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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Die jüdischdeutsche Sprache hat die drei hebräischen Haupt-
vocallautzeichen allein zur Grundlage des jüdischdeutschen Vocalis-
mus genommen und bei dieser Aufnahme ihnen in überraschender
Uebereinstimmung mit dem althochdeutschen Vocalismus eine
solidere Lautbestimmung verliehen, indem es die drei Hauptvocale
so feststellte:
[fremdsprachliches Material] -- a.
[fremdsprachliches Material] -- i.
[fremdsprachliches Material] -- u.

Diese drei reinen Vocale von einfacher Qualität und Quan-
tität reichten jedoch nicht für die ganze Tonleiter der deutschen
Vocallaute aus. Um den Mangel zu ersetzen, stellte die jüdisch-
deutsche Grammatik durch Combinationen ihrer einfachen Vocale
die ihr fehlenden althochdeutschen Vocale, für welche letztere
Sprache eigene Vocalzeichen hatte, durch Analyse der althoch-
deutschen vocalischen Lautbestandtheile her und erreichte dadurch
den Vorrath an Vocallauten, welche das Althochdeutsche besaß.

Um dies zu verdeutlichen, stelle man die drei Vocale a, i,
u
so zusammen:
i -- a -- u[fremdsprachliches Material]
e o

Das e erscheint hier als ein durch a verdichtetes i und das
o als ein durch a verdichtetes u. Beide Vocale e und o sind
daher in ihrem Grundwesen nichts anderes als Diphthonge. Diese
diphthongische Geltung des e und o zeigt sich im Vocalismus
sowol aller semitischen Sprachstämme, als auch mehr oder minder
in den aus dem indogermanischen Stamm auslaufenden Sprachen.
Das ältere Arabisch hat die Vocale e und o noch gar nicht, son-
dern setzt dafür die Diphthonge au und ai, z. B.: [fremdsprachliches Material], arab.
bain, [fremdsprachliches Material], arab. saut. Jm Griechischen ist kaisar; lat. Caesar;
thauma ist ionisch thoma. Jm Lat. ist plaustrum gleich plo-
strum.
1) Jm Französischen lautet ai wie e und au wie o. Das

1) Vgl. Rödiger (Gesenius), "Hebräische Grammatik", 18. Aufl., S. 24.

Die jüdiſchdeutſche Sprache hat die drei hebräiſchen Haupt-
vocallautzeichen allein zur Grundlage des jüdiſchdeutſchen Vocalis-
mus genommen und bei dieſer Aufnahme ihnen in überraſchender
Uebereinſtimmung mit dem althochdeutſchen Vocalismus eine
ſolidere Lautbeſtimmung verliehen, indem es die drei Hauptvocale
ſo feſtſtellte:
[fremdsprachliches Material]a.
[fremdsprachliches Material]i.
[fremdsprachliches Material]u.

Dieſe drei reinen Vocale von einfacher Qualität und Quan-
tität reichten jedoch nicht für die ganze Tonleiter der deutſchen
Vocallaute aus. Um den Mangel zu erſetzen, ſtellte die jüdiſch-
deutſche Grammatik durch Combinationen ihrer einfachen Vocale
die ihr fehlenden althochdeutſchen Vocale, für welche letztere
Sprache eigene Vocalzeichen hatte, durch Analyſe der althoch-
deutſchen vocaliſchen Lautbeſtandtheile her und erreichte dadurch
den Vorrath an Vocallauten, welche das Althochdeutſche beſaß.

Um dies zu verdeutlichen, ſtelle man die drei Vocale a, i,
u
ſo zuſammen:
i — a — u[fremdsprachliches Material]
e o

Das e erſcheint hier als ein durch a verdichtetes i und das
o als ein durch a verdichtetes u. Beide Vocale e und o ſind
daher in ihrem Grundweſen nichts anderes als Diphthonge. Dieſe
diphthongiſche Geltung des e und o zeigt ſich im Vocalismus
ſowol aller ſemitiſchen Sprachſtämme, als auch mehr oder minder
in den aus dem indogermaniſchen Stamm auslaufenden Sprachen.
Das ältere Arabiſch hat die Vocale e und o noch gar nicht, ſon-
dern ſetzt dafür die Diphthonge au und ai, z. B.: [fremdsprachliches Material], arab.
bain, [fremdsprachliches Material], arab. saut. Jm Griechiſchen iſt καῖσαρ; lat. Caesar;
ϑαῦμα iſt ioniſch ϑῶμα. Jm Lat. iſt plaustrum gleich plo-
strum.
1) Jm Franzöſiſchen lautet ai wie e und au wie o. Das

1) Vgl. Rödiger (Geſenius), „Hebräiſche Grammatik“, 18. Aufl., S. 24.
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[279/0313] Die jüdiſchdeutſche Sprache hat die drei hebräiſchen Haupt- vocallautzeichen allein zur Grundlage des jüdiſchdeutſchen Vocalis- mus genommen und bei dieſer Aufnahme ihnen in überraſchender Uebereinſtimmung mit dem althochdeutſchen Vocalismus eine ſolidere Lautbeſtimmung verliehen, indem es die drei Hauptvocale ſo feſtſtellte: _ — a. _ — i. _ — u. Dieſe drei reinen Vocale von einfacher Qualität und Quan- tität reichten jedoch nicht für die ganze Tonleiter der deutſchen Vocallaute aus. Um den Mangel zu erſetzen, ſtellte die jüdiſch- deutſche Grammatik durch Combinationen ihrer einfachen Vocale die ihr fehlenden althochdeutſchen Vocale, für welche letztere Sprache eigene Vocalzeichen hatte, durch Analyſe der althoch- deutſchen vocaliſchen Lautbeſtandtheile her und erreichte dadurch den Vorrath an Vocallauten, welche das Althochdeutſche beſaß. Um dies zu verdeutlichen, ſtelle man die drei Vocale a, i, u ſo zuſammen: i — a — u_ e o Das e erſcheint hier als ein durch a verdichtetes i und das o als ein durch a verdichtetes u. Beide Vocale e und o ſind daher in ihrem Grundweſen nichts anderes als Diphthonge. Dieſe diphthongiſche Geltung des e und o zeigt ſich im Vocalismus ſowol aller ſemitiſchen Sprachſtämme, als auch mehr oder minder in den aus dem indogermaniſchen Stamm auslaufenden Sprachen. Das ältere Arabiſch hat die Vocale e und o noch gar nicht, ſon- dern ſetzt dafür die Diphthonge au und ai, z. B.: _ , arab. bain, _ , arab. saut. Jm Griechiſchen iſt καῖσαρ; lat. Caesar; ϑαῦμα iſt ioniſch ϑῶμα. Jm Lat. iſt plaustrum gleich plo- strum. 1) Jm Franzöſiſchen lautet ai wie e und au wie o. Das 1) Vgl. Rödiger (Geſenius), „Hebräiſche Grammatik“, 18. Aufl., S. 24.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/313>, abgerufen am 24.11.2024.