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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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gar die Geistlichen zweifelten nicht an der Wirksamkeit der Passauer
Kunst, schrieben dieselbe aber dem Teufel zu und predigten und
schrieben auf das eifrigste gegen die Teufelskunst. Gerade aber
dadurch wurde die Wirksamkeit der Passauer Kunst in den Augen
des Volkes noch mehr gehoben, wenn auch ihr Wesen von der
Geistlichkeit auf das heftigste verdammt wurde. Von dieser Zeit
an tritt die offene Verbrüderung der Schinder mit den Soldaten
und ihr gemeinsames freches, räuberisches Treiben hell hervor.
Die furchtbarsten Räuber, Mörder und Ungeheuer noch des vori-
gen Jahrhunderts, ja sogar viele Mitglieder der niederländischen
und neuwieder Bande waren Schinder, nicht des Johannes Bückler
zu gedenken, welchem sein Schindergewerbe den Namen Schinder-
hannes erwarb. Sogar bis in die neueste Zeit hinein findet sich,
daß die verhärtesten Räuber und Mörder gerade Schinderknechte
gewesen waren oder doch mit solchen in genauer Verbindung ge-
standen hatten. Nur dem Zwange der vorhandenen, jedoch immer
noch lange nicht ausreichenden1) Verordnungen und scharfer Con-

bit +, oder: + est + est + adey + elion + to tiagam nuton (soll wahrscheinlich
heißen tetragrammaton) + plenum -- haben sich noch bis in die neueste Zeit
als Mittel zum Festmachen erhalten. Vgl. das sehr flache und unbedeutende
Buch vom Thierarzt Lux: "Der Scharfrichter nach allen seinen Beziehungen"
(Leipzig 1814). Aehnliche Amulete habe ich auch bei Selbstmörderinnen, ein-
mal sogar bei einem sehr jungen Mädchen auf die Brust gelegt gefunden, jedoch
niemals bei männlichen Selbstmördern.
1) Wie ernst sind die Aufgaben der Sanitätspolizei! Wie weit ist diese
noch von ihrem Ziele entfernt, wenn sie nicht mit verdoppelter Schärfe auf den
Betrug achtet, durch welchen die Bevölkerung großer Städte vergiftet wird.
Man braucht nicht erst nach Paris zu gehen, um den ungeheuern Vorrath von
Wildpret aller Art zu untersuchen, welches den Restaurants aus den -- Scharf-
richtereien geliefert wird; auch außerhalb Paris und Frankreich kommen solche
Associationen zwischen Wirth und Schinder vor. Die letztern halten große
Schweinemästereien, in denen die Schweine mit dem Fleisch gefallener Thiere
gemästet, an die Schlächter geliefert und von diesen in die Haushaltungen ver-
kauft werden. Auch die übeln Hundefuhrwerker sind Hauptkunden für die Schin-
der und werden allein schon durch den Handel mit Futterfleisch für die Hunde
in eine ohnehin sehr bedenkliche Verbindung mit den Schindern gebracht. Seit
einer Reihe von Jahren klagen die Polizeibehörden über das beständige Vor-
kommen von Hundekrankheiten, welche einen epizootischen Charakter annehmen.

gar die Geiſtlichen zweifelten nicht an der Wirkſamkeit der Paſſauer
Kunſt, ſchrieben dieſelbe aber dem Teufel zu und predigten und
ſchrieben auf das eifrigſte gegen die Teufelskunſt. Gerade aber
dadurch wurde die Wirkſamkeit der Paſſauer Kunſt in den Augen
des Volkes noch mehr gehoben, wenn auch ihr Weſen von der
Geiſtlichkeit auf das heftigſte verdammt wurde. Von dieſer Zeit
an tritt die offene Verbrüderung der Schinder mit den Soldaten
und ihr gemeinſames freches, räuberiſches Treiben hell hervor.
Die furchtbarſten Räuber, Mörder und Ungeheuer noch des vori-
gen Jahrhunderts, ja ſogar viele Mitglieder der niederländiſchen
und neuwieder Bande waren Schinder, nicht des Johannes Bückler
zu gedenken, welchem ſein Schindergewerbe den Namen Schinder-
hannes erwarb. Sogar bis in die neueſte Zeit hinein findet ſich,
daß die verhärteſten Räuber und Mörder gerade Schinderknechte
geweſen waren oder doch mit ſolchen in genauer Verbindung ge-
ſtanden hatten. Nur dem Zwange der vorhandenen, jedoch immer
noch lange nicht ausreichenden1) Verordnungen und ſcharfer Con-

