der ohnehin gar nicht näher begründeten Behauptung Genthe's (S. 61) beipflichten, daß die Maccaronea eine Tochter der Fiden- ziana (pedantesca) gewesen sei. Auch läßt Folengo recht lebendig seine Laune nach allen Seiten hin übersprudeln und hält sich nicht verbunden, mit der Geisel seiner Satire stets auf einen und den- selben Gegenstand loszuschlagen, sondern schwingt die Geisel lustig um sich und trifft rücksichtlos jeden, welcher ihm zu nahe kommt. Hält man aber seine Sprache zusammen mit seinem Landstreicher- leben, aus welchem heraus er dichtete, wie ja schon der Stoff genugsam zeigt, so wird man stark versucht, auch hinsichtlich sei- ner maccaronischen Sprache seinem Landstreicherleben einen be- deutenden Einfluß zuzuschreiben, welche Sprache denn auch in der That der jüdischdeutschen Sprache ganz analog ist. Folengo wagte vielleicht aus Mangel an hinreichender Kenntniß und Uebung im Hebräischen keinen directen jüdischitalienischen Versuch, welchen sein Zeitgenosse Ercole Bottrigari, freilich sehr ungeschickt und unglücklich, unternahm 1), z. B.:
...... I' ti saluto Bramoso molto intender quale Hor sia il tuo stato, ch'a Dio piaccia Ch'egli [fremdsprachliches Material] sia: et [fremdsprachliches Material] e felice --
wobei nur von einer Einstreuung vereinzelter hebräischer Wörter, nicht aber von einer Wortverbindung mit dem Jtalienischen die Rede sein kann. Folengo aber muß das Judendeutsch gekannt und die Eigenthümlichkeit seiner Mischung begriffen haben, wenn er auch das Hebräische und Deutsche selbst darin nicht genauer verstand. Jedenfalls muß er in seinem Landstreicherleben dem stets bis zur Unausweichbarkeit ergreifenden lebendigen Juden- zuge zwischen Deutschland und Jtalien begegnet und sogar ihm auch verfallen gewesen sein und darum von der bis dahin un-
1) Vgl. S. 22 bei Genthe, dem die Genauigkeit abgeht und der den Ercole Bottrigari (1531--1609) Ercobe Bottrigara nennt. Es kann eben nur der Bologneser Ercole Bottrigari gemeint sein, welcher vorzüglich durch seine mathematischen Kenntnisse und Schriften sowie durch seine bedeutende Biblio- thek sich einen berühmten Namen machte.
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der ohnehin gar nicht näher begründeten Behauptung Genthe’s (S. 61) beipflichten, daß die Maccaronea eine Tochter der Fiden- ziana (pedantesca) geweſen ſei. Auch läßt Folengo recht lebendig ſeine Laune nach allen Seiten hin überſprudeln und hält ſich nicht verbunden, mit der Geiſel ſeiner Satire ſtets auf einen und den- ſelben Gegenſtand loszuſchlagen, ſondern ſchwingt die Geiſel luſtig um ſich und trifft rückſichtlos jeden, welcher ihm zu nahe kommt. Hält man aber ſeine Sprache zuſammen mit ſeinem Landſtreicher- leben, aus welchem heraus er dichtete, wie ja ſchon der Stoff genugſam zeigt, ſo wird man ſtark verſucht, auch hinſichtlich ſei- ner maccaroniſchen Sprache ſeinem Landſtreicherleben einen be- deutenden Einfluß zuzuſchreiben, welche Sprache denn auch in der That der jüdiſchdeutſchen Sprache ganz analog iſt. Folengo wagte vielleicht aus Mangel an hinreichender Kenntniß und Uebung im Hebräiſchen keinen directen jüdiſchitalieniſchen Verſuch, welchen ſein Zeitgenoſſe Ercole Bottrigari, freilich ſehr ungeſchickt und unglücklich, unternahm 1), z. B.:
