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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Judenmission. Die ganze "Gloria Christi" ist eine matte, breite
Polemik, in welcher die Herrlichkeit des Christenglaubens in seiner
gewaltigen Kraft und seiner überzeugenden einfachen Wahrheit
durch den gesuchten Prunk eitler, steifer Gelehrsamkeit eher ab-
geschwächt als gehoben wird. Dazu schreibt Calvör in einem un-
beholfenen, ungleichen, affectirten und incorrecten Judendeutsch.
Diesem Judendeutsch gegenüber hat er durch das ganze Werk mit
eitler Ostentation auch eine reindeutsche Uebersetzung für Nicht-
juden gegeben, welche den Umfang des schwülstigen Werkes ab-
schreckend vergrößert. Mit so schlimmen innern und äußern Män-
geln war es ein eitles Beginnen, dem Jahrhunderte hindurch
verfolgten und gemarterten Judenthum auf seinem eigenen Gebiete
zu begegnen, in der Absicht, es dort überzeugend zu gewinnen und
sieghaft auf den christlichen Boden überzuführen. Ein schlagendes
Kriterium, wie sehr Calvör selbst fühlen mußte, daß er sich an
eine Arbeit gemacht hatte, welcher er auch in sprachlicher Hinsicht
nicht gewachsen war, ist die am Schluß der deutschen Vorrede in
judendeutscher Sprache angehängte Entschuldigung: "Mein lieber
Jehude, laß dich nit wundern, daß ich nit allzeit nach deiner Art
das Loschon aschkenas gesetzt" u. s. w. Die angehängte "Anleitung
wie das Jüdisch-Teutsche zu lesen" ist nur ein kümmerlicher Aus-
zug aus Wagenseil's "Belehrung" und gibt nirgends etwas Eige-
nes und Neues.

Nach Calvör gab J. H. Callenberg, Professor der Philoso-
phie zu Halle, in der eigenen Buchdruckerei des (von ihm 1728
gegründeten) jüdischen Jnstituts 1733 eine "Kurtze Anleitung zur
jüdischdeutschen Sprache" heraus, welche, wenn sie auch Buxtorf
und Wagenseil in der Ausführlichkeit nicht erreicht und immer
nur eine bloße Anleitung zum Lesen bleibt, doch besser als die von
Pfeiffer und Calvör ist und von größerer Belesenheit, Kenntniß
und Einsicht Zeugniß gibt. Die Mängel seiner Grammatik hat
Callenberg selbst gefühlt, indem er in die Vorrede seines später
(1736) herausgegebenen "Jüdischteutschen Wörterbüchleins" 1) aus

1) "Jüdischteutsches Wörterbüchlein welches meistens aus den bey dem

Judenmiſſion. Die ganze „Gloria Christi“ iſt eine matte, breite
Polemik, in welcher die Herrlichkeit des Chriſtenglaubens in ſeiner
gewaltigen Kraft und ſeiner überzeugenden einfachen Wahrheit
durch den geſuchten Prunk eitler, ſteifer Gelehrſamkeit eher ab-
geſchwächt als gehoben wird. Dazu ſchreibt Calvör in einem un-
beholfenen, ungleichen, affectirten und incorrecten Judendeutſch.
Dieſem Judendeutſch gegenüber hat er durch das ganze Werk mit
eitler Oſtentation auch eine reindeutſche Ueberſetzung für Nicht-
juden gegeben, welche den Umfang des ſchwülſtigen Werkes ab-
ſchreckend vergrößert. Mit ſo ſchlimmen innern und äußern Män-
geln war es ein eitles Beginnen, dem Jahrhunderte hindurch
verfolgten und gemarterten Judenthum auf ſeinem eigenen Gebiete
zu begegnen, in der Abſicht, es dort überzeugend zu gewinnen und
ſieghaft auf den chriſtlichen Boden überzuführen. Ein ſchlagendes
Kriterium, wie ſehr Calvör ſelbſt fühlen mußte, daß er ſich an
eine Arbeit gemacht hatte, welcher er auch in ſprachlicher Hinſicht
nicht gewachſen war, iſt die am Schluß der deutſchen Vorrede in
judendeutſcher Sprache angehängte Entſchuldigung: „Mein lieber
Jehude, laß dich nit wundern, daß ich nit allzeit nach deiner Art
das Loſchon aſchkenas geſetzt“ u. ſ. w. Die angehängte „Anleitung
wie das Jüdiſch-Teutſche zu leſen“ iſt nur ein kümmerlicher Aus-
zug aus Wagenſeil’s „Belehrung“ und gibt nirgends etwas Eige-
nes und Neues.

