schulen bei weitem nicht kräftig und rasch genug abgekürzt werden konnte, obschon man dem Martin Opitz von Boberfeld, dem "Ge- krönten" (1597--1639), das Zeugniß nicht versagen kann, daß er, wenn ihm auch Tiefe, Phantasie und Gemüth fehlten, der deut- schen Sprache wieder den Weg zur Correctheit und zum Wohlklang anbahnte. Von den acuten Fieberparoxismen der deutschen Sprache jener Zeit 1) bedarf es keiner der tausendfach vorhandenen Proben. Man hat schon genug an den geistlosen Spielereien und Phrasen, wenn man z. B. nur den Anfang des selbst vom wackern Schot- telius S. 1174 als Muster eines "Klingreims" gepriesenen Ge- dichts von Diedrich von dem Werder auf Opitz liest:
Dich hat mit einer Kron, Gekrönter, wol bekrönet Der Fürsten werthe Kron! Dich hat der künste Thron Durch das Gerücht gekrönt mit einer Ehrenkron, Die vieler Kronen wehrt. Gekrönt hastu gefrönet Um solche Lorberkron. Nun Gott, der Kronen krönet, Gibt dir der kronen Kron u. s. w.
Jn der That fällt einem da das prächtige brekekekex koax koax der Frösche im Aristophanes ein, und der alte Charon mit seinem echt bootsmännischen oop op oop op, sowie die gemüth- lichen schnarrenden niederdeutschen Froschconversationen, welche allabendlich die norddeutsche Dorfjugend den quakenden Fröschen nacherzählt. 2)
Doch gilt es hier nicht eine Literatur- oder Sprachgeschichte anzudeuten, sondern nur das Unrecht der Behauptung nachzu- weisen, daß die im 17. Jahrhundert auf den höchsten Gipfel ge- triebene deutsche Sprachmischung eine so lange vorbildende Ge- schichte gehabt habe, wie Genthe nach Bouterwek a. a. O. an-
löblichen | fruchtbringenden Gesellschaft | Anfang, Satzungen, Vorhaben, Na- men, Sprüchen u. s. w. vom Verdrossenen" (Nürnberg 1647). Vilmar, a. a. O., II, 12 fg.
1) Vgl. im "Teutschen Palmbaum" die Briefe S. 125 und 131, auch das entsetzliche Liebesgedicht: "Reverirte Dame" u. s. w. S. 129.
2) Z. B.: "Marten! Marten! -- Wat wuttu! Wat wuttu! -- Morgen back ick! -- Jck ick ok! Jck ick ok!"
ſchulen bei weitem nicht kräftig und raſch genug abgekürzt werden konnte, obſchon man dem Martin Opitz von Boberfeld, dem „Ge- krönten“ (1597—1639), das Zeugniß nicht verſagen kann, daß er, wenn ihm auch Tiefe, Phantaſie und Gemüth fehlten, der deut- ſchen Sprache wieder den Weg zur Correctheit und zum Wohlklang anbahnte. Von den acuten Fieberparoxismen der deutſchen Sprache jener Zeit 1) bedarf es keiner der tauſendfach vorhandenen Proben. Man hat ſchon genug an den geiſtloſen Spielereien und Phraſen, wenn man z. B. nur den Anfang des ſelbſt vom wackern Schot- telius S. 1174 als Muſter eines „Klingreims“ geprieſenen Ge- dichts von Diedrich von dem Werder auf Opitz lieſt:
Dich hat mit einer Kron, Gekrönter, wol bekrönet Der Fürſten werthe Kron! Dich hat der künſte Thron Durch das Gerücht gekrönt mit einer Ehrenkron, Die vieler Kronen wehrt. Gekrönt haſtu gefrönet Um ſolche Lorberkron. Nun Gott, der Kronen krönet, Gibt dir der kronen Kron u. ſ. w.
