Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

auf dem Sterbebette angeordnet hatte. Erst mit Don Teofilo
Folengo oder de Folenghi, welcher überhaupt mit dem vollsten
Rechte der Erfinder der Maccaronea genannt zu werden verdient
und genannt wird, beginnt die maccaronische Poesie. Folengo's
Leben ist so merkwürdig wie seine Erfindung. Er wurde am
8. Nov. 1491 zu Cipada, unweit Mantua, aus ansehnlicher Fa-
milie geboren, zeigte schon früh bedeutende poetische Gaben und
ging bereits 1507 in ein Benedictinerkloster, woselbst er am
24. Juni 1509 Profeß ablegte. Nach etwa sieben Jahren ent-
sprang er aus dem Kloster mit einer schönen Person, Girolama
Dedia, welche er leidenschaftlich liebte, trieb ein liederliches Va-
gantenleben, machte alles denkbare Elend durch, wurde Soldat
und trat 1527 wieder in das Kloster zurück. Gleich im Anfang
seines zehnjährigen Vagabundenlebens wandte er sich zur macca-
ronischen Poesie, deren Namen und Wesen er selbst erläutert:
Ars ista poetica nuncupatur ars maccaronica a maccaronibus
derivata, qui maccarones sunt quoddam pulmentum, farina,
caseo, butyro compaginatum, grossum, rude et rusticanum.
Ideo Maccaronica nil nisi grossedinem, ruditatem et vocabu-
lazzos debet in se continere. Sed quoniam aliud servandum
est in eclogis, aliud in elegiis, aliud in heroum gestis di-
versimodo necessarium est canere. Fuit repertum Maccaroni-
con causa utique ridendi
-- und blieb derselben auch nach der
Rückkehr in das Kloster getreu, indem er seine Poesien von den
sittenverderbenden Anstößigkeiten läuterte und noch später neue
Dichtungen hinzufügte. Man findet seine Gedichte bei Genthe
theils nach den verschiedenen Ausgaben angeführt, theils aber
auch, wie z. B. die "Phantasiae maccaronicae", S. 208--250,
und die "Moschea", S. 250--284, vollständig abgedruckt. Eben-
daselbst findet man auch Proben von seinen Nachfolgern Capello,
Arione Bolla und dem geistvollsten, Cesare Orsini.

Jn Frankreich fand die maccaronische Poesie rasche Aufnahme
und glückliche Nachahmer in dem berühmten Juristen Antonius
de Arena (+ 1544), Jean Germain, Remy Belleau, Etienne

auf dem Sterbebette angeordnet hatte. Erſt mit Don Teofilo
Folengo oder de Folenghi, welcher überhaupt mit dem vollſten
Rechte der Erfinder der Maccaronea genannt zu werden verdient
und genannt wird, beginnt die maccaroniſche Poeſie. Folengo’s
Leben iſt ſo merkwürdig wie ſeine Erfindung. Er wurde am
8. Nov. 1491 zu Cipada, unweit Mantua, aus anſehnlicher Fa-
milie geboren, zeigte ſchon früh bedeutende poetiſche Gaben und
ging bereits 1507 in ein Benedictinerkloſter, woſelbſt er am
24. Juni 1509 Profeß ablegte. Nach etwa ſieben Jahren ent-
ſprang er aus dem Kloſter mit einer ſchönen Perſon, Girolama
Dedia, welche er leidenſchaftlich liebte, trieb ein liederliches Va-
gantenleben, machte alles denkbare Elend durch, wurde Soldat
und trat 1527 wieder in das Kloſter zurück. Gleich im Anfang
ſeines zehnjährigen Vagabundenlebens wandte er ſich zur macca-
roniſchen Poeſie, deren Namen und Weſen er ſelbſt erläutert:
Ars ista poëtica nuncupatur ars maccaronica a maccaronibus
derivata, qui maccarones sunt quoddam pulmentum, farina,
caseo, butyro compaginatum, grossum, rude et rusticanum.
