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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Gelehrter eine neue Ausgabe desselben baldmöglichst veranstalten
möge. 1)



Siebzigstes Kapitel.
g. Die Jnschrift im Stephansdom zu Wien.

Gerade hier bei Vulcanius mag die nicht leicht anders ge-
botene Gelegenheit benutzt werden, des besonders in Norddeutsch-
land verbreiteten Jrrthums zu erwähnen, daß nämlich im Ste-
phansdom zu Wien eine Jnschrift auf Stein sich befinde, welche
althebräische Münzschriftbuchstaben, nach andern Versionen sogar
Currentschriftbuchstaben enthalte. Dieser ganze Mythus, bei welchem
wie gewöhnlich Unwissenheit hinter Geheimthuerei sich versteckt,
reducirt sich auf eine lateinische Grabschrift, welche man in Hor-
mayr's "Wien", zweiter Jahrg., Bd. I (d. h. dem sechsten des
ganzen Werks), Heft 1, beschrieben und in einem beigegebenen
Kupferstich abgebildet findet. 2) Jn der angeführten Stelle ist
S. 133 die Rede von der Eingangshalle neben der sogenannten
Eugenischen oder Kreuzkapelle, dem Bischofshofe gegenüber. "An
derjenigen Wand", heißt es, "welche dem von außen Eintretenden

1) Nur ein Zufall brachte den Vulcanius in meine Hände. Es galt mir,
die bei Pott, a. a. O., I, 6, erwähnten 57 (58) Gaunervocabeln zu prüfen,
über deren Originalität Zweifel war. Nur erst durch Begünstigung des Hohen
Cultusministeriums zu Berlin wurde mir von Halle der Vulcanius geschickt,
bei dessen erstem Anblick der Syriasmus der Lombardischen Noten sogleich frap-
pant in die Augen fiel. Das hallesche Exemplar hat stark durch Wurmfraß
gelitten und dürfte kaum weiter auswärts verliehen werden können. Erst im
März 1860 glückte es mir, selbst ein außerordentlich gut erhaltenes Exemplar
des Vulcanius antiquarisch zu erwerben, nachdem ich mir vier Jahre vorher
den Vulcanius selbst ganz copirt und die vielen Holzschnitte nach dem halleschen
Exemplar durchgezeichnet hatte.
2) Jch verdanke diese Mittheilung, gleich manchen andern sehr schätzens-
werthen, meinem geistreichen unermüdlichen Freunde, Hrn. Fidelis Chevalier in
Wien, welcher bei seiner genauen Kenntniß und richtigen Auffassung der wiener
Verhältnisse mich auch hier sofort belehren und mir die Abbildung des pracht-
vollen Portals, an dessen Seite sich die Jnschrift befindet, zusenden konnte.

Gelehrter eine neue Ausgabe deſſelben baldmöglichſt veranſtalten
möge. 1)



Siebzigſtes Kapitel.
γ. Die Jnſchrift im Stephansdom zu Wien.

Gerade hier bei Vulcanius mag die nicht leicht anders ge-
botene Gelegenheit benutzt werden, des beſonders in Norddeutſch-
land verbreiteten Jrrthums zu erwähnen, daß nämlich im Ste-
phansdom zu Wien eine Jnſchrift auf Stein ſich befinde, welche
althebräiſche Münzſchriftbuchſtaben, nach andern Verſionen ſogar
Currentſchriftbuchſtaben enthalte. Dieſer ganze Mythus, bei welchem
wie gewöhnlich Unwiſſenheit hinter Geheimthuerei ſich verſteckt,
reducirt ſich auf eine lateiniſche Grabſchrift, welche man in Hor-
mayr’s „Wien“, zweiter Jahrg., Bd. I (d. h. dem ſechsten des
ganzen Werks), Heft 1, beſchrieben und in einem beigegebenen
Kupferſtich abgebildet findet. 2) Jn der angeführten Stelle iſt
S. 133 die Rede von der Eingangshalle neben der ſogenannten
Eugeniſchen oder Kreuzkapelle, dem Biſchofshofe gegenüber. „An
derjenigen Wand“, heißt es, „welche dem von außen Eintretenden

