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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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satz zu diesen Bestrebungen die jüdischdeutsche Literatur in der
vollen Eigenthümlichkeit der jüdischdeutschen Ausdrucksweise im
vorigen Jahrhundert von den Juden selbst erst recht auf die Höhe
ihrer Blüte gebracht wurde, bis dann seit Moses Mendelssohn
und seiner großartigen Reform des jüdischen Religions- und Un-
terrichtswesens von den Juden die deutsche Landessprache zu grö-
ßerer Anerkennung und Cultur gefördert wurde, sodaß man, un-
geachtet das Judendeutsch in voller Ungestörtheit im Volksverkehr
und Volksmunde fortlebt, in der heutigen jüdischdeutschen Literatur
kaum noch etwas anderes findet als die mit jüdischdeutschen oder
hebräischen Lettern gedruckte reine deutsche Sprache. So kann
z. B. die in schöner Ausstattung mit dem hebräischen Texte von
der berliner Gesellschaft 1832 herausgegebene, durch J. M. Jost
beschaffte vortreffliche Uebersetzung der Mischnah ([fremdsprachliches Material])
nur eine rein deutsche Uebersetzung mit hebräischen Lettern genannt
werden.

Einen gleich schlimmen Einfluß auf die Kenntniß der jüdisch-
deutschen Literatur und Grammatik, sowie überhaupt auf die gan-
zen Zwecke der Judenmission übten die von getauften, ungebilde-
ten und unwissenden Juden in feiler Gefälligkeit und serviler Lieb-
äugelei mit dem Christenthum zusammengeschriebenen Grammatiken
und Wörterbücher der jüdischdeutschen Sprache, unter denen kaum
noch das von Bibliophilus (1742) brauchbar ist, die übrigen aber,
abgesehen von den unzähligen Sprach- und Druckfehlern, bis zur
Wüstheit unklar und unnütz sind, auch darin sich gefallen, nicht nur
die kahlen, vielfach verdrehten Wörter ohne alle etymologische und

das wahre Wesen des Judenthums einzudringen verstanden, die ganze damalige
Mission und ihre Literatur so überaus unfruchtbar machte. So ist in Kaspar
Calvör's "Gloria Christi" ([fremdsprachliches Material], Leipzig 1710), welcher doch,
ganz abgesehen von der ungeheuern Weitschweifigkeit, fast alle Kraft und Fülle
des tiefften christlichen Glaubens abgeht, gewiß ebenso wol ein gutgemeintes,
als auch ein mit eitler Selbstgefälligkeit geschriebenes Werk zu nennen, das es
wol auch auf Prunk mit gelehrtem Wissen absah und, indem es neben dem
steifen, ungelenken Judendeutsch noch eine höchst überflüssige deutsche Uebersetzung
hinzufügte, seiner eigensten Bestimmung entrückt und dem Schein einer Demon-
stration eigener Eitelkeit des Verfassers nahegebracht wurde.

ſatz zu dieſen Beſtrebungen die jüdiſchdeutſche Literatur in der
vollen Eigenthümlichkeit der jüdiſchdeutſchen Ausdrucksweiſe im
vorigen Jahrhundert von den Juden ſelbſt erſt recht auf die Höhe
ihrer Blüte gebracht wurde, bis dann ſeit Moſes Mendelsſohn
und ſeiner großartigen Reform des jüdiſchen Religions- und Un-
terrichtsweſens von den Juden die deutſche Landesſprache zu grö-
ßerer Anerkennung und Cultur gefördert wurde, ſodaß man, un-
geachtet das Judendeutſch in voller Ungeſtörtheit im Volksverkehr
und Volksmunde fortlebt, in der heutigen jüdiſchdeutſchen Literatur
kaum noch etwas anderes findet als die mit jüdiſchdeutſchen oder
hebräiſchen Lettern gedruckte reine deutſche Sprache. So kann
z. B. die in ſchöner Ausſtattung mit dem hebräiſchen Texte von
der berliner Geſellſchaft 1832 herausgegebene, durch J. M. Joſt
beſchaffte vortreffliche Ueberſetzung der Miſchnah ([fremdsprachliches Material])
nur eine rein deutſche Ueberſetzung mit hebräiſchen Lettern genannt
werden.