Ideo Maccaronica nil nisi grossedinem, ruditatem et vocabu-
lazzos debet in se continere. Sed quoniam aliud servandum
est in eclogis, aliud in elegiis, aliud in heroum gestis di-
versimodo necessarium est canere. Fuit repertum Maccaroni-
con causa utique ridendi
— und blieb derſelben auch nach der
Rückkehr in das Kloſter getreu, indem er ſeine Poeſien von den
ſittenverderbenden Anſtößigkeiten läuterte und noch ſpäter neue
Dichtungen hinzufügte. Man findet ſeine Gedichte bei Genthe
theils nach den verſchiedenen Ausgaben angeführt, theils aber
auch, wie z. B. die „Phantasiae maccaronicae“, S. 208—250,
und die „Moschea“, S. 250—284, vollſtändig abgedruckt. Eben-
daſelbſt findet man auch Proben von ſeinen Nachfolgern Capello,
Arione Bolla und dem geiſtvollſten, Ceſare Orſini.

Jn Frankreich fand die maccaroniſche Poeſie raſche Aufnahme
und glückliche Nachahmer in dem berühmten Juriſten Antonius
de Arena († 1544), Jean Germain, Remy Belleau, Etienne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0110" n="76"/>
auf dem Sterbebette angeordnet hatte. Er&#x017F;t mit Don Teofilo<lb/>
Folengo oder de Folenghi, welcher überhaupt mit dem voll&#x017F;ten<lb/>
Rechte der Erfinder der <hi rendition="#aq">Maccaronea</hi> genannt zu werden verdient<lb/>
und genannt wird, beginnt die maccaroni&#x017F;che Poe&#x017F;ie. Folengo&#x2019;s<lb/>
Leben i&#x017F;t &#x017F;o merkwürdig wie &#x017F;eine Erfindung. Er wurde am<lb/>
8. Nov. 1491 zu Cipada, unweit Mantua, aus an&#x017F;ehnlicher Fa-<lb/>
milie geboren, zeigte &#x017F;chon früh bedeutende poeti&#x017F;che Gaben und<lb/>
ging bereits 1507 in ein Benedictinerklo&#x017F;ter, wo&#x017F;elb&#x017F;t er am<lb/>
24. Juni 1509 Profeß ablegte. Nach etwa &#x017F;ieben Jahren ent-<lb/>
&#x017F;prang er aus dem Klo&#x017F;ter mit einer &#x017F;chönen Per&#x017F;on, Girolama<lb/>
Dedia, welche er leiden&#x017F;chaftlich liebte, trieb ein liederliches Va-<lb/>
gantenleben, machte alles denkbare Elend durch, wurde Soldat<lb/>
und trat 1527 wieder in das Klo&#x017F;ter zurück. Gleich im Anfang<lb/>
&#x017F;eines zehnjährigen Vagabundenlebens wandte er &#x017F;ich zur macca-<lb/>
roni&#x017F;chen Poe&#x017F;ie, deren Namen und We&#x017F;en er &#x017F;elb&#x017F;t erläutert:<lb/><hi rendition="#aq">Ars ista poëtica nuncupatur ars maccaronica a maccaronibus<lb/>
derivata, qui maccarones sunt quoddam pulmentum, farina,<lb/>
caseo, butyro compaginatum, grossum, rude et rusticanum.<lb/>
Ideo Maccaronica nil nisi grossedinem, ruditatem et vocabu-<lb/>
lazzos debet in se continere. Sed quoniam aliud servandum<lb/>
est in eclogis, aliud in elegiis, aliud in heroum gestis di-<lb/>
versimodo necessarium est canere. Fuit repertum Maccaroni-<lb/>
con causa utique ridendi</hi> &#x2014; und blieb der&#x017F;elben auch nach der<lb/>
Rückkehr in das Klo&#x017F;ter getreu, indem er &#x017F;eine Poe&#x017F;ien von den<lb/>
&#x017F;ittenverderbenden An&#x017F;tößigkeiten läuterte und noch &#x017F;päter neue<lb/>
Dichtungen hinzufügte. Man findet &#x017F;eine Gedichte bei Genthe<lb/>