1) Nur ein Zufall brachte den Vulcanius in meine Hände. Es galt mir,
die bei Pott, a. a. O., I, 6, erwähnten 57 (58) Gaunervocabeln zu prüfen,
über deren Originalität Zweifel war. Nur erſt durch Begünſtigung des Hohen
Cultusminiſteriums zu Berlin wurde mir von Halle der Vulcanius geſchickt,
bei deſſen erſtem Anblick der Syriasmus der Lombardiſchen Noten ſogleich frap-
pant in die Augen fiel. Das halleſche Exemplar hat ſtark durch Wurmfraß
gelitten und dürfte kaum weiter auswärts verliehen werden können. Erſt im
März 1860 glückte es mir, ſelbſt ein außerordentlich gut erhaltenes Exemplar
des Vulcanius antiquariſch zu erwerben, nachdem ich mir vier Jahre vorher
den Vulcanius ſelbſt ganz copirt und die vielen Holzſchnitte nach dem halleſchen
Exemplar durchgezeichnet hatte.
2) Jch verdanke dieſe Mittheilung, gleich manchen andern ſehr ſchätzens-
werthen, meinem geiſtreichen unermüdlichen Freunde, Hrn. Fidelis Chevalier in
Wien, welcher bei ſeiner genauen Kenntniß und richtigen Auffaſſung der wiener
Verhältniſſe mich auch hier ſofort belehren und mir die Abbildung des pracht-
vollen Portals, an deſſen Seite ſich die Jnſchrift befindet, zuſenden konnte.
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[349/0383] Gelehrter eine neue Ausgabe deſſelben baldmöglichſt veranſtalten möge. 1) Siebzigſtes Kapitel. γ. Die Jnſchrift im Stephansdom zu Wien. Gerade hier bei Vulcanius mag die nicht leicht anders ge- botene Gelegenheit benutzt werden, des beſonders in Norddeutſch- land verbreiteten Jrrthums zu erwähnen, daß nämlich im Ste- phansdom zu Wien eine Jnſchrift auf Stein ſich befinde, welche althebräiſche Münzſchriftbuchſtaben, nach andern Verſionen ſogar Currentſchriftbuchſtaben enthalte. Dieſer ganze Mythus, bei welchem wie gewöhnlich Unwiſſenheit hinter Geheimthuerei ſich verſteckt, reducirt ſich auf eine lateiniſche Grabſchrift, welche man in Hor- mayr’s „Wien“, zweiter Jahrg., Bd. I (d. h. dem ſechsten des ganzen Werks), Heft 1, beſchrieben und in einem beigegebenen Kupferſtich abgebildet findet. 2) Jn der angeführten Stelle iſt S. 133 die Rede von der Eingangshalle neben der ſogenannten Eugeniſchen oder Kreuzkapelle, dem Biſchofshofe gegenüber. „An derjenigen Wand“, heißt es, „welche dem von außen Eintretenden 1) Nur ein Zufall brachte den Vulcanius in meine Hände. Es galt mir, die bei Pott, a. a. O., I, 6, erwähnten 57 (58) Gaunervocabeln zu prüfen, über deren Originalität Zweifel war. Nur erſt durch Begünſtigung des Hohen Cultusminiſteriums zu Berlin wurde mir von Halle der Vulcanius geſchickt, bei deſſen erſtem Anblick der Syriasmus der Lombardiſchen Noten ſogleich frap- pant in die Augen fiel. Das halleſche Exemplar hat ſtark durch Wurmfraß gelitten und dürfte kaum weiter auswärts verliehen werden können. Erſt im März 1860 glückte es mir, ſelbſt ein außerordentlich gut erhaltenes Exemplar des Vulcanius antiquariſch zu erwerben, nachdem ich mir vier Jahre vorher den Vulcanius ſelbſt ganz copirt und die vielen Holzſchnitte nach dem halleſchen Exemplar durchgezeichnet hatte. 2) Jch verdanke dieſe Mittheilung, gleich manchen andern ſehr ſchätzens- werthen, meinem geiſtreichen unermüdlichen Freunde, Hrn. Fidelis Chevalier in Wien, welcher bei ſeiner genauen Kenntniß und richtigen Auffaſſung der wiener Verhältniſſe mich auch hier ſofort belehren und mir die Abbildung des pracht- vollen Portals, an deſſen Seite ſich die Jnſchrift befindet, zuſenden konnte.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/383>, abgerufen am 25.11.2024.