Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.Grammatiker fassen die mannichfaltigen deutschen Mundarten unter Diese allgemeinen grammatisch statuirten Unterscheidungen 1) Becker, a. a. O., S. 55. 2) Vgl. A. Marahrens, "Grammatik der plattdeutschen Sprache. Zur
Würdigung, zur Kunde des Charakters und zum richtigen Verständniß dersel- ben" (Altona 1858), S. 9; sowie die sehr bedeutende Schrift von J. Wiggers, "Grammatik der plattdeutschen Sprache. Jn Grundlage der mecklenburgisch- vorpommerschen Mundart" (zweite Auflage, Hamburg 1858). Zu bedauern ist, daß der gewandte, scharfsinnige Verfasser auf dem einseitigen Boden der mecklen- burgisch-vorpommerschen Mundart stehen geblieben und daher weder allverständ- lich noch erschöpfend ist. Die trefflichsten, wenn auch nur aphoristischen Be- merkungen über das Niederdeutsche hat noch immer der wackere Michael Richey in seinem "Idioticon Hamburgense" (Hamburg 1754), S. 375--404 unter Grammatiker faſſen die mannichfaltigen deutſchen Mundarten unter Dieſe allgemeinen grammatiſch ſtatuirten Unterſcheidungen 1) Becker, a. a. O., S. 55. 2) Vgl. A. Marahrens, „Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Zur
Würdigung, zur Kunde des Charakters und zum richtigen Verſtändniß derſel- ben“ (Altona 1858), S. 9; ſowie die ſehr bedeutende Schrift von J. Wiggers, „Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Jn Grundlage der mecklenburgiſch- vorpommerſchen Mundart“ (zweite Auflage, Hamburg 1858). Zu bedauern iſt, daß der gewandte, ſcharfſinnige Verfaſſer auf dem einſeitigen Boden der mecklen- burgiſch-vorpommerſchen Mundart ſtehen geblieben und daher weder allverſtänd- lich noch erſchöpfend iſt. Die trefflichſten, wenn auch nur aphoriſtiſchen Be- merkungen über das Niederdeutſche hat noch immer der wackere Michael Richey in ſeinem „Idioticon Hamburgense“ (Hamburg 1754), S. 375—404 unter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0041" n="7"/> Grammatiker faſſen die mannichfaltigen deutſchen Mundarten unter<lb/> zwei Hauptmundarten zuſammen, die <hi rendition="#g">oberdeutſche</hi> und die<lb/><hi rendition="#g">niederdeutſche,</hi> und unterſcheiden beide gewiſſermaßen als Ge-<lb/> genſätze, indem ſie dieſe Hauptmundarten ſo charakteriſiren: daß<lb/> die oberdeutſche Mundart mehr lange Vocale und Doppellaute,<lb/> die niederdeutſche hingegen mehr kurze und einfache Vocale liebt;<lb/> daß die oberdeutſche Mundart entſchiedene Vorliebe für die aſpi-<lb/> rirten Conſonanten (f, pf, ch, th) und für das <hi rendition="#b">ſch, ß</hi> und <hi rendition="#b">z</hi> hat;<lb/> daß das dem Oberdeutſchen vorzüglich eigene Augment dem Nie-<lb/> derdeutſchen faſt gänzlich fehlt; daß die oberdeutſche Mundart die<lb/> tonloſe Endung <hi rendition="#b">e</hi> abwirft, die ſich in der niederdeutſchen erhalten<lb/> hat; daß die oberdeutſche Mundart die tonloſen Endungen mit<lb/> dem Stamm gern in <hi rendition="#g">eine</hi> Silbe zuſammenzieht und eine beſon-<lb/> dere Vorliebe für die vollen halbtonigen Endungen (<hi rendition="#g">ſam, bar,<lb/> haft, heit, keit, ung, niß, ſal</hi>) hat, welche für ſich und be-<lb/> ſonders in der Flexion dem Worte einen weniger guten Rhythmus<lb/> geben als die tonloſen Endungen, wie denn überhaupt die Wort-<lb/> formen der oberdeutſchen Mundart weniger rhythmiſch ſind als die<lb/> niederdeutſchen. <note place="foot" n="1)">Becker, a. a. O., S. 55.