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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Dagegen paßt das Jüdischdeutsche für die burleske Darstel-
lung, niedrige Volkskomik und Farce ganz vorzüglich, weil die
Buntscheckigkeit der sprachlichen Form der kecken Laune des frei
umherschweifenden Gedankens ein willkommenes groteskes Gewand
darbietet und ihr noch immer größere Lebendigkeit verleiht. Jn dieser
Beziehung enthalten die meistens versificirten und gereimten Purim-
spiele 1), besonders das Ahasverusspiel, sehr viel Witz und Humor,
der aber auch meistens -- und das trifft das Ahasverusspiel ganz
besonders -- so niedrig und schmuzig ist, daß hier keine Probe
davon gegeben werden konnte und ein Bruchstück aus dem unter-
geordnetern Mechirat Joseph ausreichen mußte, welches sich unter
Nr. 15 in den Proben aus der jüdischdeutschen Literatur befindet.
Schon in diesen Volkskomödien sieht man, daß die jüdischdeutsche
Sprache einen überaus großen Reichthum an volksthümlichen
Redensarten und Sprichwörtern besitzt, in welchen Laune, Humor,
Witz, Spott und Satire bis zum Uebersprudeln sich bewegen. Man
hat kaum eine Vorstellung von diesem üppigen Reichthum, wel-
cher seine Fülle schon längst sogar in die deutsche Volkssprache hat
strömen lassen und dieser eine kaum geahnte Bereicherung an
scheinbar deutsch-originellen Ausdrücken verliehen hat. So z. B.

1) Die bisjetzt bekannt gewordenen Purimspiele sind:
"[fremdsprachliches Material], Ahasverusspiel, genannt Commödie des Königs Ahasver
und der Königin Esther" (Frankfurt 1708; scheint aber viel älter zu sein).
"[fremdsprachliches Material], Acta Esther Ahasverus, welche die Studirenden
in Prag vor den Fürsten auf der Bühne, die man Tariatrum (Theatrum)
nennt, aufführten" (Prag 1720).
"[fremdsprachliches Material], Action von König David und Goliath dem Philister" (Hanau,
ohne Jahrzahl).
"[fremdsprachliches Material], Mechirat Joseph (Verkauf Joseph's), durch den Jüngling
Löw Ginzburg, d. i. zu teutsch "Komödie" genannte Spiel benannten Jnhalts"
(Frankfurt, ohne Jahrzahl).
Diese Purimspiele sind äußerst selten geworden. Das Ahasverusspiel wurde
von den frankfurter Juden (gewiß wegen seiner obscönen Haltung und der Herab-
würdigung besonders des Mardochai) verboten und verbrannt. Doch hat Schudt
dies höchst interessante Purimspiel noch gerettet, indem er es in seinen "Jüdi-
schen Merkwürdigkeiten", III, 202--225, mit der Mechirat Joseph (ebendas.
S. 226--327) abdrucken ließ.
Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 27

Dagegen paßt das Jüdiſchdeutſche für die burleske Darſtel-
lung, niedrige Volkskomik und Farce ganz vorzüglich, weil die
Buntſcheckigkeit der ſprachlichen Form der kecken Laune des frei
umherſchweifenden Gedankens ein willkommenes groteskes Gewand
darbietet und ihr noch immer größere Lebendigkeit verleiht. Jn dieſer
Beziehung enthalten die meiſtens verſificirten und gereimten Purim-
ſpiele 1), beſonders das Ahasverusſpiel, ſehr viel Witz und Humor,
der aber auch meiſtens — und das trifft das Ahasverusſpiel ganz
beſonders — ſo niedrig und ſchmuzig iſt, daß hier keine Probe
davon gegeben werden konnte und ein Bruchſtück aus dem unter-
geordnetern Mechirat Joseph ausreichen mußte, welches ſich unter
Nr. 15 in den Proben aus der jüdiſchdeutſchen Literatur befindet.
Schon in dieſen Volkskomödien ſieht man, daß die jüdiſchdeutſche
Sprache einen überaus großen Reichthum an volksthümlichen
Redensarten und Sprichwörtern beſitzt, in welchen Laune, Humor,
Witz, Spott und Satire bis zum Ueberſprudeln ſich bewegen. Man
hat kaum eine Vorſtellung von dieſem üppigen Reichthum, wel-
cher ſeine Fülle ſchon längſt ſogar in die deutſche Volksſprache hat
ſtrömen laſſen und dieſer eine kaum geahnte Bereicherung an
ſcheinbar deutſch-originellen Ausdrücken verliehen hat. So z. B.

