dem folgenden [fremdsprachliches Material] die ganze Unterscheidung des [fremdsprachliches Material] als einfachen Hauptvocalsu und als verdichteten Vocals o nach dem Spiranten [fremdsprachliches Material] gänzlich aufhob.
Mit diesem Hinblick auf den verschütteten Boden des dem althochdeutschen Vocalismus durchaus nachstrebenden jüdischdeut- schen Vocalismus tritt auch der jüdischdeutsche Diphthongismus in seiner großen Einfachheit und Verständlichkeit um so klarer hervor und läßt in seiner Analyse erkennen, wie in den Grund- stoffen seiner Vocaltheile die Fähigkeit vorhanden war, alle alt- hochdeutschen vocalischen und diphthongischen Modulationen mit seinen einfachen jüdischdeutschen Typen wiederzugeben, ohne darum hölzern und unbehülflich zu erscheinen.
Somit sieht man aber auch schon jetzt, was es mit den an- geblichen verschiedenen jüdischdeutschen Dialekten auf sich hat, und wie unklar und falsch die ohnehin niemals fest gegebene Eintheilung in die polnische, mährische, sächsische, bairi- sche, schwäbische, hessische, ja sogar Reichs-Mundart u. s. w. ist, welche man in ganz falscher Rücksicht auf die aller- dings voneinander abweichende portugiesische und deutsche Aus- sprache des Hebräischen weniger zu begründen als völlig schwach und gehaltlos anzudeuten gewagt hat. Will man eine Ein- theilung nach Mundarten, so kann man immer nur auf eine oberdeutsche und eine -- den norddeutschen Juden wunderbar geläufige -- niederdeutsche ganz allgemein zurückkommen, welche beide Mundarten, besonders mit den im jüdischen religiösen Cultus stets geübten eigenthümlichen hebräischen Kehllauten ver- mischt und mit den vielen Modulationen ihres Vocalismus und Consonantismus sich gegenseitig berührend und bereichernd, der Aussprache der Juden jene eigenthümliche Weise verliehen haben, gegen deren geschärfte Accentuation die provinzielle Aussprache sich überall nur schwach und schüchtern geltend machen kann. 1)
1) So macht z. B. Friedrich S. 48 seines "Unterrichts" (s. oben) eine Eintheilung, deren Haltlosigkeit man schon bei dem flüchtigsten Anblick er- kennt. Er unterscheidet "eine verschiedene Aussprache bei den Juden, welche 1) im ganzen Königreich Preussen (die im Halberstädtischen wohnen aus-
dem folgenden [fremdsprachliches Material] die ganze Unterſcheidung des [fremdsprachliches Material] als einfachen Hauptvocalsu und als verdichteten Vocals o nach dem Spiranten [fremdsprachliches Material] gänzlich aufhob.
Mit dieſem Hinblick auf den verſchütteten Boden des dem althochdeutſchen Vocalismus durchaus nachſtrebenden jüdiſchdeut- ſchen Vocalismus tritt auch der jüdiſchdeutſche Diphthongismus in ſeiner großen Einfachheit und Verſtändlichkeit um ſo klarer hervor und läßt in ſeiner Analyſe erkennen, wie in den Grund- ſtoffen ſeiner Vocaltheile die Fähigkeit vorhanden war, alle alt- hochdeutſchen vocaliſchen und diphthongiſchen Modulationen mit ſeinen einfachen jüdiſchdeutſchen Typen wiederzugeben, ohne darum hölzern und unbehülflich zu erſcheinen.
