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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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keit und Verbannung aus dem bürgerlichen Verkehr geführt haben,
ohne daß jedoch der richterliche Blick die Natur und das ganze
Treiben des Scharfrichterwesens genauer gewürdigt hätte, da doch
die Scharfrichter gerade mit der Zauberei, um derentwillen sie täglich
unschuldige Opfer zu martern hatten, am meisten und ungestraft
das Volk betrogen und dessen Aberglauben ausbeuteten. Die ver-
wirrte unstete Classification und Stellung der Scharfrichter, welche
je nach ihrer einzelnen Thätigkeit unterschieden und benannt wur-
den1), ist ein Zeichen der richterlichen Kurzsichtigkeit und Schwäche,

1) Allerdings scheinen die Unterschiede schärfer gezogen und die Benennun-
gen nach den einzelnen Thätigkeiten bestimmter gegeben worden zu sein, als
Grimm, "Deutsche Rechtsalterthümer", S. 882, 883, anführt, wie das schon
die Etymologie von scarjo, wizinari, wiziscalh, schärphere, haher, und
später Henker, Stöcker, meister Hemmerlin, Peinlein, Angstmann u. s. w.
andeutet. Grimm scheint sogar in der Etymologie nicht ganz sicher gewesen zu
sein, indem er schärphäre von schürfen, cudere, ignem excudere (den
Holzhaufen beim Verbrennen anstecken), ableitet. Freilich kommt bei Notker,
Psalm 28 a. E., vor: "Ignem excudit Achates", "daz fiur schurfte steinunch"
(Wackernagel, a. a. O., S. 127, und Wörterbuch, CCCCLXVIII). Doch scheint
deshalb die Ableitung von scarp oder scarph oder scharpf, was auch schon
im Liede von Hildebrand und Hadebrand mit scurim, Donnerwetter, verbun-
den wird (scarpen scurim, Wackernagel, S. 67, 3), näher zu liegen und sogar
mit dem hebräischen [fremdsprachliches Material], saraph, in Verbindung zu stehen, welches nicht allein
vom Verbrennen der Städte, Häuser, Altäre, sondern auch, wie Jerem. 34, 5
zeigt, der Leichname gebraucht wird. Jn der braunschweiger Fem-Ordnung
1314 (Rethmaier, "Chron. Brunsv. Luneb.", S. 627) kommt übrigens schon
vor: "Dat Ordell schölen sproeken de Büdel offte de Scarprichter." Eine eigen-
thümliche Benennung der Scharfrichterknechte oder Schinder findet man in Lü-
beck, nämlich Schoband, für welche die "Schobandsordnung" von 1509 nach
und neben andern "Ordonantien der Bödel-Meister und Knechte" u. s. w. exi-
stirt. Eine in Dreyer's "Einleitung in die allgem. Lüb. Verordnungen" 1769
wiedergegebene abgeschmackte Ableitung (S. 438) beruht auf der Erzählung,
daß zur Zeit des Schwarzen Todes zu Lübeck (1350) ein reicher Mann, Bandscho,
einen großen Wagen zum Transport der vielen Leichen durch die Schinder-
knechte, Racker, habe machen lassen, und daß dem Bandscho zu Ehren die Schin-
derknechte seitdem Schoband genannt worden seien. Doch ist das Wort Scho-
band wahrscheinlich mit Bezug auf die specielle Thätigkeit des Büttels vom ahd.
schoup, Strohkranz, Strohwisch, aufgestellter Besen (vgl. Wackernagel, a. a. O.,
CCCCLXV und die Nachweise daselbst), abzuleiten und schoup wol verwandt
mit dem lateinischen scopa (vgl. scabo und skapto), Besen, welches bei

keit und Verbannung aus dem bürgerlichen Verkehr geführt haben,
ohne daß jedoch der richterliche Blick die Natur und das ganze
Treiben des Scharfrichterweſens genauer gewürdigt hätte, da doch
die Scharfrichter gerade mit der Zauberei, um derentwillen ſie täglich
unſchuldige Opfer zu martern hatten, am meiſten und ungeſtraft
das Volk betrogen und deſſen Aberglauben ausbeuteten. Die ver-
wirrte unſtete Claſſification und Stellung der Scharfrichter, welche
je nach ihrer einzelnen Thätigkeit unterſchieden und benannt wur-
den1), iſt ein Zeichen der richterlichen Kurzſichtigkeit und Schwäche,

