aus deutschen Worten, die aber schlecht und verdorben pronunciret oder ausgesprochen werden, und nach eines jeden Juden Lebensart und Fähigkeit mit ebräischen, rabbinischen, lateinischen, französi- schen und pohlnischen Wörtern vermengt ist."
Jn dem überaus schwülstigen "Fürtrag" (den Chrysander, a. a. O., S. 3, gewiß nicht ohne Jronie den "Vortrab" nennt) zu Wagenseil's "Belehrung der Jüdischdeutschen Red- und Schreib- art" (Königsberg 1699) kann man trotz der erstaunlichen Breite durchaus keinen klaren Begriff von der jüdischdeutschen Sprache gewinnen.
Viel deutlicher ist J. H. Callenberg in seiner "Kurtzen An- leitung zur Jüdischteutschen Sprache" (Halle 1733), §. I-III:
"I. Die Jüdischteutsche Sprache ist eine vermischte Sprache, die zwar gröstentheils aus teutschen, doch aber auch ziemlichen theils aus hebräischen Wörtern bestehet.
II. Es ist hier die Rede von einer mercklichen Vermischung. Eine geringe Vermischung macht keine eigene Sprache.
III. Die teutschen Wörter, deren sich die Juden bedienen, sind aus unterschiedlichen Dialecten der teutschen Sprache genommen: z. E. aus dem hochteutschen, platteutschen, holländischen. Einige Wörter sind veraltet und ausser Gebrauch."
Buxtorf, Pfeiffer und Calvör lassen sich auf keine Definition des Judendeutsch ein. Die Meschummodim nennen es gewöhnlich "Hebräisch" oder auch "Judensprache" schlechthin.
Eine recht klare Anschauung vom Wesen des Judendeutsch gewinnt man aus der concisen und prägnanten Zusammenstellung des wackern Zunz. 1) Sie muß nothwendig hier vollständig Platz finden:
"Jn den frühern Jahrhunderten", so leitet Zunz S. 438 ein, "hatten die Juden in Deutschland keine andere Sprache als die ihrer christlichen Landsleute geredet, welche durch die zahlreichen Auswanderungen nach Polen, vornehmlich seit dem 14. Säculum, auch in diesem Lande unter den Juden heimisch wurde, die daselbst
1) "Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden" (Berlin 1832), S. 439.
aus deutſchen Worten, die aber ſchlecht und verdorben pronunciret oder ausgeſprochen werden, und nach eines jeden Juden Lebensart und Fähigkeit mit ebräiſchen, rabbiniſchen, lateiniſchen, franzöſi- ſchen und pohlniſchen Wörtern vermengt iſt.“
Jn dem überaus ſchwülſtigen „Fürtrag“ (den Chryſander, a. a. O., S. 3, gewiß nicht ohne Jronie den „Vortrab“ nennt) zu Wagenſeil’s „Belehrung der Jüdiſchdeutſchen Red- und Schreib- art“ (Königsberg 1699) kann man trotz der erſtaunlichen Breite durchaus keinen klaren Begriff von der jüdiſchdeutſchen Sprache gewinnen.
Viel deutlicher iſt J. H. Callenberg in ſeiner „Kurtzen An- leitung zur Jüdiſchteutſchen Sprache“ (Halle 1733), §. I-III:
„I. Die Jüdiſchteutſche Sprache iſt eine vermiſchte Sprache, die zwar gröſtentheils aus teutſchen, doch aber auch ziemlichen theils aus hebräiſchen Wörtern beſtehet.
II. Es iſt hier die Rede von einer mercklichen Vermiſchung. Eine geringe Vermiſchung macht keine eigene Sprache.
III. Die teutſchen Wörter, deren ſich die Juden bedienen, ſind aus unterſchiedlichen Dialecten der teutſchen Sprache genommen: z. E. aus dem hochteutſchen, platteutſchen, holländiſchen. Einige Wörter ſind veraltet und auſſer Gebrauch.“
Buxtorf, Pfeiffer und Calvör laſſen ſich auf keine Definition des Judendeutſch ein. Die Meſchummodim nennen es gewöhnlich „Hebräiſch“ oder auch „Judenſprache“ ſchlechthin.
Eine recht klare Anſchauung vom Weſen des Judendeutſch gewinnt man aus der conciſen und prägnanten Zuſammenſtellung des wackern Zunz. 1) Sie muß nothwendig hier vollſtändig Platz finden:
„Jn den frühern Jahrhunderten“, ſo leitet Zunz S. 438 ein, „hatten die Juden in Deutſchland keine andere Sprache als die ihrer chriſtlichen Landsleute geredet, welche durch die zahlreichen Auswanderungen nach Polen, vornehmlich ſeit dem 14. Säculum, auch in dieſem Lande unter den Juden heimiſch wurde, die daſelbſt
1) „Die gottesdienſtlichen Vorträge der Juden“ (Berlin 1832), S. 439.
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aus deutſchen Worten, die aber ſchlecht und verdorben pronunciret
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und Fähigkeit mit ebräiſchen, rabbiniſchen, lateiniſchen, franzöſi-
ſchen und pohlniſchen Wörtern vermengt iſt.“
Jn dem überaus ſchwülſtigen „Fürtrag“ (den Chryſander,
a. a. O., S. 3, gewiß nicht ohne Jronie den „Vortrab“ nennt)
zu Wagenſeil’s „Belehrung der Jüdiſchdeutſchen Red- und Schreib-
art“ (Königsberg 1699) kann man trotz der erſtaunlichen Breite
durchaus keinen klaren Begriff von der jüdiſchdeutſchen Sprache
gewinnen.
Viel deutlicher iſt J. H. Callenberg in ſeiner „Kurtzen An-
leitung zur Jüdiſchteutſchen Sprache“ (Halle 1733), §. I-III:
„I. Die Jüdiſchteutſche Sprache iſt eine vermiſchte Sprache,
die zwar gröſtentheils aus teutſchen, doch aber auch ziemlichen
theils aus hebräiſchen Wörtern beſtehet.
II. Es iſt hier die Rede von einer mercklichen Vermiſchung.
Eine geringe Vermiſchung macht keine eigene Sprache.
III. Die teutſchen Wörter, deren ſich die Juden bedienen, ſind
aus unterſchiedlichen Dialecten der teutſchen Sprache genommen:
z. E. aus dem hochteutſchen, platteutſchen, holländiſchen. Einige
Wörter ſind veraltet und auſſer Gebrauch.“
Buxtorf, Pfeiffer und Calvör laſſen ſich auf keine Definition
des Judendeutſch ein. Die Meſchummodim nennen es gewöhnlich
„Hebräiſch“ oder auch „Judenſprache“ ſchlechthin.
Eine recht klare Anſchauung vom Weſen des Judendeutſch
gewinnt man aus der conciſen und prägnanten Zuſammenſtellung
des wackern Zunz. 1) Sie muß nothwendig hier vollſtändig Platz
finden:
„Jn den frühern Jahrhunderten“, ſo leitet Zunz S. 438
ein, „hatten die Juden in Deutſchland keine andere Sprache als
die ihrer chriſtlichen Landsleute geredet, welche durch die zahlreichen
Auswanderungen nach Polen, vornehmlich ſeit dem 14. Säculum,
auch in dieſem Lande unter den Juden heimiſch wurde, die daſelbſt
1) „Die gottesdienſtlichen Vorträge der Juden“ (Berlin 1832), S. 439.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/234>, abgerufen am 24.11.2024.
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