gedeutet hat. Treffend sagt Schäfer, a. a. O., S. 56, daß der Verfall der Sprache der Abnahme der geistigen Bildung entsprochen, daß an den Höfen die Vorliebe für das Französische um sich ge- griffen habe und die Gelehrten desto stolzer auf ihr scholastisches Latein gewesen seien, je mehr die classischen Studien durch die theologischen Streitigkeiten verdrängt wurden, daß die deutsche Muttersprache von ihnen vernachlässigt worden sei und selbst die Predigten die Kraft des volksmäßigen Ausdrucks verloren hätten. Gewiß ist, daß im 17. Jahrhundert die Gaunersprache aus der tiefsten Erniedrigung der Sprache der Bildung die größte Aus- beute machte und wie mitten im tiefsten materiellen Elende des Volkes, so auch im tiefsten Elende der Sprache sich verstärkte und belebte und das sprachlich Erworbene um so geflissentlicher bei- behielt, je mehr die Sprache der Bildung wieder nach Reinheit zu streben und alles in der frühern Erniedrigung aufgedrungene Fremd- artige und Unlautere von sich abzuwerfen anfing. Daher beson- ders kommen in der Gaunersprache die mancherlei italienischen, französischen, schwedischen und andere fremdsprachliche Ausdrücke, welche keineswegs moderne Zusätze sind.
Unter allen Sprachmischungen erscheint die maccaronische Mischung, obwol sie der jüdisch-deutschen Mischung am nächsten kommt, sowol in Rücksicht auf ihre Form als auch auf ihren Um- fang und Zweck am beschränktesten. Sie hatte in keiner Weise irgendeine Vorbildung, sondern entsprang im 15. Jahrhundert plötzlich aus dem Kopfe eines aus dem Kloster flüchtig gewor- denen und in das Vagantenleben hineingerathenen witzigen italienischen Dichters und hielt in dem Bereiche der romanischen Sprachfamilie wie ein lustiger Fasching ihre vereinzelten Umzüge, ohne doch irgendwie volksthümlich und am allerwenigsten auf
gedeutet hat. Treffend ſagt Schäfer, a. a. O., S. 56, daß der Verfall der Sprache der Abnahme der geiſtigen Bildung entſprochen, daß an den Höfen die Vorliebe für das Franzöſiſche um ſich ge- griffen habe und die Gelehrten deſto ſtolzer auf ihr ſcholaſtiſches Latein geweſen ſeien, je mehr die claſſiſchen Studien durch die theologiſchen Streitigkeiten verdrängt wurden, daß die deutſche Mutterſprache von ihnen vernachläſſigt worden ſei und ſelbſt die Predigten die Kraft des volksmäßigen Ausdrucks verloren hätten. Gewiß iſt, daß im 17. Jahrhundert die Gaunerſprache aus der tiefſten Erniedrigung der Sprache der Bildung die größte Aus- beute machte und wie mitten im tiefſten materiellen Elende des Volkes, ſo auch im tiefſten Elende der Sprache ſich verſtärkte und belebte und das ſprachlich Erworbene um ſo gefliſſentlicher bei- behielt, je mehr die Sprache der Bildung wieder nach Reinheit zu ſtreben und alles in der frühern Erniedrigung aufgedrungene Fremd- artige und Unlautere von ſich abzuwerfen anfing. Daher beſon- ders kommen in der Gaunerſprache die mancherlei italieniſchen, franzöſiſchen, ſchwediſchen und andere fremdſprachliche Ausdrücke, welche keineswegs moderne Zuſätze ſind.
Unter allen Sprachmiſchungen erſcheint die maccaroniſche Miſchung, obwol ſie der jüdiſch-deutſchen Miſchung am nächſten kommt, ſowol in Rückſicht auf ihre Form als auch auf ihren Um- fang und Zweck am beſchränkteſten. Sie hatte in keiner Weiſe irgendeine Vorbildung, ſondern entſprang im 15. Jahrhundert plötzlich aus dem Kopfe eines aus dem Kloſter flüchtig gewor- denen und in das Vagantenleben hineingerathenen witzigen italieniſchen Dichters und hielt in dem Bereiche der romaniſchen Sprachfamilie wie ein luſtiger Faſching ihre vereinzelten Umzüge, ohne doch irgendwie volksthümlich und am allerwenigſten auf
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gedeutet hat. Treffend ſagt Schäfer, a. a. O., S. 56, daß der
Verfall der Sprache der Abnahme der geiſtigen Bildung entſprochen,
daß an den Höfen die Vorliebe für das Franzöſiſche um ſich ge-
griffen habe und die Gelehrten deſto ſtolzer auf ihr ſcholaſtiſches
Latein geweſen ſeien, je mehr die claſſiſchen Studien durch die
theologiſchen Streitigkeiten verdrängt wurden, daß die deutſche
Mutterſprache von ihnen vernachläſſigt worden ſei und ſelbſt die
Predigten die Kraft des volksmäßigen Ausdrucks verloren hätten.
Gewiß iſt, daß im 17. Jahrhundert die Gaunerſprache aus der
tiefſten Erniedrigung der Sprache der Bildung die größte Aus-
beute machte und wie mitten im tiefſten materiellen Elende des
Volkes, ſo auch im tiefſten Elende der Sprache ſich verſtärkte und
belebte und das ſprachlich Erworbene um ſo gefliſſentlicher bei-
behielt, je mehr die Sprache der Bildung wieder nach Reinheit zu
ſtreben und alles in der frühern Erniedrigung aufgedrungene Fremd-
artige und Unlautere von ſich abzuwerfen anfing. Daher beſon-
ders kommen in der Gaunerſprache die mancherlei italieniſchen,
franzöſiſchen, ſchwediſchen und andere fremdſprachliche Ausdrücke,
welche keineswegs moderne Zuſätze ſind.
Dreiundzwanzigſtes Kapitel.
b) Die maccaroniſche Poeſie.
Unter allen Sprachmiſchungen erſcheint die maccaroniſche
Miſchung, obwol ſie der jüdiſch-deutſchen Miſchung am nächſten
kommt, ſowol in Rückſicht auf ihre Form als auch auf ihren Um-
fang und Zweck am beſchränkteſten. Sie hatte in keiner Weiſe
irgendeine Vorbildung, ſondern entſprang im 15. Jahrhundert
plötzlich aus dem Kopfe eines aus dem Kloſter flüchtig gewor-
denen und in das Vagantenleben hineingerathenen witzigen
italieniſchen Dichters und hielt in dem Bereiche der romaniſchen
Sprachfamilie wie ein luſtiger Faſching ihre vereinzelten Umzüge,
ohne doch irgendwie volksthümlich und am allerwenigſten auf
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/108>, abgerufen am 22.11.2024.
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