Jn der That fällt einem da das prächtige βρεκεκεκέξ κοάξ κοάξ der Fröſche im Ariſtophanes ein, und der alte Charon mit ſeinem echt bootsmänniſchen ὠόπ ὄπ ὠόπ ὄπ, ſowie die gemüth- lichen ſchnarrenden niederdeutſchen Froſchconverſationen, welche allabendlich die norddeutſche Dorfjugend den quakenden Fröſchen nacherzählt. 2)
Doch gilt es hier nicht eine Literatur- oder Sprachgeſchichte anzudeuten, ſondern nur das Unrecht der Behauptung nachzu- weiſen, daß die im 17. Jahrhundert auf den höchſten Gipfel ge- triebene deutſche Sprachmiſchung eine ſo lange vorbildende Ge- ſchichte gehabt habe, wie Genthe nach Bouterwek a. a. O. an-
löblichen | fruchtbringenden Geſellſchaft | Anfang, Satzungen, Vorhaben, Na- men, Sprüchen u. ſ. w. vom Verdroſſenen“ (Nürnberg 1647). Vilmar, a. a. O., II, 12 fg.
1) Vgl. im „Teutſchen Palmbaum“ die Briefe S. 125 und 131, auch das entſetzliche Liebesgedicht: „Reverirte Dame“ u. ſ. w. S. 129.
2) Z. B.: „Marten! Marten! — Wat wuttu! Wat wuttu! — Morgen back ick! — Jck ick ok! Jck ick ok!“
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krönten“ (1597—1639), das Zeugniß nicht verſagen kann, daß
er, wenn ihm auch Tiefe, Phantaſie und Gemüth fehlten, der deut-
ſchen Sprache wieder den Weg zur Correctheit und zum Wohlklang
anbahnte. Von den acuten Fieberparoxismen der deutſchen Sprache
jener Zeit 1) bedarf es keiner der tauſendfach vorhandenen Proben.
Man hat ſchon genug an den geiſtloſen Spielereien und Phraſen,
wenn man z. B. nur den Anfang des ſelbſt vom wackern Schot-
telius S. 1174 als Muſter eines „Klingreims“ geprieſenen Ge-
dichts von Diedrich von dem Werder auf Opitz lieſt:
Dich hat mit einer Kron, Gekrönter, wol bekrönet
Der Fürſten werthe Kron! Dich hat der künſte Thron
Durch das Gerücht gekrönt mit einer Ehrenkron,
Die vieler Kronen wehrt. Gekrönt haſtu gefrönet
Um ſolche Lorberkron. Nun Gott, der Kronen krönet,
Gibt dir der kronen Kron u. ſ. w.
Jn der That fällt einem da das prächtige βρεκεκεκέξ κοάξ
κοάξ der Fröſche im Ariſtophanes ein, und der alte Charon mit
ſeinem echt bootsmänniſchen ὠόπ ὄπ ὠόπ ὄπ, ſowie die gemüth-
lichen ſchnarrenden niederdeutſchen Froſchconverſationen, welche
allabendlich die norddeutſche Dorfjugend den quakenden Fröſchen
nacherzählt. 2)
Doch gilt es hier nicht eine Literatur- oder Sprachgeſchichte
anzudeuten, ſondern nur das Unrecht der Behauptung nachzu-
weiſen, daß die im 17. Jahrhundert auf den höchſten Gipfel ge-
triebene deutſche Sprachmiſchung eine ſo lange vorbildende Ge-
ſchichte gehabt habe, wie Genthe nach Bouterwek a. a. O. an-
2)
1) Vgl. im „Teutſchen Palmbaum“ die Briefe S. 125 und 131, auch
das entſetzliche Liebesgedicht: „Reverirte Dame“ u. ſ. w. S. 129.
2) Z. B.: „Marten! Marten! — Wat wuttu! Wat wuttu! — Morgen
back ick! — Jck ick ok! Jck ick ok!“
2) löblichen | fruchtbringenden Geſellſchaft | Anfang, Satzungen, Vorhaben, Na-
men, Sprüchen u. ſ. w. vom Verdroſſenen“ (Nürnberg 1647). Vilmar, a. a. O.,
II, 12 fg.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/107>, abgerufen am 17.07.2024.
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