nerische, theils als eine geoffenbarte, populäre Sprache, welcher letztern die Fallmacher stets Form und Schein der Volkseigen- thümlichkeit zu erhalten suchen, und in welcher populären Sprache sie mit dem Volke in einer Weise verkehren, als ob sie selbst dem Volke in diesem ihnen scheinbar fremden, nicht eigenthümlichen Elemente ein Genüge leisten wollten. Vorzüglich hat die Fall- machersprache besondere specifische Bezeichnungen für das Volk bei solchen Gegenständen gewählt, welche im gewöhnlichen Leben ohnehin schon allgemeine feste Typen haben, vorzüglich also bei Zahlenreihen, weshalb denn auch besonders das in den Glücks- buden stark betriebene Lottospiel, welches ohnehin in neuerer Zeit statt der frühern bloßen Würfelentscheidung in den Glücksbuden, mehr oder minder modificirt, sehr auffallend sich hervordrängt, von solchen Fallmacherausdrücken wimmelt. So heißen z. B. Klasse alle Zahlen innerhalb einer Zehnerreihe, also 1, 2, 3, 4, 9, oder 20, 21, 22, 25, 29, oder 30, 31, 39, oder 40, 41, 49 u. s. w., wobei die Klassen mit Zehnerklasse, Zwanzigerklasse, Dreißiger- klasse u. s. w. bezeichnet werden. Zwillinge sind die in Klasse und Einer gleichen Zahlen, z. B. 11, 22, 33, 44 u. s. w. Rücken ist die Gleichheit der Einer in verschiedenen Klassen, z. B. 13, 23, 43, 53, oder 17, 27, 37, 97 u. s. w. Zur speciellen Be- zeichnung der Rücken dienen noch die Einer; so sind die hier an- geführten Rücken Dreierrücken und Siebenerrücken. Eine Num- mer wird zeitig oder kommt vors Bret, wenn sie gezogen wird; fest sitzt sie, wenn sie nicht gezogen wird. Eine gedeckte Nummer ist eine, deren Gewinn gesichert sein soll u. s. w. Vgl. das sehr interessante und belehrende Gespräch bei S. Wagner, a. a. O., S. 44 fg.
Noch bunter erscheint die Fallmacher-Sprachterminologie im Jüdischdeutschen, in welchem alle Zahlen nach dem Buchstaben genannt werden. Die Klassen sind danach die Jusser (Zehner), Kaffer (Zwanziger) u. s. w. Kaf Bes, Lamed Gimmel u. s. w. sind Zwillinge. Die oben angeführten Beispiele vom Rücken sind: Jud Gimmel 13, Kaf Gimmel 23, Memm Gimmel 43, Nun Gimmel 53, und heißen Jusserrücken, Kafferrücken,
neriſche, theils als eine geoffenbarte, populäre Sprache, welcher letztern die Fallmacher ſtets Form und Schein der Volkseigen- thümlichkeit zu erhalten ſuchen, und in welcher populären Sprache ſie mit dem Volke in einer Weiſe verkehren, als ob ſie ſelbſt dem Volke in dieſem ihnen ſcheinbar fremden, nicht eigenthümlichen Elemente ein Genüge leiſten wollten. Vorzüglich hat die Fall- macherſprache beſondere ſpecifiſche Bezeichnungen für das Volk bei ſolchen Gegenſtänden gewählt, welche im gewöhnlichen Leben ohnehin ſchon allgemeine feſte Typen haben, vorzüglich alſo bei Zahlenreihen, weshalb denn auch beſonders das in den Glücks- buden ſtark betriebene Lottoſpiel, welches ohnehin in neuerer Zeit ſtatt der frühern bloßen Würfelentſcheidung in den Glücksbuden, mehr oder minder modificirt, ſehr auffallend ſich hervordrängt, von ſolchen Fallmacherausdrücken wimmelt. So heißen z. B. Klaſſe alle Zahlen innerhalb einer Zehnerreihe, alſo 1, 2, 3, 4, 9, oder 20, 21, 22, 25, 29, oder 30, 31, 39, oder 40, 41, 49 u. ſ. w., wobei die Klaſſen mit Zehnerklaſſe, Zwanzigerklaſſe, Dreißiger- klaſſe u. ſ. w. bezeichnet werden. Zwillinge ſind die in Klaſſe und Einer gleichen Zahlen, z. B. 11, 22, 33, 44 u. ſ. w. Rücken iſt die Gleichheit der Einer in verſchiedenen Klaſſen, z. B. 13, 23, 43, 53, oder 17, 27, 37, 97 u. ſ. w. Zur ſpeciellen Be- zeichnung der Rücken dienen noch die Einer; ſo ſind die hier an- geführten Rücken Dreierrücken und Siebenerrücken. Eine Num- mer wird zeitig oder kommt vors Bret, wenn ſie gezogen wird; feſt ſitzt ſie, wenn ſie nicht gezogen wird. Eine gedeckte Nummer iſt eine, deren Gewinn geſichert ſein ſoll u. ſ. w. Vgl. das ſehr intereſſante und belehrende Geſpräch bei S. Wagner, a. a. O., S. 44 fg.
