Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.hinter dicken Mauern Leben, Wesen und Kunst des Gaunerthums Achtundzwanzigstes Kapitel. a) Das Pisschen-pee. Schon mit der Thüre fängt das erste und natürlichste Ge- 1) Die älteste Stelle, an welcher dies Wort gebraucht ist, habe ich auf
S. 48 und 49 des "Ceremoniel der Gawdieb" oder "Sonderliche Curieuse Historie von Jsaak Winckelfelder", von Niklaus Ulenhart (neue Auflage 1724), gefunden, wo der Ausdruck "bisgepent" und "bispenen" (etwa das neuhoch- deutsche "Wispern" für flüstern?) für bekennen (pfeifen, slichnen) vorkommt. hinter dicken Mauern Leben, Weſen und Kunſt des Gaunerthums Achtundzwanzigſtes Kapitel. α) Das Piſschen-pee. Schon mit der Thüre fängt das erſte und natürlichſte Ge- 1) Die älteſte Stelle, an welcher dies Wort gebraucht iſt, habe ich auf
S. 48 und 49 des „Ceremoniel der Gawdieb“ oder „Sonderliche Curieuse Hiſtorie von Jſaak Winckelfelder“, von Niklaus Ulenhart (neue Auflage 1724), gefunden, wo der Ausdruck „bisgepent“ und „bispenen“ (etwa das neuhoch- deutſche „Wispern“ für flüſtern?) für bekennen (pfeifen, ſlichnen) vorkommt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0099" n="87"/> hinter dicken Mauern Leben, Weſen und Kunſt des Gaunerthums<lb/> perennirt, daß das Gaunerthum ſo wenig an ſeiner Jntenſität als<lb/> an ſeiner Propaganda verliert, und daß Gaunerinquiſitionen ſo<lb/> wenig zufriedenſtellende Reſultate liefern.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="4"> <head><hi rendition="#fr">Achtundzwanzigſtes Kapitel.</hi><lb/> α) <hi rendition="#fr">Das Piſschen-pee.</hi></head><lb/> <p>Schon mit der <hi rendition="#g">Thüre</hi> fängt das erſte und natürlichſte Ge-<lb/> legenheitsmittel zum Kaſſpern an. Die Thür bietet mindeſtens<lb/> im <hi rendition="#g">Schlüſſelloch</hi> einen freien Durchgang für das leiſe Wort.<lb/> Das Flüſtern durch das Schlüſſelloch wird ſehr bezeichnend <hi rendition="#g">Piſs-<lb/> chen-pee</hi> genannt, von <hi rendition="#g">Peſſiche,</hi> das Schlüſſelloch (<gap reason="fm" unit="words"/>, er<lb/> hat aufgethan; davon <hi rendition="#g">Peſſach,</hi> die Thüre), und <hi rendition="#g">Pee</hi> (<gap reason="fm" unit="words"/>), der<lb/> Mund. Davon wird überhaupt jede heimliche Verabredung, und<lb/> jede dadurch vermittelte übereinſtimmende Ausſage <hi rendition="#g">Piſschen-pee</hi><lb/> genannt, mag ſie nun durch Worte oder Zinke conform gemacht<lb/> ſein. <note place="foot" n="1)">Die älteſte Stelle, an welcher dies Wort gebraucht iſt, habe ich auf<lb/> S. 48 und 49 des „Ceremoniel der Gawdieb“ oder „Sonderliche <hi rendition="#aq">Curieuse</hi><lb/> Hiſtorie von Jſaak Winckelfelder“, von Niklaus Ulenhart (neue Auflage 1724),<lb/> gefunden, wo der Ausdruck „bisgepent“ und „bispenen“ (etwa das neuhoch-<lb/> deutſche „Wispern“ für flüſtern?) für <hi rendition="#g">bekennen</hi> (pfeifen, ſlichnen) vorkommt.</note> Zu dieſer allgemeinern Deutung ſcheint auch der that-<lb/> ſächliche Umſtand Anlaß gegeben zu haben, daß ſeit der Aufmerk-<lb/> ſamkeit, die man auf die bauliche Einrichtung der Gefängniſſe<lb/> verwandt hat, mit der Sicherung der Thüren und Schlöſſer, mit<lb/> der Anwendung von Doppel- oder Schallthüren, und mit den<lb/> Corridorwachen u. ſ. w. die Communication durch das Schlüſſel-<lb/> loch faſt gänzlich paralyſirt und für den Gefangenen ſogar gefähr-<lb/> lich gemacht worden iſt. Somit hat das Piſschen-pee mehr ſprach-<lb/> geſchichtliche Bedeutſamkeit als praktiſche Geltung, zu der es jedoch<lb/> immer noch in ſchlecht eingerichteten Gefängniſſen gelangt.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0099]
hinter dicken Mauern Leben, Weſen und Kunſt des Gaunerthums
perennirt, daß das Gaunerthum ſo wenig an ſeiner Jntenſität als
an ſeiner Propaganda verliert, und daß Gaunerinquiſitionen ſo
wenig zufriedenſtellende Reſultate liefern.
Achtundzwanzigſtes Kapitel.
α) Das Piſschen-pee.
Schon mit der Thüre fängt das erſte und natürlichſte Ge-
legenheitsmittel zum Kaſſpern an. Die Thür bietet mindeſtens
im Schlüſſelloch einen freien Durchgang für das leiſe Wort.
Das Flüſtern durch das Schlüſſelloch wird ſehr bezeichnend Piſs-
chen-pee genannt, von Peſſiche, das Schlüſſelloch (_ , er
hat aufgethan; davon Peſſach, die Thüre), und Pee (_ ), der
Mund. Davon wird überhaupt jede heimliche Verabredung, und
jede dadurch vermittelte übereinſtimmende Ausſage Piſschen-pee
genannt, mag ſie nun durch Worte oder Zinke conform gemacht
ſein. 1) Zu dieſer allgemeinern Deutung ſcheint auch der that-
ſächliche Umſtand Anlaß gegeben zu haben, daß ſeit der Aufmerk-
ſamkeit, die man auf die bauliche Einrichtung der Gefängniſſe
verwandt hat, mit der Sicherung der Thüren und Schlöſſer, mit
der Anwendung von Doppel- oder Schallthüren, und mit den
Corridorwachen u. ſ. w. die Communication durch das Schlüſſel-
loch faſt gänzlich paralyſirt und für den Gefangenen ſogar gefähr-
lich gemacht worden iſt. Somit hat das Piſschen-pee mehr ſprach-
geſchichtliche Bedeutſamkeit als praktiſche Geltung, zu der es jedoch
immer noch in ſchlecht eingerichteten Gefängniſſen gelangt.
1) Die älteſte Stelle, an welcher dies Wort gebraucht iſt, habe ich auf
S. 48 und 49 des „Ceremoniel der Gawdieb“ oder „Sonderliche Curieuse
Hiſtorie von Jſaak Winckelfelder“, von Niklaus Ulenhart (neue Auflage 1724),
gefunden, wo der Ausdruck „bisgepent“ und „bispenen“ (etwa das neuhoch-
deutſche „Wispern“ für flüſtern?) für bekennen (pfeifen, ſlichnen) vorkommt.
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