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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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würde recht allgemein begreiflich werden, wenn man Zeit und
Mühe daran setzte, aus den vielen Schriften der Gelehrten, beson-
ders Theologen des 16. bis 18. Jahrhunderts (welche in ihrer
behaglichen Muße und Schreibseligkeit niemals versäumten, die
bei ihnen vorkommenden, keineswegs vermiedenen, sondern mit
sichtbarem Durchbruch der alten Studentennatur gesuchten Aus-
drücke gelegentlich in ihrer historischen Entstehung nachzuweisen
und zu erläutern), eine Lexikographie der Studentensprache zu sam-
meln und damit den Beweis zu führen, daß die Studentensprache
kaum eine Spur von künstlicher Linguistik enthält, sondern eine offene,
klare, historische Gedächtnißtafel ist, zwischen deren Zeilen man ein
bei weitem tieferes Leben lesen kann, als oft der Studirende selbst
ahnt, während er diesen sprachlichen Comfort mit Behagen benutzt
und als Type seines prächtigen Studententhums an und mit
sich trägt.

Dies reiche Studentenleben mit seiner fast hypertrophischen
geistigen Constitution hat mit voller Gewalt klarer Geistigkeit tief
in das ganze socialpolitische Leben hineingegriffen und eine Litera-
tur geschaffen, welche in der bisherigen, nüchtern zusammengetra-

lein, die bey allen Sauff-gelacken und Spiel-tafeln von diesem Gehasi schwatz-
ten. Wenn nun einer was ungereimtes oder unbesonnenes thäte, flugs hiessen
sie ihn Gehasi. Das Gepläuder zog auf die benachbarte Universitäten, endlich
kams gar unter den Alleman, so daß der Arme Gehasi den Kopf verlor, und
wo einer nur was lächerliches begunte, gleich warffen sie ihm den Rumpf an
Hals, und hiessen ihn Hasi. Zuletzt ist biß auf diese Stund in Teutschland ein
Haas draus worden. Drittens von den Schaaf-Käsen. Es wird erzählet,
eines Schäfers Sohn, ein feiner Mensch, habe unter andern mit verlangt
Baccalaureus zu werden. Nun sey der ehrliche Mann, so diese Creaturen
dazumal machen muste, ein sonderbarer Liebhaber guter Schaaf-Käse gewesen.
Wie das der Candidat merckte, schrieb er seinem Vatter, er möchte ihm doch
ein Dutzt guter fetter Schaaf-Käse senden, die wolle er seinem Schöpfer prä-
sentiren. Der Vatter gehorchte dem Sohn, und der gute Professor aß die Käse
mit gutem appetit. Als das die Burschen höreten, hoben sie aus Rallerey an,
die Baccalaureos Schaaf-Käse zu heissen, und von der Zeit an soll dieser
Grad allemälich daselbst verwelckt sein." Vgl. weiter darüber die witzige Dis-
putation: "Theses de Hasione et Hasibili qualitate", S. 511 der "Facetiae
Facetiarum
" (1647), ferner S. 93 der "Nugae venales" (1720) und daselbst
S. 120 die Disputatio Physiologistica de jure et natura Pennalium.

würde recht allgemein begreiflich werden, wenn man Zeit und
Mühe daran ſetzte, aus den vielen Schriften der Gelehrten, beſon-
ders Theologen des 16. bis 18. Jahrhunderts (welche in ihrer
behaglichen Muße und Schreibſeligkeit niemals verſäumten, die
bei ihnen vorkommenden, keineswegs vermiedenen, ſondern mit
ſichtbarem Durchbruch der alten Studentennatur geſuchten Aus-
drücke gelegentlich in ihrer hiſtoriſchen Entſtehung nachzuweiſen
und zu erläutern), eine Lexikographie der Studentenſprache zu ſam-
meln und damit den Beweis zu führen, daß die Studentenſprache
kaum eine Spur von künſtlicher Linguiſtik enthält, ſondern eine offene,
klare, hiſtoriſche Gedächtnißtafel iſt, zwiſchen deren Zeilen man ein
bei weitem tieferes Leben leſen kann, als oft der Studirende ſelbſt
ahnt, während er dieſen ſprachlichen Comfort mit Behagen benutzt
und als Type ſeines prächtigen Studententhums an und mit
ſich trägt.