Somit ſieht man aber auch ſchon jetzt, was es mit den an- geblichen verſchiedenen jüdiſchdeutſchen Dialekten auf ſich hat, und wie unklar und falſch die ohnehin niemals feſt gegebene Eintheilung in die polniſche, mähriſche, ſächſiſche, bairi- ſche, ſchwäbiſche, heſſiſche, ja ſogar Reichs-Mundart u. ſ. w. iſt, welche man in ganz falſcher Rückſicht auf die aller- dings voneinander abweichende portugieſiſche und deutſche Aus- ſprache des Hebräiſchen weniger zu begründen als völlig ſchwach und gehaltlos anzudeuten gewagt hat. Will man eine Ein- theilung nach Mundarten, ſo kann man immer nur auf eine oberdeutſche und eine — den norddeutſchen Juden wunderbar geläufige — niederdeutſche ganz allgemein zurückkommen, welche beide Mundarten, beſonders mit den im jüdiſchen religiöſen Cultus ſtets geübten eigenthümlichen hebräiſchen Kehllauten ver- miſcht und mit den vielen Modulationen ihres Vocalismus und Conſonantismus ſich gegenſeitig berührend und bereichernd, der Ausſprache der Juden jene eigenthümliche Weiſe verliehen haben, gegen deren geſchärfte Accentuation die provinzielle Ausſprache ſich überall nur ſchwach und ſchüchtern geltend machen kann. 1)
1) So macht z. B. Friedrich S. 48 ſeines „Unterrichts“ (ſ. oben) eine Eintheilung, deren Haltloſigkeit man ſchon bei dem flüchtigſten Anblick er- kennt. Er unterſcheidet „eine verſchiedene Ausſprache bei den Juden, welche 1) im ganzen Königreich Preuſſen (die im Halberſtädtiſchen wohnen aus-
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Mit dieſem Hinblick auf den verſchütteten Boden des dem
althochdeutſchen Vocalismus durchaus nachſtrebenden jüdiſchdeut-
ſchen Vocalismus tritt auch der jüdiſchdeutſche Diphthongismus
in ſeiner großen Einfachheit und Verſtändlichkeit um ſo klarer
hervor und läßt in ſeiner Analyſe erkennen, wie in den Grund-
ſtoffen ſeiner Vocaltheile die Fähigkeit vorhanden war, alle alt-
hochdeutſchen vocaliſchen und diphthongiſchen Modulationen mit
ſeinen einfachen jüdiſchdeutſchen Typen wiederzugeben, ohne darum
hölzern und unbehülflich zu erſcheinen.
Somit ſieht man aber auch ſchon jetzt, was es mit den an-
geblichen verſchiedenen jüdiſchdeutſchen Dialekten auf ſich
hat, und wie unklar und falſch die ohnehin niemals feſt gegebene
Eintheilung in die polniſche, mähriſche, ſächſiſche, bairi-
ſche, ſchwäbiſche, heſſiſche, ja ſogar Reichs-Mundart
u. ſ. w. iſt, welche man in ganz falſcher Rückſicht auf die aller-
dings voneinander abweichende portugieſiſche und deutſche Aus-
ſprache des Hebräiſchen weniger zu begründen als völlig ſchwach
und gehaltlos anzudeuten gewagt hat. Will man eine Ein-
theilung nach Mundarten, ſo kann man immer nur auf eine
oberdeutſche und eine — den norddeutſchen Juden wunderbar
geläufige — niederdeutſche ganz allgemein zurückkommen,
welche beide Mundarten, beſonders mit den im jüdiſchen religiöſen
Cultus ſtets geübten eigenthümlichen hebräiſchen Kehllauten ver-
miſcht und mit den vielen Modulationen ihres Vocalismus und
Conſonantismus ſich gegenſeitig berührend und bereichernd, der
Ausſprache der Juden jene eigenthümliche Weiſe verliehen haben,
gegen deren geſchärfte Accentuation die provinzielle Ausſprache
ſich überall nur ſchwach und ſchüchtern geltend machen kann. 1)
1) So macht z. B. Friedrich S. 48 ſeines „Unterrichts“ (ſ. oben) eine
Eintheilung, deren Haltloſigkeit man ſchon bei dem flüchtigſten Anblick er-
kennt. Er unterſcheidet „eine verſchiedene Ausſprache bei den Juden, welche
1) im ganzen Königreich Preuſſen (die im Halberſtädtiſchen wohnen aus-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/319>, abgerufen am 24.11.2024.
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