jährigen Kriegs, so muß man bekennen, daß nach einem mehr als dreihundertjährigen furchtbaren Treiben des deutschen Kriegs- volks die neueste Zeit allerdings sehr Großes am Soldatenthum gefördert hat. Die ersten Exemplare jenes Soldatenthums über- haupt, welche Deutschland zu sehen bekam, waren die Bruchstücke des aus Räuberbanden vom Connetable Bernhard von Armagnac im Anfang des 15. Jahrhunderts gesammelten, später mit dem Dauphin für Oesterreich gegen die Eidgenossen geschickten Armagnaken- heeres, welches nach seiner Zersprengung in der Schlacht bei St.- Jakob auf die empörendste Weise im Elsaß hauste. Jm selben Jahrhundert findet man unter Maximilian I. die gleich verworfe- nen und verrufenen Landsknechte, über deren Auftreten schon Th. I, S. 48 gesprochen ist, und welche nicht allein in sittlicher, sondern auch in medicinalpolizeilicher Hinsicht historisch geworden sind, da sie, die von dem Volke wegen ihrer brutalen Liederlich- keit mit dem Namen buc gebrandmarkten Wüstlinge, es waren, welche die Syphilis und Blattern nach Deutschland einschleppten. Wennschon ihr Wesen und Treiben von Pontus Heuterus von Telfft ("Belgische Geschichte", VII, 341), von Sebastian Franck ("Weltchronik", f. 230) sehr dramatisch und von Hans Sachs (I, 995) poetisch geschildert wird:
Jhr Angesicht schrammet und knebelbartet, auf das allerwildest geartet; in summa wüst aller Gestalt, wie man vor Jahren die Teufel malt u. s. w.
so erkennt man diese würzige Hauptingredienz des Soldatenthums vom 15.--17. Jahrhundert sehr deutlich aus der Unzahl der Kriegsordnungen, Artikelbriefe, Reglements u. s. w., aus Maxi- milian's "Reuterbestallung" und "Der Teutschen Knechte Articula" u. s. w., welche wie eine psychologische Paraphrase dieser un- geheuerlichen Gestalten erscheinen. Jn den "Fünf Büchern vom Kriegsregiment und Ordnung" von Leonhard Frönsperger figu- riren für jedes Fußknechtregiment neben dem Oberst und seinem Lieutenant, den Hauptleuten, dem Wacht-, Proviant- und Quartier- meister noch der Schultheiß, Gerichtsschreiber, Gerichtswaibel,
jährigen Kriegs, ſo muß man bekennen, daß nach einem mehr als dreihundertjährigen furchtbaren Treiben des deutſchen Kriegs- volks die neueſte Zeit allerdings ſehr Großes am Soldatenthum gefördert hat. Die erſten Exemplare jenes Soldatenthums über- haupt, welche Deutſchland zu ſehen bekam, waren die Bruchſtücke des aus Räuberbanden vom Connétable Bernhard von Armagnac im Anfang des 15. Jahrhunderts geſammelten, ſpäter mit dem Dauphin für Oeſterreich gegen die Eidgenoſſen geſchickten Armagnaken- heeres, welches nach ſeiner Zerſprengung in der Schlacht bei St.- Jakob auf die empörendſte Weiſe im Elſaß hauſte. Jm ſelben Jahrhundert findet man unter Maximilian I. die gleich verworfe- nen und verrufenen Landsknechte, über deren Auftreten ſchon Th. I, S. 48 geſprochen iſt, und welche nicht allein in ſittlicher, ſondern auch in medicinalpolizeilicher Hinſicht hiſtoriſch geworden ſind, da ſie, die von dem Volke wegen ihrer brutalen Liederlich- keit mit dem Namen buc gebrandmarkten Wüſtlinge, es waren, welche die Syphilis und Blattern nach Deutſchland einſchleppten. Wennſchon ihr Weſen und Treiben von Pontus Heuterus von Telfft („Belgiſche Geſchichte“, VII, 341), von Sebaſtian Franck („Weltchronik“, f. 230) ſehr dramatiſch und von Hans Sachs (I, 995) poetiſch geſchildert wird:
Jhr Angeſicht ſchrammet und knebelbartet, auf das allerwildeſt geartet; in ſumma wüſt aller Geſtalt, wie man vor Jahren die Teufel malt u. ſ. w.