Dies reiche Studentenleben mit ſeiner faſt hypertrophiſchen
geiſtigen Conſtitution hat mit voller Gewalt klarer Geiſtigkeit tief
in das ganze ſocialpolitiſche Leben hineingegriffen und eine Litera-
tur geſchaffen, welche in der bisherigen, nüchtern zuſammengetra-

lein, die bey allen Sauff-gelacken und Spiel-tafeln von dieſem Gehaſi ſchwatz-
ten. Wenn nun einer was ungereimtes oder unbeſonnenes thäte, flugs hieſſen
ſie ihn Gehaſi. Das Gepläuder zog auf die benachbarte Univerſitäten, endlich
kams gar unter den Alleman, ſo daß der Arme Gehaſi den Kopf verlor, und
wo einer nur was lächerliches begunte, gleich warffen ſie ihm den Rumpf an
Hals, und hieſſen ihn Haſi. Zuletzt iſt biß auf dieſe Stund in Teutſchland ein
Haas draus worden. Drittens von den Schaaf-Käſen. Es wird erzählet,
eines Schäfers Sohn, ein feiner Menſch, habe unter andern mit verlangt
Baccalaureus zu werden. Nun ſey der ehrliche Mann, ſo dieſe Creaturen
dazumal machen muſte, ein ſonderbarer Liebhaber guter Schaaf-Käſe geweſen.
Wie das der Candidat merckte, ſchrieb er ſeinem Vatter, er möchte ihm doch
ein Dutzt guter fetter Schaaf-Käſe ſenden, die wolle er ſeinem Schöpfer prä-
ſentiren. Der Vatter gehorchte dem Sohn, und der gute Profeſſor aß die Käſe
mit gutem appetit. Als das die Burſchen höreten, hoben ſie aus Rallerey an,
die Baccalaureos Schaaf-Käſe zu heiſſen, und von der Zeit an ſoll dieſer
Grad allemälich daſelbſt verwelckt ſein.“ Vgl. weiter darüber die witzige Dis-
putation: „Theses de Hasione et Hasibili qualitate“, S. 511 der „Facetiae
Facetiarum
“ (1647), ferner S. 93 der „Nugae venales“ (1720) und daſelbſt
S. 120 die Disputatio Physiologistica de jure et natura Pennalium.
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[95/0129] würde recht allgemein begreiflich werden, wenn man Zeit und Mühe daran ſetzte, aus den vielen Schriften der Gelehrten, beſon- ders Theologen des 16. bis 18. Jahrhunderts (welche in ihrer behaglichen Muße und Schreibſeligkeit niemals verſäumten, die bei ihnen vorkommenden, keineswegs vermiedenen, ſondern mit ſichtbarem Durchbruch der alten Studentennatur geſuchten Aus- drücke gelegentlich in ihrer hiſtoriſchen Entſtehung nachzuweiſen und zu erläutern), eine Lexikographie der Studentenſprache zu ſam- meln und damit den Beweis zu führen, daß die Studentenſprache kaum eine Spur von künſtlicher Linguiſtik enthält, ſondern eine offene, klare, hiſtoriſche Gedächtnißtafel iſt, zwiſchen deren Zeilen man ein bei weitem tieferes Leben leſen kann, als oft der Studirende ſelbſt ahnt, während er dieſen ſprachlichen Comfort mit Behagen benutzt und als Type ſeines prächtigen Studententhums an und mit ſich trägt. Dies reiche Studentenleben mit ſeiner faſt hypertrophiſchen geiſtigen Conſtitution hat mit voller Gewalt klarer Geiſtigkeit tief in das ganze ſocialpolitiſche Leben hineingegriffen und eine Litera- tur geſchaffen, welche in der bisherigen, nüchtern zuſammengetra- 1) 1) lein, die bey allen Sauff-gelacken und Spiel-tafeln von dieſem Gehaſi ſchwatz- ten. Wenn nun einer was ungereimtes oder unbeſonnenes thäte, flugs hieſſen ſie ihn Gehaſi. Das Gepläuder zog auf die benachbarte Univerſitäten, endlich kams gar unter den Alleman, ſo daß der Arme Gehaſi den Kopf verlor, und wo einer nur was lächerliches begunte, gleich warffen ſie ihm den Rumpf an Hals, und hieſſen ihn Haſi. Zuletzt iſt biß auf dieſe Stund in Teutſchland ein Haas draus worden. Drittens von den Schaaf-Käſen. Es wird erzählet, eines Schäfers Sohn, ein feiner Menſch, habe unter andern mit verlangt Baccalaureus zu werden. Nun ſey der ehrliche Mann, ſo dieſe Creaturen dazumal machen muſte, ein ſonderbarer Liebhaber guter Schaaf-Käſe geweſen. Wie das der Candidat merckte, ſchrieb er ſeinem Vatter, er möchte ihm doch ein Dutzt guter fetter Schaaf-Käſe ſenden, die wolle er ſeinem Schöpfer prä- ſentiren. Der Vatter gehorchte dem Sohn, und der gute Profeſſor aß die Käſe mit gutem appetit. Als das die Burſchen höreten, hoben ſie aus Rallerey an, die Baccalaureos Schaaf-Käſe zu heiſſen, und von der Zeit an ſoll dieſer Grad allemälich daſelbſt verwelckt ſein.“ Vgl. weiter darüber die witzige Dis- putation: „Theses de Hasione et Hasibili qualitate“, S. 511 der „Facetiae Facetiarum“ (1647), ferner S. 93 der „Nugae venales“ (1720) und daſelbſt S. 120 die Disputatio Physiologistica de jure et natura Pennalium.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/129>, abgerufen am 22.11.2024.