Das deutsche Soldatenthum erhielt durch Kurfürst Fried- rich III. schon größere Consolidirung, Stabilität und mehr innern Gehalt. Die Reglements Friedrich's des Großen von 1750 ent- hielten feste Werbebestimmungen, welche jedoch sehr parteiische Exemtionen hatten und Anlaß gaben, daß die Gemeinden der Werbedistricte gerade die liederlichsten Subjecte, deren sie sich zu entledigen wünschten, zur Fahne stellten. Auch war es schlimm, daß in jedem Reiterregiment nur ein Drittel Landeskinder und zwei Drittel Ausländer sein mußten. Dadurch und durch die noch immer harte und rücksichtslose Behandlung der selbst den härtesten körperlichen Mishandlungen ausgesetzten Soldaten ent- stand ein entschiedener sittlicher Rückschritt. Der Beschluß der französischen Nationalversammlung vom 12. Juni 1790 rief jeden waffenfähigen Mann zu den Waffen. Damit war der nächste Jmpuls zur allgemeinen Wehrpflicht auch für ganz Deutschland gegeben, und diese bahnte wie mit einem Zauberschlage dem Sol- datenstande den Weg zu der hohen, ehrenvollen und ausgezeichne- ten Stellung, welche er heute einnimmt. Niemals mag Stand und Pflicht des Soldaten schöner und edler gezeichnet worden sein, als das von einem der herrlichsten Kriegshelden der Neuzeit, Erz- herzog Karl, im Jahre 1806 in der Einleitung zum "Abrichtungs- reglement für kaiserliche und kaiserlich königliche Jnfanterie" geschehen ist, und niemals hat die Weltgeschichte ein ähnliches Beispiel so großartiger, edler, schwunghafter Kriegsbegeisterung gesehen, als seit dem Augenblicke, in welchem der König von Preußen sich "an sein Volk" wandte und dem deutschen Wesen den bewußten Ausdruck verlieh, dadurch, daß er Volk und Sol- datenthum ineinander aufgehen ließ.
Der wundervolle Aufschwung dieser letztern Zeit ist nicht allein in dem gegen den schmählichsten fremden Despotendruck sich auf- lehnenden deutschen Freiheitsgefühle zu finden, ein noch immer nicht stark genug betonter Grund dazu war die Veredelung des Soldatenthums durch das Volk mit seinem begeisterten freiheit- lichen Nationalgefühl an Stelle eines durch drei Jahrhunderte aus der Hefe aller Nationen ohne Ziel und Aussicht auf ein
Das deutſche Soldatenthum erhielt durch Kurfürſt Fried- rich III. ſchon größere Conſolidirung, Stabilität und mehr innern Gehalt. Die Reglements Friedrich’s des Großen von 1750 ent- hielten feſte Werbebeſtimmungen, welche jedoch ſehr parteiiſche Exemtionen hatten und Anlaß gaben, daß die Gemeinden der Werbediſtricte gerade die liederlichſten Subjecte, deren ſie ſich zu entledigen wünſchten, zur Fahne ſtellten. Auch war es ſchlimm, daß in jedem Reiterregiment nur ein Drittel Landeskinder und zwei Drittel Ausländer ſein mußten. Dadurch und durch die noch immer harte und rückſichtsloſe Behandlung der ſelbſt den härteſten körperlichen Mishandlungen ausgeſetzten Soldaten ent- ſtand ein entſchiedener ſittlicher Rückſchritt. Der Beſchluß der franzöſiſchen Nationalverſammlung vom 12. Juni 1790 rief jeden waffenfähigen Mann zu den Waffen. Damit war der nächſte Jmpuls zur allgemeinen Wehrpflicht auch für ganz Deutſchland gegeben, und dieſe bahnte wie mit einem Zauberſchlage dem Sol- datenſtande den Weg zu der hohen, ehrenvollen und ausgezeichne- ten Stellung, welche er heute einnimmt. Niemals mag Stand und Pflicht des Soldaten ſchöner und edler gezeichnet worden ſein, als das von einem der herrlichſten Kriegshelden der Neuzeit, Erz- herzog Karl, im Jahre 1806 in der Einleitung zum „Abrichtungs- reglement für kaiſerliche und kaiſerlich königliche Jnfanterie“ geſchehen iſt, und niemals hat die Weltgeſchichte ein ähnliches Beiſpiel ſo großartiger, edler, ſchwunghafter Kriegsbegeiſterung geſehen, als ſeit dem Augenblicke, in welchem der König von Preußen ſich „an ſein Volk“ wandte und dem deutſchen Weſen den bewußten Ausdruck verlieh, dadurch, daß er Volk und Sol- datenthum ineinander aufgehen ließ.