bit +, oder: + est + est + adey + elion + to tiagam nuton (ſoll wahrſcheinlich
heißen tetragrammaton) + plenum — haben ſich noch bis in die neueſte Zeit
als Mittel zum Feſtmachen erhalten. Vgl. das ſehr flache und unbedeutende
Buch vom Thierarzt Lux: „Der Scharfrichter nach allen ſeinen Beziehungen“
(Leipzig 1814). Aehnliche Amulete habe ich auch bei Selbſtmörderinnen, ein-
mal ſogar bei einem ſehr jungen Mädchen auf die Bruſt gelegt gefunden, jedoch
niemals bei männlichen Selbſtmördern.
1) Wie ernſt ſind die Aufgaben der Sanitätspolizei! Wie weit iſt dieſe
noch von ihrem Ziele entfernt, wenn ſie nicht mit verdoppelter Schärfe auf den
Betrug achtet, durch welchen die Bevölkerung großer Städte vergiftet wird.
Man braucht nicht erſt nach Paris zu gehen, um den ungeheuern Vorrath von
Wildpret aller Art zu unterſuchen, welches den Reſtaurants aus den — Scharf-
richtereien geliefert wird; auch außerhalb Paris und Frankreich kommen ſolche
Aſſociationen zwiſchen Wirth und Schinder vor. Die letztern halten große
Schweinemäſtereien, in denen die Schweine mit dem Fleiſch gefallener Thiere
gemäſtet, an die Schlächter geliefert und von dieſen in die Haushaltungen ver-
kauft werden. Auch die übeln Hundefuhrwerker ſind Hauptkunden für die Schin-
der und werden allein ſchon durch den Handel mit Futterfleiſch für die Hunde
in eine ohnehin ſehr bedenkliche Verbindung mit den Schindern gebracht. Seit
einer Reihe von Jahren klagen die Polizeibehörden über das beſtändige Vor-
kommen von Hundekrankheiten, welche einen epizootiſchen Charakter annehmen.
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[155/0189] gar die Geiſtlichen zweifelten nicht an der Wirkſamkeit der Paſſauer Kunſt, ſchrieben dieſelbe aber dem Teufel zu und predigten und ſchrieben auf das eifrigſte gegen die Teufelskunſt. Gerade aber dadurch wurde die Wirkſamkeit der Paſſauer Kunſt in den Augen des Volkes noch mehr gehoben, wenn auch ihr Weſen von der Geiſtlichkeit auf das heftigſte verdammt wurde. Von dieſer Zeit an tritt die offene Verbrüderung der Schinder mit den Soldaten und ihr gemeinſames freches, räuberiſches Treiben hell hervor. Die furchtbarſten Räuber, Mörder und Ungeheuer noch des vori- gen Jahrhunderts, ja ſogar viele Mitglieder der niederländiſchen und neuwieder Bande waren Schinder, nicht des Johannes Bückler zu gedenken, welchem ſein Schindergewerbe den Namen Schinder- hannes erwarb. Sogar bis in die neueſte Zeit hinein findet ſich, daß die verhärteſten Räuber und Mörder gerade Schinderknechte geweſen waren oder doch mit ſolchen in genauer Verbindung ge- ſtanden hatten. Nur dem Zwange der vorhandenen, jedoch immer noch lange nicht ausreichenden 1) Verordnungen und ſcharfer Con- 2) 1) Wie ernſt ſind die Aufgaben der Sanitätspolizei! Wie weit iſt dieſe noch von ihrem Ziele entfernt, wenn ſie nicht mit verdoppelter Schärfe auf den Betrug achtet, durch welchen die Bevölkerung großer Städte vergiftet wird. Man braucht nicht erſt nach Paris zu gehen, um den ungeheuern Vorrath von Wildpret aller Art zu unterſuchen, welches den Reſtaurants aus den — Scharf- richtereien geliefert wird; auch außerhalb Paris und Frankreich kommen ſolche Aſſociationen zwiſchen Wirth und Schinder vor. Die letztern halten große Schweinemäſtereien, in denen die Schweine mit dem Fleiſch gefallener Thiere gemäſtet, an die Schlächter geliefert und von dieſen in die Haushaltungen ver- kauft werden. Auch die übeln Hundefuhrwerker ſind Hauptkunden für die Schin- der und werden allein ſchon durch den Handel mit Futterfleiſch für die Hunde in eine ohnehin ſehr bedenkliche Verbindung mit den Schindern gebracht. Seit einer Reihe von Jahren klagen die Polizeibehörden über das beſtändige Vor- kommen von Hundekrankheiten, welche einen epizootiſchen Charakter annehmen. 2) bit +, oder: + est + est + adey + elion + to tiagam nuton (ſoll wahrſcheinlich heißen tetragrammaton) + plenum — haben ſich noch bis in die neueſte Zeit als Mittel zum Feſtmachen erhalten. Vgl. das ſehr flache und unbedeutende Buch vom Thierarzt Lux: „Der Scharfrichter nach allen ſeinen Beziehungen“ (Leipzig 1814). Aehnliche Amulete habe ich auch bei Selbſtmörderinnen, ein- mal ſogar bei einem ſehr jungen Mädchen auf die Bruſt gelegt gefunden, jedoch niemals bei männlichen Selbſtmördern.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/189>, abgerufen am 21.11.2024.