1) Allerdings ſcheinen die Unterſchiede ſchärfer gezogen und die Benennun-
gen nach den einzelnen Thätigkeiten beſtimmter gegeben worden zu ſein, als
Grimm, „Deutſche Rechtsalterthümer“, S. 882, 883, anführt, wie das ſchon
die Etymologie von scarjo, wizinari, wiziscalh, schärphere, hâher, und
ſpäter Henker, Stöcker, meister Hemmerlin, Peinlein, Angstmann u. ſ. w.
andeutet. Grimm ſcheint ſogar in der Etymologie nicht ganz ſicher geweſen zu
ſein, indem er schärphäre von ſchürfen, cudere, ignem excudere (den
Holzhaufen beim Verbrennen anſtecken), ableitet. Freilich kommt bei Notker,
Pſalm 28 a. E., vor: „Ignem excudit Achates“, „daz fiur ſchurfte ſteinunch“
(Wackernagel, a. a. O., S. 127, und Wörterbuch, CCCCLXVIII). Doch ſcheint
deshalb die Ableitung von scarp oder scarph oder scharpf, was auch ſchon
im Liede von Hildebrand und Hadebrand mit scurim, Donnerwetter, verbun-
den wird (scarpen scurim, Wackernagel, S. 67, 3), näher zu liegen und ſogar
mit dem hebräiſchen [fremdsprachliches Material], saraph, in Verbindung zu ſtehen, welches nicht allein
vom Verbrennen der Städte, Häuſer, Altäre, ſondern auch, wie Jerem. 34, 5
zeigt, der Leichname gebraucht wird. Jn der braunſchweiger Fem-Ordnung
1314 (Rethmaier, „Chron. Brunsv. Luneb.“, S. 627) kommt übrigens ſchon
vor: „Dat Ordell ſchölen ſproeken de Büdel offte de Scarprichter.“ Eine eigen-
thümliche Benennung der Scharfrichterknechte oder Schinder findet man in Lü-
beck, nämlich Schoband, für welche die „Schobandsordnung“ von 1509 nach
und neben andern „Ordonantien der Bödel-Meiſter und Knechte“ u. ſ. w. exi-
ſtirt. Eine in Dreyer’s „Einleitung in die allgem. Lüb. Verordnungen“ 1769
wiedergegebene abgeſchmackte Ableitung (S. 438) beruht auf der Erzählung,
daß zur Zeit des Schwarzen Todes zu Lübeck (1350) ein reicher Mann, Bandſcho,
einen großen Wagen zum Transport der vielen Leichen durch die Schinder-
knechte, Racker, habe machen laſſen, und daß dem Bandſcho zu Ehren die Schin-
derknechte ſeitdem Schoband genannt worden ſeien. Doch iſt das Wort Scho-
band wahrſcheinlich mit Bezug auf die ſpecielle Thätigkeit des Büttels vom ahd.
schoup, Strohkranz, Strohwiſch, aufgeſtellter Beſen (vgl. Wackernagel, a. a. O.,
CCCCLXV und die Nachweiſe daſelbſt), abzuleiten und schoup wol verwandt
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[152/0186] keit und Verbannung aus dem bürgerlichen Verkehr geführt haben, ohne daß jedoch der richterliche Blick die Natur und das ganze Treiben des Scharfrichterweſens genauer gewürdigt hätte, da doch die Scharfrichter gerade mit der Zauberei, um derentwillen ſie täglich unſchuldige Opfer zu martern hatten, am meiſten und ungeſtraft das Volk betrogen und deſſen Aberglauben ausbeuteten. Die ver- wirrte unſtete Claſſification und Stellung der Scharfrichter, welche je nach ihrer einzelnen Thätigkeit unterſchieden und benannt wur- den 1), iſt ein Zeichen der richterlichen Kurzſichtigkeit und Schwäche, 1) Allerdings ſcheinen die Unterſchiede ſchärfer gezogen und die Benennun- gen nach den einzelnen Thätigkeiten beſtimmter gegeben worden zu ſein, als Grimm, „Deutſche Rechtsalterthümer“, S. 882, 883, anführt, wie das ſchon die Etymologie von scarjo, wizinari, wiziscalh, schärphere, hâher, und ſpäter Henker, Stöcker, meister Hemmerlin, Peinlein, Angstmann u. ſ. w. andeutet. Grimm ſcheint ſogar in der Etymologie nicht ganz ſicher geweſen zu ſein, indem er schärphäre von ſchürfen, cudere, ignem excudere (den Holzhaufen beim Verbrennen anſtecken), ableitet. Freilich kommt bei Notker, Pſalm 28 a. E., vor: „Ignem excudit Achates“, „daz fiur ſchurfte ſteinunch“ (Wackernagel, a. a. O., S. 127, und Wörterbuch, CCCCLXVIII). Doch ſcheint deshalb die Ableitung von scarp oder scarph oder scharpf, was auch ſchon im Liede von Hildebrand und Hadebrand mit scurim, Donnerwetter, verbun- den wird (scarpen scurim, Wackernagel, S. 67, 3), näher zu liegen und ſogar mit dem hebräiſchen _ , saraph, in Verbindung zu ſtehen, welches nicht allein vom Verbrennen der Städte, Häuſer, Altäre, ſondern auch, wie Jerem. 34, 5 zeigt, der Leichname gebraucht wird. Jn der braunſchweiger Fem-Ordnung 1314 (Rethmaier, „Chron. Brunsv. Luneb.“, S. 627) kommt übrigens ſchon vor: „Dat Ordell ſchölen ſproeken de Büdel offte de Scarprichter.“ Eine eigen- thümliche Benennung der Scharfrichterknechte oder Schinder findet man in Lü- beck, nämlich Schoband, für welche die „Schobandsordnung“ von 1509 nach und neben andern „Ordonantien der Bödel-Meiſter und Knechte“ u. ſ. w. exi- ſtirt. Eine in Dreyer’s „Einleitung in die allgem. Lüb. Verordnungen“ 1769 wiedergegebene abgeſchmackte Ableitung (S. 438) beruht auf der Erzählung, daß zur Zeit des Schwarzen Todes zu Lübeck (1350) ein reicher Mann, Bandſcho, einen großen Wagen zum Transport der vielen Leichen durch die Schinder- knechte, Racker, habe machen laſſen, und daß dem Bandſcho zu Ehren die Schin- derknechte ſeitdem Schoband genannt worden ſeien. Doch iſt das Wort Scho- band wahrſcheinlich mit Bezug auf die ſpecielle Thätigkeit des Büttels vom ahd. schoup, Strohkranz, Strohwiſch, aufgeſtellter Beſen (vgl. Wackernagel, a. a. O., CCCCLXV und die Nachweiſe daſelbſt), abzuleiten und schoup wol verwandt mit dem lateiniſchen scopa (vgl. scabo und σκάπτω), Beſen, welches bei

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/186>, abgerufen am 28.11.2024.