</note></p><lb/> <p>Dieſe allgemeinen grammatiſch ſtatuirten Unterſcheidungen<lb/> muß man gelten laſſen, obwol der Polizeimann — wenn auch<lb/> Laie in der grammatiſchen Forſchung — ſich ſehr nach genauerer<lb/> Unterſcheidung und Beſtimmtheit ſehnt, wenn er, immitten des<lb/> über 3000 Quadratmeilen großen Sprachgebiets der von nahezu<lb/> 16 Millionen Bewohnern <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="2)">Vgl. A. Marahrens, „Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Zur<lb/> Würdigung, zur Kunde des Charakters und zum richtigen Verſtändniß derſel-<lb/> ben“ (Altona 1858), S. 9; ſowie die ſehr bedeutende Schrift von J. Wiggers,<lb/> „Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Jn Grundlage der mecklenburgiſch-<lb/> vorpommerſchen Mundart“ (zweite Auflage, Hamburg 1858). Zu bedauern iſt,<lb/> daß der gewandte, ſcharfſinnige Verfaſſer auf dem einſeitigen Boden der mecklen-<lb/> burgiſch-vorpommerſchen Mundart ſtehen geblieben und daher weder allverſtänd-<lb/> lich noch erſchöpfend iſt. Die trefflichſten, wenn auch nur aphoriſtiſchen Be-<lb/> merkungen über das Niederdeutſche hat noch immer der wackere Michael Richey<lb/> in ſeinem „<hi rendition="#aq">Idioticon Hamburgense</hi>“ (Hamburg 1754), S. 375—404 unter</note> geſprochenen niederdeutſchen Mundart,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0041]
Grammatiker faſſen die mannichfaltigen deutſchen Mundarten unter
zwei Hauptmundarten zuſammen, die oberdeutſche und die
niederdeutſche, und unterſcheiden beide gewiſſermaßen als Ge-
genſätze, indem ſie dieſe Hauptmundarten ſo charakteriſiren: daß
die oberdeutſche Mundart mehr lange Vocale und Doppellaute,
die niederdeutſche hingegen mehr kurze und einfache Vocale liebt;
daß die oberdeutſche Mundart entſchiedene Vorliebe für die aſpi-
rirten Conſonanten (f, pf, ch, th) und für das ſch, ß und z hat;
daß das dem Oberdeutſchen vorzüglich eigene Augment dem Nie-
derdeutſchen faſt gänzlich fehlt; daß die oberdeutſche Mundart die
tonloſe Endung e abwirft, die ſich in der niederdeutſchen erhalten
hat; daß die oberdeutſche Mundart die tonloſen Endungen mit
dem Stamm gern in eine Silbe zuſammenzieht und eine beſon-
dere Vorliebe für die vollen halbtonigen Endungen (ſam, bar,
haft, heit, keit, ung, niß, ſal) hat, welche für ſich und be-
ſonders in der Flexion dem Worte einen weniger guten Rhythmus
geben als die tonloſen Endungen, wie denn überhaupt die Wort-
formen der oberdeutſchen Mundart weniger rhythmiſch ſind als die
niederdeutſchen. 1)
Dieſe allgemeinen grammatiſch ſtatuirten Unterſcheidungen
muß man gelten laſſen, obwol der Polizeimann — wenn auch
Laie in der grammatiſchen Forſchung — ſich ſehr nach genauerer
Unterſcheidung und Beſtimmtheit ſehnt, wenn er, immitten des
über 3000 Quadratmeilen großen Sprachgebiets der von nahezu
16 Millionen Bewohnern 2) geſprochenen niederdeutſchen Mundart,
1) Becker, a. a. O., S. 55.
2) Vgl. A. Marahrens, „Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Zur
Würdigung, zur Kunde des Charakters und zum richtigen Verſtändniß derſel-
ben“ (Altona 1858), S. 9; ſowie die ſehr bedeutende Schrift von J. Wiggers,
„Grammatik der plattdeutſchen Sprache. Jn Grundlage der mecklenburgiſch-
vorpommerſchen Mundart“ (zweite Auflage, Hamburg 1858). Zu bedauern iſt,
daß der gewandte, ſcharfſinnige Verfaſſer auf dem einſeitigen Boden der mecklen-
burgiſch-vorpommerſchen Mundart ſtehen geblieben und daher weder allverſtänd-
lich noch erſchöpfend iſt. Die trefflichſten, wenn auch nur aphoriſtiſchen Be-
merkungen über das Niederdeutſche hat noch immer der wackere Michael Richey
in ſeinem „Idioticon Hamburgense“ (Hamburg 1754), S. 375—404 unter
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