und Punkte verborgen liegenden Geheimnisse mitgetheilt und ihn belehrt, wie man durch Versetzung der Buchstaben in der Heiligen Schrift, welche durchaus aus den unzähligen verschiedenen gött- lichen Namen zusammengesetzt ist, wenn man seine Gedanken dar- auf richtet (welches [fremdsprachliches Material], kavanoth, heißt), in den himmlischen Regionen verschiedene Wirkungen und Veränderungen nach Will- kür hervorzubringen im Stande ist.
Jn Bezug auf diese Voraussetzung lehrt die symbolische Kab- bala, wie man den von Gott in diese Schriften gelegten gehei- men Sinn entziffern kann. Das geschieht entweder durch Gema- tria, [fremdsprachliches Material], oder Notarikon, [fremdsprachliches Material], oder Themurah, [fremdsprachliches Material]. 1) Den Beweis hierzu liefern die Kabbalisten aus dem Hohen Liede, woselbst Salomon (Kap. 6, V. 17) sagt: Zum Nußgarten stieg ich hinab ([fremdsprachliches Material]). Hiermit wollte er andeuten, daß er in den Lustgarten ([fremdsprachliches Material]) der Kabbala eingedrungen ist, in- dem das Wort Garten im Hebräischen [fremdsprachliches Material], ginath, heißt und dieses Wort die Anfangsbuchstaben von Gematria, Notarikon und Themurah enthält.
Die Gematria2) ist entweder arithmetisch oder figurativ. Die arithmetische Gematria besteht darin, daß man die Buchstaben eines Worts als Zahlen annimmt und dafür zur Erklärung des Textes ein anderes Wort von gleichem Zahleninhalt substituirt. So ist z. B. das Wort [fremdsprachliches Material], Messias, gleichzählig (nämlich 358) mit dem Worte [fremdsprachliches Material], nachasch, Schlange, worunter der Satan verstanden wird, der unter dem Bilde der Schlange die Eva zur Sünde gereizt und den Tod in die Welt gebracht hat. 3) Die Gleichzähligkeit dieser beiden Wörter entdeckt das Geheimniß, daß der Messias dieser Schlange bei seiner Ankunft den Kopf zertreten und daher die Sünde mit ihrer Folge, nämlich dem Tod, ver-
1) Auch der Talmud bedient sich oft dieser Erklärungsart, besonders in den Hagadoth. Vgl. Talmud, Tract. Makoth, und an mehrern Stellen.
2) Eigentlich Geometrie. Die Talmudisten und Kabbalisten verstehen un- ter diesem Ausdruck die Zahlenlehre überhaupt nach allen ihren Modalitäten.
3) Vgl. auch unten in den Proben jüdischdeutscher Literatur Nr. 8: Rabbi Eliesar, der Raukeach von Worms.
und Punkte verborgen liegenden Geheimniſſe mitgetheilt und ihn belehrt, wie man durch Verſetzung der Buchſtaben in der Heiligen Schrift, welche durchaus aus den unzähligen verſchiedenen gött- lichen Namen zuſammengeſetzt iſt, wenn man ſeine Gedanken dar- auf richtet (welches [fremdsprachliches Material], kavanoth, heißt), in den himmliſchen Regionen verſchiedene Wirkungen und Veränderungen nach Will- kür hervorzubringen im Stande iſt.
Jn Bezug auf dieſe Vorausſetzung lehrt die ſymboliſche Kab- bala, wie man den von Gott in dieſe Schriften gelegten gehei- men Sinn entziffern kann. Das geſchieht entweder durch Gema- tria, [fremdsprachliches Material], oder Notarikon, [fremdsprachliches Material], oder Themurah, [fremdsprachliches Material]. 1) Den Beweis hierzu liefern die Kabbaliſten aus dem Hohen Liede, woſelbſt Salomon (Kap. 6, V. 17) ſagt: Zum Nußgarten ſtieg ich hinab ([fremdsprachliches Material]). Hiermit wollte er andeuten, daß er in den Luſtgarten ([fremdsprachliches Material]) der Kabbala eingedrungen iſt, in- dem das Wort Garten im Hebräiſchen [fremdsprachliches Material], ginath, heißt und dieſes Wort die Anfangsbuchſtaben von Gematria, Notarikon und Themurah enthält.