Noch bunter erſcheint die Fallmacher-Sprachterminologie im Jüdiſchdeutſchen, in welchem alle Zahlen nach dem Buchſtaben genannt werden. Die Klaſſen ſind danach die Juſſer (Zehner), Kaffer (Zwanziger) u. ſ. w. Kaf Bes, Lamed Gimmel u. ſ. w. ſind Zwillinge. Die oben angeführten Beiſpiele vom Rücken ſind: Jud Gimmel 13, Kaf Gimmel 23, Memm Gimmel 43, Nun Gimmel 53, und heißen Juſſerrücken, Kafferrücken,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0174"n="140"/>
neriſche, theils als eine geoffenbarte, populäre Sprache, welcher<lb/>
letztern die Fallmacher ſtets Form und Schein der Volkseigen-<lb/>
thümlichkeit zu erhalten ſuchen, und in welcher populären Sprache<lb/>ſie mit dem Volke in einer Weiſe verkehren, als ob ſie ſelbſt dem<lb/>
Volke in dieſem ihnen ſcheinbar fremden, nicht eigenthümlichen<lb/>
Elemente ein Genüge leiſten wollten. Vorzüglich hat die Fall-<lb/>
macherſprache beſondere ſpecifiſche Bezeichnungen für das Volk<lb/>
bei ſolchen Gegenſtänden gewählt, welche im gewöhnlichen Leben<lb/>
ohnehin ſchon allgemeine feſte Typen haben, vorzüglich alſo bei<lb/>
Zahlenreihen, weshalb denn auch beſonders das in den Glücks-<lb/>
buden ſtark betriebene Lottoſpiel, welches ohnehin in neuerer Zeit<lb/>ſtatt der frühern bloßen Würfelentſcheidung in den Glücksbuden,<lb/>
mehr oder minder modificirt, ſehr auffallend ſich hervordrängt, von<lb/>ſolchen Fallmacherausdrücken wimmelt. So heißen z. B. <hirendition="#g">Klaſſe</hi><lb/>
alle Zahlen innerhalb einer Zehnerreihe, alſo 1, 2, 3, 4, 9, oder<lb/>
20, 21, 22, 25, 29, oder 30, 31, 39, oder 40, 41, 49 u. ſ. w.,<lb/>
wobei die Klaſſen mit Zehnerklaſſe, Zwanzigerklaſſe, Dreißiger-<lb/>
klaſſe u. ſ. w. bezeichnet werden. <hirendition="#g">Zwillinge</hi>ſind die in Klaſſe<lb/>
und Einer gleichen Zahlen, z. B. 11, 22, 33, 44 u. ſ. w. <hirendition="#g">Rücken</hi><lb/>
iſt die Gleichheit der Einer in verſchiedenen Klaſſen, z. B. 13,<lb/>
23, 43, 53, oder 17, 27, 37, 97 u. ſ. w. Zur ſpeciellen Be-<lb/>
zeichnung der Rücken dienen noch die Einer; ſo ſind die hier an-<lb/>
geführten Rücken <hirendition="#g">Dreierrücken</hi> und <hirendition="#g">Siebenerrücken</hi>. Eine Num-<lb/>
mer <hirendition="#g">wird zeitig</hi> oder <hirendition="#g">kommt vors Bret,</hi> wenn ſie gezogen<lb/>
wird; <hirendition="#g">feſt ſitzt ſie,</hi> wenn ſie nicht gezogen wird. Eine <hirendition="#g">gedeckte</hi><lb/>
Nummer iſt eine, deren Gewinn geſichert ſein ſoll u. ſ. w. Vgl.<lb/>
das ſehr intereſſante und belehrende Geſpräch bei S. Wagner,<lb/>
a. a. O., S. 44 fg.</p><lb/><p>Noch bunter erſcheint die Fallmacher-Sprachterminologie im<lb/>
Jüdiſchdeutſchen, in welchem alle Zahlen nach dem Buchſtaben<lb/>