Einen gleich ſchlimmen Einfluß auf die Kenntniß der jüdiſch-
deutſchen Literatur und Grammatik, ſowie überhaupt auf die gan-
zen Zwecke der Judenmiſſion übten die von getauften, ungebilde-
ten und unwiſſenden Juden in feiler Gefälligkeit und ſerviler Lieb-
äugelei mit dem Chriſtenthum zuſammengeſchriebenen Grammatiken
und Wörterbücher der jüdiſchdeutſchen Sprache, unter denen kaum
noch das von Bibliophilus (1742) brauchbar iſt, die übrigen aber,
abgeſehen von den unzähligen Sprach- und Druckfehlern, bis zur
Wüſtheit unklar und unnütz ſind, auch darin ſich gefallen, nicht nur
die kahlen, vielfach verdrehten Wörter ohne alle etymologiſche und

das wahre Weſen des Judenthums einzudringen verſtanden, die ganze damalige
Miſſion und ihre Literatur ſo überaus unfruchtbar machte. So iſt in Kaspar
Calvör’s „Gloria Christi“ ([fremdsprachliches Material], Leipzig 1710), welcher doch,
ganz abgeſehen von der ungeheuern Weitſchweifigkeit, faſt alle Kraft und Fülle
des tiefften chriſtlichen Glaubens abgeht, gewiß ebenſo wol ein gutgemeintes,
als auch ein mit eitler Selbſtgefälligkeit geſchriebenes Werk zu nennen, das es
wol auch auf Prunk mit gelehrtem Wiſſen abſah und, indem es neben dem
ſteifen, ungelenken Judendeutſch noch eine höchſt überflüſſige deutſche Ueberſetzung
hinzufügte, ſeiner eigenſten Beſtimmung entrückt und dem Schein einer Demon-
ſtration eigener Eitelkeit des Verfaſſers nahegebracht wurde.
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[213/0247] ſatz zu dieſen Beſtrebungen die jüdiſchdeutſche Literatur in der vollen Eigenthümlichkeit der jüdiſchdeutſchen Ausdrucksweiſe im vorigen Jahrhundert von den Juden ſelbſt erſt recht auf die Höhe ihrer Blüte gebracht wurde, bis dann ſeit Moſes Mendelsſohn und ſeiner großartigen Reform des jüdiſchen Religions- und Un- terrichtsweſens von den Juden die deutſche Landesſprache zu grö- ßerer Anerkennung und Cultur gefördert wurde, ſodaß man, un- geachtet das Judendeutſch in voller Ungeſtörtheit im Volksverkehr und Volksmunde fortlebt, in der heutigen jüdiſchdeutſchen Literatur kaum noch etwas anderes findet als die mit jüdiſchdeutſchen oder hebräiſchen Lettern gedruckte reine deutſche Sprache. So kann z. B. die in ſchöner Ausſtattung mit dem hebräiſchen Texte von der berliner Geſellſchaft 1832 herausgegebene, durch J. M. Joſt beſchaffte vortreffliche Ueberſetzung der Miſchnah (_ ) nur eine rein deutſche Ueberſetzung mit hebräiſchen Lettern genannt werden. Einen gleich ſchlimmen Einfluß auf die Kenntniß der jüdiſch- deutſchen Literatur und Grammatik, ſowie überhaupt auf die gan- zen Zwecke der Judenmiſſion übten die von getauften, ungebilde- ten und unwiſſenden Juden in feiler Gefälligkeit und ſerviler Lieb- äugelei mit dem Chriſtenthum zuſammengeſchriebenen Grammatiken und Wörterbücher der jüdiſchdeutſchen Sprache, unter denen kaum noch das von Bibliophilus (1742) brauchbar iſt, die übrigen aber, abgeſehen von den unzähligen Sprach- und Druckfehlern, bis zur Wüſtheit unklar und unnütz ſind, auch darin ſich gefallen, nicht nur die kahlen, vielfach verdrehten Wörter ohne alle etymologiſche und 1) 1) das wahre Weſen des Judenthums einzudringen verſtanden, die ganze damalige Miſſion und ihre Literatur ſo überaus unfruchtbar machte. So iſt in Kaspar Calvör’s „Gloria Christi“ (_ , Leipzig 1710), welcher doch, ganz abgeſehen von der ungeheuern Weitſchweifigkeit, faſt alle Kraft und Fülle des tiefften chriſtlichen Glaubens abgeht, gewiß ebenſo wol ein gutgemeintes, als auch ein mit eitler Selbſtgefälligkeit geſchriebenes Werk zu nennen, das es wol auch auf Prunk mit gelehrtem Wiſſen abſah und, indem es neben dem ſteifen, ungelenken Judendeutſch noch eine höchſt überflüſſige deutſche Ueberſetzung hinzufügte, ſeiner eigenſten Beſtimmung entrückt und dem Schein einer Demon- ſtration eigener Eitelkeit des Verfaſſers nahegebracht wurde.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/247>, abgerufen am 24.11.2024.