theils nach den ver&#x017F;chiedenen Ausgaben angeführt, theils aber<lb/>
auch, wie z. B. die &#x201E;<hi rendition="#aq">Phantasiae maccaronicae</hi>&#x201C;, S. 208&#x2014;250,<lb/>
und die &#x201E;<hi rendition="#aq">Moschea</hi>&#x201C;, S. 250&#x2014;284, voll&#x017F;tändig abgedruckt. Eben-<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t findet man auch Proben von &#x017F;einen Nachfolgern Capello,<lb/>
Arione Bolla und dem gei&#x017F;tvoll&#x017F;ten, Ce&#x017F;are Or&#x017F;ini.</p><lb/>
            <p>Jn Frankreich fand die maccaroni&#x017F;che Poe&#x017F;ie ra&#x017F;che Aufnahme<lb/>
und glückliche Nachahmer in dem berühmten Juri&#x017F;ten Antonius<lb/>
de Arena (&#x2020; 1544), Jean Germain, Remy Belleau, Etienne<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0110] auf dem Sterbebette angeordnet hatte. Erſt mit Don Teofilo Folengo oder de Folenghi, welcher überhaupt mit dem vollſten Rechte der Erfinder der Maccaronea genannt zu werden verdient und genannt wird, beginnt die maccaroniſche Poeſie. Folengo’s Leben iſt ſo merkwürdig wie ſeine Erfindung. Er wurde am 8. Nov. 1491 zu Cipada, unweit Mantua, aus anſehnlicher Fa- milie geboren, zeigte ſchon früh bedeutende poetiſche Gaben und ging bereits 1507 in ein Benedictinerkloſter, woſelbſt er am 24. Juni 1509 Profeß ablegte. Nach etwa ſieben Jahren ent- ſprang er aus dem Kloſter mit einer ſchönen Perſon, Girolama Dedia, welche er leidenſchaftlich liebte, trieb ein liederliches Va- gantenleben, machte alles denkbare Elend durch, wurde Soldat und trat 1527 wieder in das Kloſter zurück. Gleich im Anfang ſeines zehnjährigen Vagabundenlebens wandte er ſich zur macca- roniſchen Poeſie, deren Namen und Weſen er ſelbſt erläutert: Ars ista poëtica nuncupatur ars maccaronica a maccaronibus derivata, qui maccarones sunt quoddam pulmentum, farina, caseo, butyro compaginatum, grossum, rude et rusticanum. Ideo Maccaronica nil nisi grossedinem, ruditatem et vocabu- lazzos debet in se continere. Sed quoniam aliud servandum est in eclogis, aliud in elegiis, aliud in heroum gestis di- versimodo necessarium est canere. Fuit repertum Maccaroni- con causa utique ridendi — und blieb derſelben auch nach der Rückkehr in das Kloſter getreu, indem er ſeine Poeſien von den ſittenverderbenden Anſtößigkeiten läuterte und noch ſpäter neue Dichtungen hinzufügte. Man findet ſeine Gedichte bei Genthe theils nach den verſchiedenen Ausgaben angeführt, theils aber auch, wie z. B. die „Phantasiae maccaronicae“, S. 208—250, und die „Moschea“, S. 250—284, vollſtändig abgedruckt. Eben- daſelbſt findet man auch Proben von ſeinen Nachfolgern Capello, Arione Bolla und dem geiſtvollſten, Ceſare Orſini. Jn Frankreich fand die maccaroniſche Poeſie raſche Aufnahme und glückliche Nachahmer in dem berühmten Juriſten Antonius de Arena († 1544), Jean Germain, Remy Belleau, Etienne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/110
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/110>, abgerufen am 25.11.2024.