...... I’ ti saluto Bramoso molto intender quale Hor sia il tuo stato, ch’a Dio piaccia Ch’egli [fremdsprachliches Material] sia: et [fremdsprachliches Material] e felice —
wobei nur von einer Einſtreuung vereinzelter hebräiſcher Wörter, nicht aber von einer Wortverbindung mit dem Jtalieniſchen die Rede ſein kann. Folengo aber muß das Judendeutſch gekannt und die Eigenthümlichkeit ſeiner Miſchung begriffen haben, wenn er auch das Hebräiſche und Deutſche ſelbſt darin nicht genauer verſtand. Jedenfalls muß er in ſeinem Landſtreicherleben dem ſtets bis zur Unausweichbarkeit ergreifenden lebendigen Juden- zuge zwiſchen Deutſchland und Jtalien begegnet und ſogar ihm auch verfallen geweſen ſein und darum von der bis dahin un-
1) Vgl. S. 22 bei Genthe, dem die Genauigkeit abgeht und der den Ercole Bottrigari (1531—1609) Ercobe Bottrigara nennt. Es kann eben nur der Bologneſer Ercole Bottrigari gemeint ſein, welcher vorzüglich durch ſeine mathematiſchen Kenntniſſe und Schriften ſowie durch ſeine bedeutende Biblio- thek ſich einen berühmten Namen machte.
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der ohnehin gar nicht näher begründeten Behauptung Genthe’s
(S. 61) beipflichten, daß die Maccaronea eine Tochter der Fiden-
ziana (pedantesca) geweſen ſei. Auch läßt Folengo recht lebendig
ſeine Laune nach allen Seiten hin überſprudeln und hält ſich nicht
verbunden, mit der Geiſel ſeiner Satire ſtets auf einen und den-
ſelben Gegenſtand loszuſchlagen, ſondern ſchwingt die Geiſel luſtig
um ſich und trifft rückſichtlos jeden, welcher ihm zu nahe kommt.
Hält man aber ſeine Sprache zuſammen mit ſeinem Landſtreicher-
leben, aus welchem heraus er dichtete, wie ja ſchon der Stoff
genugſam zeigt, ſo wird man ſtark verſucht, auch hinſichtlich ſei-
ner maccaroniſchen Sprache ſeinem Landſtreicherleben einen be-
deutenden Einfluß zuzuſchreiben, welche Sprache denn auch in
der That der jüdiſchdeutſchen Sprache ganz analog iſt. Folengo
wagte vielleicht aus Mangel an hinreichender Kenntniß und Uebung
im Hebräiſchen keinen directen jüdiſchitalieniſchen Verſuch, welchen
ſein Zeitgenoſſe Ercole Bottrigari, freilich ſehr ungeſchickt und
unglücklich, unternahm 1), z. B.:
...... I’ ti saluto
Bramoso molto intender quale
Hor sia il tuo stato, ch’a Dio piaccia
Ch’egli _ sia: et _ e felice —
wobei nur von einer Einſtreuung vereinzelter hebräiſcher Wörter,
nicht aber von einer Wortverbindung mit dem Jtalieniſchen die
Rede ſein kann. Folengo aber muß das Judendeutſch gekannt
und die Eigenthümlichkeit ſeiner Miſchung begriffen haben, wenn
er auch das Hebräiſche und Deutſche ſelbſt darin nicht genauer
verſtand. Jedenfalls muß er in ſeinem Landſtreicherleben dem
ſtets bis zur Unausweichbarkeit ergreifenden lebendigen Juden-
zuge zwiſchen Deutſchland und Jtalien begegnet und ſogar ihm
auch verfallen geweſen ſein und darum von der bis dahin un-
1) Vgl. S. 22 bei Genthe, dem die Genauigkeit abgeht und der den
Ercole Bottrigari (1531—1609) Ercobe Bottrigara nennt. Es kann eben nur
der Bologneſer Ercole Bottrigari gemeint ſein, welcher vorzüglich durch ſeine
mathematiſchen Kenntniſſe und Schriften ſowie durch ſeine bedeutende Biblio-
thek ſich einen berühmten Namen machte.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/117>, abgerufen am 24.11.2024.
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