Die Gematria2) iſt entweder arithmetiſch oder figurativ. Die arithmetiſche Gematria beſteht darin, daß man die Buchſtaben eines Worts als Zahlen annimmt und dafür zur Erklärung des Textes ein anderes Wort von gleichem Zahleninhalt ſubſtituirt. So iſt z. B. das Wort [fremdsprachliches Material], Meſſias, gleichzählig (nämlich 358) mit dem Worte [fremdsprachliches Material], nachasch, Schlange, worunter der Satan verſtanden wird, der unter dem Bilde der Schlange die Eva zur Sünde gereizt und den Tod in die Welt gebracht hat. 3) Die Gleichzähligkeit dieſer beiden Wörter entdeckt das Geheimniß, daß der Meſſias dieſer Schlange bei ſeiner Ankunft den Kopf zertreten und daher die Sünde mit ihrer Folge, nämlich dem Tod, ver-
1) Auch der Talmud bedient ſich oft dieſer Erklärungsart, beſonders in den Hagadoth. Vgl. Talmud, Tract. Makoth, und an mehrern Stellen.
2) Eigentlich Geometrie. Die Talmudiſten und Kabbaliſten verſtehen un- ter dieſem Ausdruck die Zahlenlehre überhaupt nach allen ihren Modalitäten.
3) Vgl. auch unten in den Proben jüdiſchdeutſcher Literatur Nr. 8: Rabbi Elieſar, der Raukeach von Worms.
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Regionen verſchiedene Wirkungen und Veränderungen nach Will-
kür hervorzubringen im Stande iſt.
Jn Bezug auf dieſe Vorausſetzung lehrt die ſymboliſche Kab-
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Den Beweis hierzu liefern die Kabbaliſten aus dem Hohen Liede,
woſelbſt Salomon (Kap. 6, V. 17) ſagt: Zum Nußgarten ſtieg
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dem das Wort Garten im Hebräiſchen _ , ginath, heißt und
dieſes Wort die Anfangsbuchſtaben von Gematria, Notarikon und
Themurah enthält.
Die Gematria 2) iſt entweder arithmetiſch oder figurativ.
Die arithmetiſche Gematria beſteht darin, daß man die Buchſtaben
eines Worts als Zahlen annimmt und dafür zur Erklärung des
Textes ein anderes Wort von gleichem Zahleninhalt ſubſtituirt.
So iſt z. B. das Wort _ , Meſſias, gleichzählig (nämlich 358)
mit dem Worte _ , nachasch, Schlange, worunter der Satan
verſtanden wird, der unter dem Bilde der Schlange die Eva zur
Sünde gereizt und den Tod in die Welt gebracht hat. 3) Die
Gleichzähligkeit dieſer beiden Wörter entdeckt das Geheimniß, daß
der Meſſias dieſer Schlange bei ſeiner Ankunft den Kopf zertreten
und daher die Sünde mit ihrer Folge, nämlich dem Tod, ver-
1) Auch der Talmud bedient ſich oft dieſer Erklärungsart, beſonders in
den Hagadoth. Vgl. Talmud, Tract. Makoth, und an mehrern Stellen.
2) Eigentlich Geometrie. Die Talmudiſten und Kabbaliſten verſtehen un-
ter dieſem Ausdruck die Zahlenlehre überhaupt nach allen ihren Modalitäten.
3) Vgl. auch unten in den Proben jüdiſchdeutſcher Literatur Nr. 8: Rabbi
Elieſar, der Raukeach von Worms.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/425>, abgerufen am 22.11.2024.
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