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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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druckte mit einem eigens geschnittenen Stempel allerlei kabbalistische
Figuren auf Stückchen Papier ab und verkaufte diese Zettelchen
gegen gute Zahlung an Soldaten, denen der rechte Kriegsmuth
fehlte, indem er behauptete, daß ein solcher verschluckter Zettel1)
gegen Schuß, Hieb und Stich festmache. Rudolf's demoralisirte
Soldaten leisteten wenig Widerstand, und so kam es, daß die
Soldaten des Kaisers Matthias mit ihren passauer Zetteln im
Magen ohne Verwundungen davonkamen. Dieser Erfolg machte
die Passauer Kunst berühmt und brachte dem passauer Henker
großen Reichthum ein. Jm folgenden Dreißigjährigen Kriege mach-
ten sich die meisten Soldaten fest mit der Passauer Kunst. 2) So-

1) B. Bekker, "Bezauberte Welt", Buch 4, Hauptst. 18, §. 13, führt über
die Zubereitung der Zettel an, daß solche zur Weihnachtszeit um Mitternacht,
in einem Klumpen Weizenteig eingeschlossen, heimlich unter den Altar gesteckt,
dann zu verschiedenen Zeiten drei Messen darüber gelesen wurden und daß darauf
diese Klumpen frühmorgens mit gewissen Gebeten verschluckt werden mußten.
Einen Jrrthum begeht G. Freitag in seinen ganz vortrefflichen, dem Polizeimann
zum ernstlichen Studium nicht genug zu empfehlenden "Bildern aus der deutschen
Vergangenheit", wenn er II, 67, sagt: "Ja sogar der Name Passauer Kunst,
welcher seit jener Zeit gewöhnlich wird, mag auf einem Misverständniß des
Volkes beruhen, denn im 16. Jahrhundert hießen alle, welche einen Zaubersegen
bei sich trugen, um unverwundbar zu sein, bei den gelehrten (?) Soldaten
Passulanten oder Charakteristiker, und wer die Kunst verstand, solchen Zauber
zu lösen, ein Solvant. Es ist möglich, daß die erste Bezeichnung vom Volk
in "Passauer" verwandelt worden ist." Vielleicht mag das bei Freitag ange-
führte gothaische Manuscript von Zimmermann irregeführt haben. Passauer
Kunst und Passulanten (der viel frühere Ausdruck des 16. Jahrhunderts) haben
in sprachlicher Hinsicht nichts miteinander gemein, und am wenigsten kann wegen
der vermeinten Verstümmelung eines Wortes eine historische Thatsache negirt
werden. Passulant kommt aus dem Judendeutschen. Pessel, [fremdsprachliches Material], Pl. [fremdsprachliches Material],
psillim, vom hebr. [fremdsprachliches Material], passal, schnitzen, in Stein hauen, bedeutet ein Götzen-
bild, heidnisches, christliches, überhaupt nichtjüdisches Amulet. Davon ist die
weitere Bedeutung [fremdsprachliches Material], possul, unheilig, gemein, unerlaubt, zu gebrauchen;
passlen und mephassel sein, erklären, daß etwas unerlaubt ist. Ohne
Zweifel ist Passulant von Pessel abzuleiten, wie überhaupt eine Unzahl Wör-
ter im deutschen Volksmunde existirt, von deren jüdischdeutscher Abstammung
das Volk kaum eine Ahnung hat.
2) Amulete auf Pergament oder Papier geschrieben und am bloßen Kör-
per getragen mit der Jnschrift: + Bans + transiens + permedium + itarumi-

druckte mit einem eigens geſchnittenen Stempel allerlei kabbaliſtiſche
Figuren auf Stückchen Papier ab und verkaufte dieſe Zettelchen
gegen gute Zahlung an Soldaten, denen der rechte Kriegsmuth
fehlte, indem er behauptete, daß ein ſolcher verſchluckter Zettel1)
gegen Schuß, Hieb und Stich feſtmache. Rudolf’s demoraliſirte
Soldaten leiſteten wenig Widerſtand, und ſo kam es, daß die
Soldaten des Kaiſers Matthias mit ihren paſſauer Zetteln im
Magen ohne Verwundungen davonkamen. Dieſer Erfolg machte
die Paſſauer Kunſt berühmt und brachte dem paſſauer Henker
großen Reichthum ein. Jm folgenden Dreißigjährigen Kriege mach-
ten ſich die meiſten Soldaten feſt mit der Paſſauer Kunſt. 2) So-

