;ten Periode un&#x017F;erer deut&#x017F;chen<lb/>
Grammatik und Literatur aufwei&#x017F;t, &#x017F;odaß theilwei&#x017F;e in der eigen-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[491/0525] XV. Die Verkaufung Joſeph’s. Aus dem Purimſpiel _ . Die älteſte Nachricht über die Mechirus Joſeph (_ , Mechirus Joseph) gibt Schudt, „Jüdiſche Merkwürdigkeiten“, Buch VI, Kap. 35, §. 19 fg., wo er anführt, daß die Mechirus Joſeph am Purimfeſte in der Wohnung des Löw Worms „zur weißen oder ſilbernen Kand“ zu Frankfurt einige Jahre vor dem 1711 ausgebrochenen Brande der Judengaſſe von jüdiſchen Stu- denten aus Hamburg und Prag mit außerordentlichem Aufwand von Decorationen, Maſchinerien und ſonſtigen Effecten geſpielt worden ſei. Schudt gibt die Mechirus nach der zweiten Ausgabe, welche 1713 bei Johann Kellner in Frankfurt gedruckt iſt. Die ältere Ausgabe, deren Schudt erwähnt, iſt ohne Ort und Datum bei dem Bochur Löw Gintzburg zu Frankfurt gedruckt und in faſt ſämmtlichen Exemplaren bei dem Brande verloren gegangen. Nach mündlicher Tradition bezeichnet Schudt als Verfaſſer den Beerman von Limburg, welcher jedoch auch von Steinſchneider („Serapeum“, Jahrg. 1848, Stück 23, Nr. 146) nur als angeblicher Verfaſſer angeführt wird. Wenn nun auch die Mechirus in ganz elenden Knittelverſen geſchrieben iſt, ſo bleibt ſie doch immer merkwürdig dadurch, daß ſie in Ton und Haltung ſich ganz dem ältern deutſchen Luſt- und Poſſenſpiel anfügt und ebenſo wie dieſes den Pickelhering in ſei- ner Tölpelhaftigkeit und dennoch ſchalkhaften Laune zu einer Haupt- figur macht, welche wie der Hanswurſt ſeit dem älteſten vorhan- denen Luſtſpiel des Peter Probſt (1553): „Vom kranken Bauer und einem Doctor“ ſich hervorthut. Noch auffälliger iſt aber die Sprache ſelbſt, welche überall jene verunreinigte und verdorbene ſprachliche Ausdrucksform der traurigſten Periode unſerer deutſchen Grammatik und Literatur aufweiſt, ſodaß theilweiſe in der eigen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/525
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/525>, abgerufen am 22.11.2024.