Der wundervolle Aufſchwung dieſer letztern Zeit iſt nicht allein in dem gegen den ſchmählichſten fremden Despotendruck ſich auf- lehnenden deutſchen Freiheitsgefühle zu finden, ein noch immer nicht ſtark genug betonter Grund dazu war die Veredelung des Soldatenthums durch das Volk mit ſeinem begeiſterten freiheit- lichen Nationalgefühl an Stelle eines durch drei Jahrhunderte aus der Hefe aller Nationen ohne Ziel und Ausſicht auf ein
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Das deutſche Soldatenthum erhielt durch Kurfürſt Fried-
rich III. ſchon größere Conſolidirung, Stabilität und mehr innern
Gehalt. Die Reglements Friedrich’s des Großen von 1750 ent-
hielten feſte Werbebeſtimmungen, welche jedoch ſehr parteiiſche
Exemtionen hatten und Anlaß gaben, daß die Gemeinden der
Werbediſtricte gerade die liederlichſten Subjecte, deren ſie ſich
zu entledigen wünſchten, zur Fahne ſtellten. Auch war es ſchlimm,
daß in jedem Reiterregiment nur ein Drittel Landeskinder und
zwei Drittel Ausländer ſein mußten. Dadurch und durch die
noch immer harte und rückſichtsloſe Behandlung der ſelbſt den
härteſten körperlichen Mishandlungen ausgeſetzten Soldaten ent-
ſtand ein entſchiedener ſittlicher Rückſchritt. Der Beſchluß der
franzöſiſchen Nationalverſammlung vom 12. Juni 1790 rief jeden
waffenfähigen Mann zu den Waffen. Damit war der nächſte
Jmpuls zur allgemeinen Wehrpflicht auch für ganz Deutſchland
gegeben, und dieſe bahnte wie mit einem Zauberſchlage dem Sol-
datenſtande den Weg zu der hohen, ehrenvollen und ausgezeichne-
ten Stellung, welche er heute einnimmt. Niemals mag Stand
und Pflicht des Soldaten ſchöner und edler gezeichnet worden ſein,
als das von einem der herrlichſten Kriegshelden der Neuzeit, Erz-
herzog Karl, im Jahre 1806 in der Einleitung zum „Abrichtungs-
reglement für kaiſerliche und kaiſerlich königliche Jnfanterie“
geſchehen iſt, und niemals hat die Weltgeſchichte ein ähnliches
Beiſpiel ſo großartiger, edler, ſchwunghafter Kriegsbegeiſterung
geſehen, als ſeit dem Augenblicke, in welchem der König von
Preußen ſich „an ſein Volk“ wandte und dem deutſchen Weſen
den bewußten Ausdruck verlieh, dadurch, daß er Volk und Sol-
datenthum ineinander aufgehen ließ.
Der wundervolle Aufſchwung dieſer letztern Zeit iſt nicht allein
in dem gegen den ſchmählichſten fremden Despotendruck ſich auf-
lehnenden deutſchen Freiheitsgefühle zu finden, ein noch immer
nicht ſtark genug betonter Grund dazu war die Veredelung des
Soldatenthums durch das Volk mit ſeinem begeiſterten freiheit-
lichen Nationalgefühl an Stelle eines durch drei Jahrhunderte
aus der Hefe aller Nationen ohne Ziel und Ausſicht auf ein
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/156>, abgerufen am 22.11.2024.
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