Nach Calvör gab J. H. Callenberg, Profeſſor der Philoſo-
phie zu Halle, in der eigenen Buchdruckerei des (von ihm 1728
gegründeten) jüdiſchen Jnſtituts 1733 eine „Kurtze Anleitung zur
jüdiſchdeutſchen Sprache“ heraus, welche, wenn ſie auch Buxtorf
und Wagenſeil in der Ausführlichkeit nicht erreicht und immer
nur eine bloße Anleitung zum Leſen bleibt, doch beſſer als die von
Pfeiffer und Calvör iſt und von größerer Beleſenheit, Kenntniß
und Einſicht Zeugniß gibt. Die Mängel ſeiner Grammatik hat
Callenberg ſelbſt gefühlt, indem er in die Vorrede ſeines ſpäter
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[221/0255] Judenmiſſion. Die ganze „Gloria Christi“ iſt eine matte, breite Polemik, in welcher die Herrlichkeit des Chriſtenglaubens in ſeiner gewaltigen Kraft und ſeiner überzeugenden einfachen Wahrheit durch den geſuchten Prunk eitler, ſteifer Gelehrſamkeit eher ab- geſchwächt als gehoben wird. Dazu ſchreibt Calvör in einem un- beholfenen, ungleichen, affectirten und incorrecten Judendeutſch. Dieſem Judendeutſch gegenüber hat er durch das ganze Werk mit eitler Oſtentation auch eine reindeutſche Ueberſetzung für Nicht- juden gegeben, welche den Umfang des ſchwülſtigen Werkes ab- ſchreckend vergrößert. Mit ſo ſchlimmen innern und äußern Män- geln war es ein eitles Beginnen, dem Jahrhunderte hindurch verfolgten und gemarterten Judenthum auf ſeinem eigenen Gebiete zu begegnen, in der Abſicht, es dort überzeugend zu gewinnen und ſieghaft auf den chriſtlichen Boden überzuführen. Ein ſchlagendes Kriterium, wie ſehr Calvör ſelbſt fühlen mußte, daß er ſich an eine Arbeit gemacht hatte, welcher er auch in ſprachlicher Hinſicht nicht gewachſen war, iſt die am Schluß der deutſchen Vorrede in judendeutſcher Sprache angehängte Entſchuldigung: „Mein lieber Jehude, laß dich nit wundern, daß ich nit allzeit nach deiner Art das Loſchon aſchkenas geſetzt“ u. ſ. w. Die angehängte „Anleitung wie das Jüdiſch-Teutſche zu leſen“ iſt nur ein kümmerlicher Aus- zug aus Wagenſeil’s „Belehrung“ und gibt nirgends etwas Eige- nes und Neues. Nach Calvör gab J. H. Callenberg, Profeſſor der Philoſo- phie zu Halle, in der eigenen Buchdruckerei des (von ihm 1728 gegründeten) jüdiſchen Jnſtituts 1733 eine „Kurtze Anleitung zur jüdiſchdeutſchen Sprache“ heraus, welche, wenn ſie auch Buxtorf und Wagenſeil in der Ausführlichkeit nicht erreicht und immer nur eine bloße Anleitung zum Leſen bleibt, doch beſſer als die von Pfeiffer und Calvör iſt und von größerer Beleſenheit, Kenntniß und Einſicht Zeugniß gibt. Die Mängel ſeiner Grammatik hat Callenberg ſelbſt gefühlt, indem er in die Vorrede ſeines ſpäter (1736) herausgegebenen „Jüdiſchteutſchen Wörterbüchleins“ 1) aus 1) „Jüdiſchteutſches Wörterbüchlein welches meiſtens aus den bey dem

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/255>, abgerufen am 23.11.2024.