1) B. Bekker, „Bezauberte Welt“, Buch 4, Hauptſt. 18, §. 13, führt über
die Zubereitung der Zettel an, daß ſolche zur Weihnachtszeit um Mitternacht,
in einem Klumpen Weizenteig eingeſchloſſen, heimlich unter den Altar geſteckt,
dann zu verſchiedenen Zeiten drei Meſſen darüber geleſen wurden und daß darauf
dieſe Klumpen frühmorgens mit gewiſſen Gebeten verſchluckt werden mußten.
Einen Jrrthum begeht G. Freitag in ſeinen ganz vortrefflichen, dem Polizeimann
zum ernſtlichen Studium nicht genug zu empfehlenden „Bildern aus der deutſchen
Vergangenheit“, wenn er II, 67, ſagt: „Ja ſogar der Name Paſſauer Kunſt,
welcher ſeit jener Zeit gewöhnlich wird, mag auf einem Misverſtändniß des
Volkes beruhen, denn im 16. Jahrhundert hießen alle, welche einen Zauberſegen
bei ſich trugen, um unverwundbar zu ſein, bei den gelehrten (?) Soldaten
Paſſulanten oder Charakteriſtiker, und wer die Kunſt verſtand, ſolchen Zauber
zu löſen, ein Solvant. Es iſt möglich, daß die erſte Bezeichnung vom Volk
in «Paſſauer» verwandelt worden iſt.“ Vielleicht mag das bei Freitag ange-
führte gothaiſche Manuſcript von Zimmermann irregeführt haben. Paſſauer
Kunſt und Paſſulanten (der viel frühere Ausdruck des 16. Jahrhunderts) haben
in ſprachlicher Hinſicht nichts miteinander gemein, und am wenigſten kann wegen
der vermeinten Verſtümmelung eines Wortes eine hiſtoriſche Thatſache negirt
werden. Paſſulant kommt aus dem Judendeutſchen. Pessel, [fremdsprachliches Material], Pl. [fremdsprachliches Material],
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weitere Bedeutung [fremdsprachliches Material], possul, unheilig, gemein, unerlaubt, zu gebrauchen;
paſſlen und mephaſſel ſein, erklären, daß etwas unerlaubt iſt. Ohne
Zweifel iſt Paſſulant von Peſſel abzuleiten, wie überhaupt eine Unzahl Wör-
ter im deutſchen Volksmunde exiſtirt, von deren jüdiſchdeutſcher Abſtammung
das Volk kaum eine Ahnung hat.
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[154/0188] druckte mit einem eigens geſchnittenen Stempel allerlei kabbaliſtiſche Figuren auf Stückchen Papier ab und verkaufte dieſe Zettelchen gegen gute Zahlung an Soldaten, denen der rechte Kriegsmuth fehlte, indem er behauptete, daß ein ſolcher verſchluckter Zettel 1) gegen Schuß, Hieb und Stich feſtmache. Rudolf’s demoraliſirte Soldaten leiſteten wenig Widerſtand, und ſo kam es, daß die Soldaten des Kaiſers Matthias mit ihren paſſauer Zetteln im Magen ohne Verwundungen davonkamen. Dieſer Erfolg machte die Paſſauer Kunſt berühmt und brachte dem paſſauer Henker großen Reichthum ein. Jm folgenden Dreißigjährigen Kriege mach- ten ſich die meiſten Soldaten feſt mit der Paſſauer Kunſt. 2) So- 1) B. Bekker, „Bezauberte Welt“, Buch 4, Hauptſt. 18, §. 13, führt über die Zubereitung der Zettel an, daß ſolche zur Weihnachtszeit um Mitternacht, in einem Klumpen Weizenteig eingeſchloſſen, heimlich unter den Altar geſteckt, dann zu verſchiedenen Zeiten drei Meſſen darüber geleſen wurden und daß darauf dieſe Klumpen frühmorgens mit gewiſſen Gebeten verſchluckt werden mußten. Einen Jrrthum begeht G. Freitag in ſeinen ganz vortrefflichen, dem Polizeimann zum ernſtlichen Studium nicht genug zu empfehlenden „Bildern aus der deutſchen Vergangenheit“, wenn er II, 67, ſagt: „Ja ſogar der Name Paſſauer Kunſt, welcher ſeit jener Zeit gewöhnlich wird, mag auf einem Misverſtändniß des Volkes beruhen, denn im 16. Jahrhundert hießen alle, welche einen Zauberſegen bei ſich trugen, um unverwundbar zu ſein, bei den gelehrten (?) Soldaten Paſſulanten oder Charakteriſtiker, und wer die Kunſt verſtand, ſolchen Zauber zu löſen, ein Solvant. Es iſt möglich, daß die erſte Bezeichnung vom Volk in «Paſſauer» verwandelt worden iſt.“ Vielleicht mag das bei Freitag ange- führte gothaiſche Manuſcript von Zimmermann irregeführt haben. Paſſauer Kunſt und Paſſulanten (der viel frühere Ausdruck des 16. Jahrhunderts) haben in ſprachlicher Hinſicht nichts miteinander gemein, und am wenigſten kann wegen der vermeinten Verſtümmelung eines Wortes eine hiſtoriſche Thatſache negirt werden. Paſſulant kommt aus dem Judendeutſchen. Pessel, _ , Pl. _ , psillim, vom hebr. _ , passal, ſchnitzen, in Stein hauen, bedeutet ein Götzen- bild, heidniſches, chriſtliches, überhaupt nichtjüdiſches Amulet. Davon iſt die weitere Bedeutung _ , possul, unheilig, gemein, unerlaubt, zu gebrauchen; paſſlen und mephaſſel ſein, erklären, daß etwas unerlaubt iſt. Ohne Zweifel iſt Paſſulant von Peſſel abzuleiten, wie überhaupt eine Unzahl Wör- ter im deutſchen Volksmunde exiſtirt, von deren jüdiſchdeutſcher Abſtammung das Volk kaum eine Ahnung hat. 2) Amulete auf Pergament oder Papier geſchrieben und am bloßen Kör- per getragen mit der Jnſchrift: + Bans + transiens + permedium + itarumi-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/188>, abgerufen am 22.11.2024.