1) Die bisjetzt bekannt gewordenen Purimſpiele ſind:
[fremdsprachliches Material], Ahasverusſpiel, genannt Commödie des Königs Ahasver
und der Königin Eſther“ (Frankfurt 1708; ſcheint aber viel älter zu ſein).
[fremdsprachliches Material], Acta Eſther Ahasverus, welche die Studirenden
in Prag vor den Fürſten auf der Bühne, die man Tariatrum (Theatrum)
nennt, aufführten“ (Prag 1720).
[fremdsprachliches Material], Action von König David und Goliath dem Philiſter“ (Hanau,
ohne Jahrzahl).
[fremdsprachliches Material], Mechirat Joseph (Verkauf Joſeph’s), durch den Jüngling
Löw Ginzburg, d. i. zu teutſch «Komödie» genannte Spiel benannten Jnhalts“
(Frankfurt, ohne Jahrzahl).
Dieſe Purimſpiele ſind äußerſt ſelten geworden. Das Ahasverusſpiel wurde
von den frankfurter Juden (gewiß wegen ſeiner obſcönen Haltung und der Herab-
würdigung beſonders des Mardochai) verboten und verbrannt. Doch hat Schudt
dies höchſt intereſſante Purimſpiel noch gerettet, indem er es in ſeinen „Jüdi-
ſchen Merkwürdigkeiten“, III, 202—225, mit der Mechirat Joseph (ebendaſ.
S. 226—327) abdrucken ließ.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 27
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[417/0451] Dagegen paßt das Jüdiſchdeutſche für die burleske Darſtel- lung, niedrige Volkskomik und Farce ganz vorzüglich, weil die Buntſcheckigkeit der ſprachlichen Form der kecken Laune des frei umherſchweifenden Gedankens ein willkommenes groteskes Gewand darbietet und ihr noch immer größere Lebendigkeit verleiht. Jn dieſer Beziehung enthalten die meiſtens verſificirten und gereimten Purim- ſpiele 1), beſonders das Ahasverusſpiel, ſehr viel Witz und Humor, der aber auch meiſtens — und das trifft das Ahasverusſpiel ganz beſonders — ſo niedrig und ſchmuzig iſt, daß hier keine Probe davon gegeben werden konnte und ein Bruchſtück aus dem unter- geordnetern Mechirat Joseph ausreichen mußte, welches ſich unter Nr. 15 in den Proben aus der jüdiſchdeutſchen Literatur befindet. Schon in dieſen Volkskomödien ſieht man, daß die jüdiſchdeutſche Sprache einen überaus großen Reichthum an volksthümlichen Redensarten und Sprichwörtern beſitzt, in welchen Laune, Humor, Witz, Spott und Satire bis zum Ueberſprudeln ſich bewegen. Man hat kaum eine Vorſtellung von dieſem üppigen Reichthum, wel- cher ſeine Fülle ſchon längſt ſogar in die deutſche Volksſprache hat ſtrömen laſſen und dieſer eine kaum geahnte Bereicherung an ſcheinbar deutſch-originellen Ausdrücken verliehen hat. So z. B. 1) Die bisjetzt bekannt gewordenen Purimſpiele ſind: „_ , Ahasverusſpiel, genannt Commödie des Königs Ahasver und der Königin Eſther“ (Frankfurt 1708; ſcheint aber viel älter zu ſein). „_ , Acta Eſther Ahasverus, welche die Studirenden in Prag vor den Fürſten auf der Bühne, die man Tariatrum (Theatrum) nennt, aufführten“ (Prag 1720). „_ , Action von König David und Goliath dem Philiſter“ (Hanau, ohne Jahrzahl). „_ , Mechirat Joseph (Verkauf Joſeph’s), durch den Jüngling Löw Ginzburg, d. i. zu teutſch «Komödie» genannte Spiel benannten Jnhalts“ (Frankfurt, ohne Jahrzahl). Dieſe Purimſpiele ſind äußerſt ſelten geworden. Das Ahasverusſpiel wurde von den frankfurter Juden (gewiß wegen ſeiner obſcönen Haltung und der Herab- würdigung beſonders des Mardochai) verboten und verbrannt. Doch hat Schudt dies höchſt intereſſante Purimſpiel noch gerettet, indem er es in ſeinen „Jüdi- ſchen Merkwürdigkeiten“, III, 202—225, mit der Mechirat Joseph (ebendaſ. S. 226—327) abdrucken ließ. Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 27

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/451>, abgerufen am 25.11.2024.