Gewalt angethan, wie man aus folgender Zusammenstellung erkennt:
[fremdsprachliches Material] Chi nasce muor, Oime, che pass' acerbo. [fremdsprachliches Material] Colto vien l'huom, cosi ordin' il Cielo [fremdsprachliches Material] Mose mori Mose gia car de verbo. [fremdsprachliches Material] Santo sia ogn' huom, con puro zelo. [fremdsprachliches Material] Ch' alla meta, gia mai senza riserbo. [fremdsprachliches Material] Arriu' huom, ma vedran, in cangiar pelo, [fremdsprachliches Material] Se fin habiam, ch' al Cielo vero ameno, [fremdsprachliches Material] Val' huomo va se viva assai, se meno.
Man kann hier nur die fast unheimlich scharfsinnige Kunst bewundern, welche es verstand, ein solches homöophonetisches Ge- dicht in zwei voneinander ganz verschiedenen Sprachen zu er- sinnen. An der Kunst solcher Beispiele gerade sieht man recht schlagend, wieviel eigenthümliches geistiges Fluidum eine jede Sprache hat, welches nicht im bloßen todten Wortbilde allein, sondern wesentlich im phonetischen Elemente des Wortes erfaßt und verstanden werden kann, und welch eine sorgsame Behand- lung die todten Sprachen erfordern, wenn sie nicht von den Schwin- gungen des phonetischen Elements lebender Sprachen erschüttert und verstimmt werden sollen, wie ja das barbarische mittel- alterliche Latein der Geistlichen und Mönche überall eine Reso- nanz der lebendigen deutschen Sprache, zum Nachtheil der alten classischen Sprache, aufweist, welche in ihrer Verunstaltung endlich
Gewalt angethan, wie man aus folgender Zuſammenſtellung erkennt:
[fremdsprachliches Material] Chi nasce muor, Oime, che pass’ acerbo. [fremdsprachliches Material] Colto vien l’huom, così ordin’ il Cielo [fremdsprachliches Material] Mose mori Mose gia car de verbo. [fremdsprachliches Material] Santo sia ogn’ huom, con puro zelo. [fremdsprachliches Material] Ch’ alla metà, gia mai senza riserbo. [fremdsprachliches Material] Arriu’ huom, ma vedran, in cangiar pelo, [fremdsprachliches Material] Se fin habiam, ch’ al Cielo vero ameno, [fremdsprachliches Material] Val’ huomo và se viva assai, se meno.
Man kann hier nur die faſt unheimlich ſcharfſinnige Kunſt bewundern, welche es verſtand, ein ſolches homöophonetiſches Ge- dicht in zwei voneinander ganz verſchiedenen Sprachen zu er- ſinnen. An der Kunſt ſolcher Beiſpiele gerade ſieht man recht ſchlagend, wieviel eigenthümliches geiſtiges Fluidum eine jede Sprache hat, welches nicht im bloßen todten Wortbilde allein, ſondern weſentlich im phonetiſchen Elemente des Wortes erfaßt und verſtanden werden kann, und welch eine ſorgſame Behand- lung die todten Sprachen erfordern, wenn ſie nicht von den Schwin- gungen des phonetiſchen Elements lebender Sprachen erſchüttert und verſtimmt werden ſollen, wie ja das barbariſche mittel- alterliche Latein der Geiſtlichen und Mönche überall eine Reſo- nanz der lebendigen deutſchen Sprache, zum Nachtheil der alten claſſiſchen Sprache, aufweiſt, welche in ihrer Verunſtaltung endlich
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Gewalt angethan, wie man aus folgender Zuſammenſtellung
erkennt:
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Chi nasce muor, Oime, che pass’ acerbo.
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Colto vien l’huom, così ordin’ il Cielo
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Mose mori Mose gia car de verbo.
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Santo sia ogn’ huom, con puro zelo.
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Ch’ alla metà, gia mai senza riserbo.
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Arriu’ huom, ma vedran, in cangiar pelo,
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Se fin habiam, ch’ al Cielo vero ameno,
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Val’ huomo và se viva assai, se meno.
Man kann hier nur die faſt unheimlich ſcharfſinnige Kunſt
bewundern, welche es verſtand, ein ſolches homöophonetiſches Ge-
dicht in zwei voneinander ganz verſchiedenen Sprachen zu er-
ſinnen. An der Kunſt ſolcher Beiſpiele gerade ſieht man recht
ſchlagend, wieviel eigenthümliches geiſtiges Fluidum eine jede
Sprache hat, welches nicht im bloßen todten Wortbilde allein,
ſondern weſentlich im phonetiſchen Elemente des Wortes erfaßt
und verſtanden werden kann, und welch eine ſorgſame Behand-
lung die todten Sprachen erfordern, wenn ſie nicht von den Schwin-
gungen des phonetiſchen Elements lebender Sprachen erſchüttert
und verſtimmt werden ſollen, wie ja das barbariſche mittel-
alterliche Latein der Geiſtlichen und Mönche überall eine Reſo-
nanz der lebendigen deutſchen Sprache, zum Nachtheil der alten
claſſiſchen Sprache, aufweiſt, welche in ihrer Verunſtaltung endlich
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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