und ohnehin falsche Ausdruck Zigeunersprache1) wird nie- mals von den Gaunern gebraucht, obschon die hibridische Compo- sition Schurersprache2) der theilweisen Fremdartigkeit und Verstecktheit wegen mehr im Schwange unter den Gaunern ist. Jm Dreißigjährigen Kriege kam vermöge der beinahe vollständigen Jdentität des Räuberthums mit dem Soldatenthum der einzige rein deutsche Ausdruck Feldsprach3) unter den Räubern auf, wie denn auch Moscherosch 4) (Philander von Sittewald) das von ihm als Doppellexikon redigirte Vocabular der Rotwelschen Gram- matik Feldsprach überschreibt und den Ausdruck überhaupt für die Sprache der in Feld und Wald umherstreifenden Partirer mehrfach gebraucht, ohne im Vocabular eben etwas mehr zu geben als die Rotwelsche Grammatik. Die lateinischen Ausdrücke: lingua conventionalis, lingua fictitia, ruber barbarismus, bei Konrad Gesner im "Mithridates", Fol. 61 fg. u. a., und lingua occulta bei Heumann 5) in seiner sehr trockenen "Observatio de lingua occulta", sind selbstverständlich für den Gauner entlegene Bezeich- nungen und überhaupt zur Erklärung der Gaunersprache völlig unzureichend. Desto genauere Aufmerksamkeit verdienen aber andere Benennungen der Gaunersprache.
1) Vgl. die Etymologie Th. I, Kap. 2, S. 12--13, und über die Ver- wechselung des eigentlichen Zigeunervolks mit dem Gaunerthum ebend. S. 34. Vgl. auch K. Gesner, "Mithridates", Fol. 81 fg.
2) Vom zig. Schorr, Tschorr, Dieb, Spitzbube.
3) d. h. die in Freiheit gesprochene Sprache; Feld, vom althochdeutschen felt, velt; vielleicht ursprünglich Wildsprache, vom ahd. wilt, fremd, oder Wald sprache vom ahd. walt (sylva), welches mit wilt verwandt ist. Konrad Schwenck, "Wörterbuch der deutschen Sprache" (vierte Auflage, Frankfurt a. M. 1855), S. 721 und 743.
4) "Wunderliche und seltsame Gesichte" (Strasburg 1665), II, 633 fg.
5) "Exercitationes juris universi, praecipue Germanici, ex genuinis fontibus restituti" (Altorf 1749), Nr. 13, S. 163.
und ohnehin falſche Ausdruck Zigeunerſprache1) wird nie- mals von den Gaunern gebraucht, obſchon die hibridiſche Compo- ſition Schurerſprache2) der theilweiſen Fremdartigkeit und Verſtecktheit wegen mehr im Schwange unter den Gaunern iſt. Jm Dreißigjährigen Kriege kam vermöge der beinahe vollſtändigen Jdentität des Räuberthums mit dem Soldatenthum der einzige rein deutſche Ausdruck Feldſprach3) unter den Räubern auf, wie denn auch Moſcheroſch 4) (Philander von Sittewald) das von ihm als Doppellexikon redigirte Vocabular der Rotwelſchen Gram- matik Feldſprach überſchreibt und den Ausdruck überhaupt für die Sprache der in Feld und Wald umherſtreifenden Partirer mehrfach gebraucht, ohne im Vocabular eben etwas mehr zu geben als die Rotwelſche Grammatik. Die lateiniſchen Ausdrücke: lingua conventionalis, lingua fictitia, ruber barbarismus, bei Konrad Gesner im „Mithridates“, Fol. 61 fg. u. a., und lingua occulta bei Heumann 5) in ſeiner ſehr trockenen „Observatio de lingua occulta“, ſind ſelbſtverſtändlich für den Gauner entlegene Bezeich- nungen und überhaupt zur Erklärung der Gaunerſprache völlig unzureichend. Deſto genauere Aufmerkſamkeit verdienen aber andere Benennungen der Gaunerſprache.
1) Vgl. die Etymologie Th. I, Kap. 2, S. 12—13, und über die Ver- wechſelung des eigentlichen Zigeunervolks mit dem Gaunerthum ebend. S. 34. Vgl. auch K. Gesner, „Mithridates“, Fol. 81 fg.
2) Vom zig. Schorr, Tſchorr, Dieb, Spitzbube.
3) d. h. die in Freiheit geſprochene Sprache; Feld, vom althochdeutſchen felt, velt; vielleicht urſprünglich Wildſprache, vom ahd. wilt, fremd, oder Wald ſprache vom ahd. walt (sylva), welches mit wilt verwandt iſt. Konrad Schwenck, „Wörterbuch der deutſchen Sprache“ (vierte Auflage, Frankfurt a. M. 1855), S. 721 und 743.
4) „Wunderliche und ſeltſame Geſichte“ (Strasburg 1665), II, 633 fg.
5) „Exercitationes juris universi, praecipue Germanici, ex genuinis fontibus restituti“ (Altorf 1749), Nr. 13, S. 163.
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[12/0046]
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Jm Dreißigjährigen Kriege kam vermöge der beinahe vollſtändigen
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denn auch Moſcheroſch 4) (Philander von Sittewald) das von
ihm als Doppellexikon redigirte Vocabular der Rotwelſchen Gram-
matik Feldſprach überſchreibt und den Ausdruck überhaupt für
die Sprache der in Feld und Wald umherſtreifenden Partirer
mehrfach gebraucht, ohne im Vocabular eben etwas mehr zu geben
als die Rotwelſche Grammatik. Die lateiniſchen Ausdrücke: lingua
conventionalis, lingua fictitia, ruber barbarismus, bei Konrad
Gesner im „Mithridates“, Fol. 61 fg. u. a., und lingua occulta
bei Heumann 5) in ſeiner ſehr trockenen „Observatio de lingua
occulta“, ſind ſelbſtverſtändlich für den Gauner entlegene Bezeich-
nungen und überhaupt zur Erklärung der Gaunerſprache völlig
unzureichend. Deſto genauere Aufmerkſamkeit verdienen aber andere
Benennungen der Gaunerſprache.
1) Vgl. die Etymologie Th. I, Kap. 2, S. 12—13, und über die Ver-
wechſelung des eigentlichen Zigeunervolks mit dem Gaunerthum ebend. S. 34.
Vgl. auch K. Gesner, „Mithridates“, Fol. 81 fg.
2) Vom zig. Schorr, Tſchorr, Dieb, Spitzbube.
3) d. h. die in Freiheit geſprochene Sprache; Feld, vom althochdeutſchen
felt, velt; vielleicht urſprünglich Wildſprache, vom ahd. wilt, fremd, oder
Wald ſprache vom ahd. walt (sylva), welches mit wilt verwandt iſt. Konrad
Schwenck, „Wörterbuch der deutſchen Sprache“ (vierte Auflage, Frankfurt a. M.
1855), S. 721 und 743.
4) „Wunderliche und ſeltſame Geſichte“ (Strasburg 1665), II, 633 fg.
5) „Exercitationes juris universi, praecipue Germanici, ex genuinis
fontibus restituti“ (Altorf 1749), Nr. 13, S. 163.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/46>, abgerufen am 17.07.2024.
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