ſo erkennt man dieſe würzige Hauptingredienz des Soldatenthums vom 15.—17. Jahrhundert ſehr deutlich aus der Unzahl der Kriegsordnungen, Artikelbriefe, Reglements u. ſ. w., aus Maxi- milian’s „Reuterbeſtallung“ und „Der Teutſchen Knechte Articula“ u. ſ. w., welche wie eine pſychologiſche Paraphraſe dieſer un- geheuerlichen Geſtalten erſcheinen. Jn den „Fünf Büchern vom Kriegsregiment und Ordnung“ von Leonhard Frönſperger figu- riren für jedes Fußknechtregiment neben dem Oberſt und ſeinem Lieutenant, den Hauptleuten, dem Wacht-, Proviant- und Quartier- meiſter noch der Schultheiß, Gerichtsſchreiber, Gerichtswaibel,
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jährigen Kriegs, ſo muß man bekennen, daß nach einem mehr
als dreihundertjährigen furchtbaren Treiben des deutſchen Kriegs-
volks die neueſte Zeit allerdings ſehr Großes am Soldatenthum
gefördert hat. Die erſten Exemplare jenes Soldatenthums über-
haupt, welche Deutſchland zu ſehen bekam, waren die Bruchſtücke
des aus Räuberbanden vom Connétable Bernhard von Armagnac
im Anfang des 15. Jahrhunderts geſammelten, ſpäter mit dem
Dauphin für Oeſterreich gegen die Eidgenoſſen geſchickten Armagnaken-
heeres, welches nach ſeiner Zerſprengung in der Schlacht bei St.-
Jakob auf die empörendſte Weiſe im Elſaß hauſte. Jm ſelben
Jahrhundert findet man unter Maximilian I. die gleich verworfe-
nen und verrufenen Landsknechte, über deren Auftreten ſchon
Th. I, S. 48 geſprochen iſt, und welche nicht allein in ſittlicher,
ſondern auch in medicinalpolizeilicher Hinſicht hiſtoriſch geworden
ſind, da ſie, die von dem Volke wegen ihrer brutalen Liederlich-
keit mit dem Namen buc gebrandmarkten Wüſtlinge, es waren,
welche die Syphilis und Blattern nach Deutſchland einſchleppten.
Wennſchon ihr Weſen und Treiben von Pontus Heuterus von
Telfft („Belgiſche Geſchichte“, VII, 341), von Sebaſtian Franck
(„Weltchronik“, f. 230) ſehr dramatiſch und von Hans Sachs
(I, 995) poetiſch geſchildert wird:
Jhr Angeſicht ſchrammet und knebelbartet,
auf das allerwildeſt geartet;
in ſumma wüſt aller Geſtalt,
wie man vor Jahren die Teufel malt u. ſ. w.
ſo erkennt man dieſe würzige Hauptingredienz des Soldatenthums
vom 15.—17. Jahrhundert ſehr deutlich aus der Unzahl der
Kriegsordnungen, Artikelbriefe, Reglements u. ſ. w., aus Maxi-
milian’s „Reuterbeſtallung“ und „Der Teutſchen Knechte Articula“
u. ſ. w., welche wie eine pſychologiſche Paraphraſe dieſer un-
geheuerlichen Geſtalten erſcheinen. Jn den „Fünf Büchern vom
Kriegsregiment und Ordnung“ von Leonhard Frönſperger figu-
riren für jedes Fußknechtregiment neben dem Oberſt und ſeinem
Lieutenant, den Hauptleuten, dem Wacht-, Proviant- und Quartier-
meiſter noch der Schultheiß, Gerichtsſchreiber, Gerichtswaibel,
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/154>, abgerufen am 24.11.2024.
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