genannt werden. Die <hirendition="#g">Klaſſen</hi>ſind danach die <hirendition="#g">Juſſer</hi> (Zehner),<lb/><hirendition="#g">Kaffer</hi> (Zwanziger) u. ſ. w. <hirendition="#g">Kaf Bes, Lamed Gimmel</hi> u. ſ. w.<lb/>ſind Zwillinge. Die oben angeführten Beiſpiele vom Rücken ſind:<lb/><hirendition="#g">Jud Gimmel 13, Kaf Gimmel 23, Memm Gimmel 43,<lb/>
Nun Gimmel</hi> 53, und heißen <hirendition="#g">Juſſerrücken, Kafferrücken,<lb/></hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[140/0174]
neriſche, theils als eine geoffenbarte, populäre Sprache, welcher
letztern die Fallmacher ſtets Form und Schein der Volkseigen-
thümlichkeit zu erhalten ſuchen, und in welcher populären Sprache
ſie mit dem Volke in einer Weiſe verkehren, als ob ſie ſelbſt dem
Volke in dieſem ihnen ſcheinbar fremden, nicht eigenthümlichen
Elemente ein Genüge leiſten wollten. Vorzüglich hat die Fall-
macherſprache beſondere ſpecifiſche Bezeichnungen für das Volk
bei ſolchen Gegenſtänden gewählt, welche im gewöhnlichen Leben
ohnehin ſchon allgemeine feſte Typen haben, vorzüglich alſo bei
Zahlenreihen, weshalb denn auch beſonders das in den Glücks-
buden ſtark betriebene Lottoſpiel, welches ohnehin in neuerer Zeit
ſtatt der frühern bloßen Würfelentſcheidung in den Glücksbuden,
mehr oder minder modificirt, ſehr auffallend ſich hervordrängt, von
ſolchen Fallmacherausdrücken wimmelt. So heißen z. B. Klaſſe
alle Zahlen innerhalb einer Zehnerreihe, alſo 1, 2, 3, 4, 9, oder
20, 21, 22, 25, 29, oder 30, 31, 39, oder 40, 41, 49 u. ſ. w.,
wobei die Klaſſen mit Zehnerklaſſe, Zwanzigerklaſſe, Dreißiger-
klaſſe u. ſ. w. bezeichnet werden. Zwillinge ſind die in Klaſſe
und Einer gleichen Zahlen, z. B. 11, 22, 33, 44 u. ſ. w. Rücken
iſt die Gleichheit der Einer in verſchiedenen Klaſſen, z. B. 13,
23, 43, 53, oder 17, 27, 37, 97 u. ſ. w. Zur ſpeciellen Be-
zeichnung der Rücken dienen noch die Einer; ſo ſind die hier an-
geführten Rücken Dreierrücken und Siebenerrücken. Eine Num-
mer wird zeitig oder kommt vors Bret, wenn ſie gezogen
wird; feſt ſitzt ſie, wenn ſie nicht gezogen wird. Eine gedeckte
Nummer iſt eine, deren Gewinn geſichert ſein ſoll u. ſ. w. Vgl.
das ſehr intereſſante und belehrende Geſpräch bei S. Wagner,
a. a. O., S. 44 fg.
Noch bunter erſcheint die Fallmacher-Sprachterminologie im
Jüdiſchdeutſchen, in welchem alle Zahlen nach dem Buchſtaben
genannt werden. Die Klaſſen ſind danach die Juſſer (Zehner),
Kaffer (Zwanziger) u. ſ. w. Kaf Bes, Lamed Gimmel u. ſ. w.
ſind Zwillinge. Die oben angeführten Beiſpiele vom Rücken ſind:
Jud Gimmel 13, Kaf Gimmel 23, Memm Gimmel 43,
Nun Gimmel 53, und heißen Juſſerrücken, Kafferrücken,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/174>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.