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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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an diesen Zinken vorüber; theils erblickt er in den Knoten der
Weidenzweige ein sympathetisches Mittel gegen das Wechselfieber 1),
theils irgendeine andere sympathetische Cur, bei deren Störung
er die gebannte Krankheit anzuerben fürchtet, theils findet er in den
an Kreuzwegen im Sand oder Schnee gezeichneten Zinken Zauber-
und Hexenkreise, deren Berührung ihm Gefahr oder Tod bringen
könnte. Deshalb werden die Zinken von niemand mehr beschützt,
als vom abergläubischen Landmann, zu dessen Schaden sie doch
gerade wesentlich dienen. Die Zerstörung solcher Zinken, selbst
wenn sie noch so unscheinbar sind, muß jedem Sicherheitsbeamten
zur Pflicht gemacht werden. Selbst das Beschreiben der Kirchen-
wände u. s. w., welches von den Handwerksburschen mit beson-
derer Liebhaberei betrieben wird, sollte, ganz abgesehen von der
Ungebührlichkeit der Besudelung, strenger als bis jetzt geschehen,
verboten und bestraft werden. Sogar in Gefängnissen finden sich
solche Jnschriften und Zinken, welche, theils ihrer mühsamen, theils
ihrer häufig saubern Darstellung wegen, von den Gefangenwärtern
mit einer Art Pietät conservirt werden, ohne daß bei der schein-
baren Unverfänglichkeit oder Unverständlichkeit derselben (ich habe
sogar jüdisch-deutsche Currentschrift gefunden) die Verfänglichkeit
in einzelnen, besonders gezinkten Lettern bemerkt wurde.



Siebzehntes Kapitel.
d) Die phonischen Zinken.

Auch die Nachahmung von Thierstimmen ist noch ein
unter den Gaunern gebräuchlicher Zinken, besonders zur Nachtzeit
und zum Fernesignal in Feld und Wald. Von den Chouans ist

1) Jn Norddeutschland ist es ein durchgängiges sympathetisches Volks-
mittel, daß der Fieberkranke stillschweigend drei mal eine Schlinge in den
Zweig einer grünenden Weide schürzt, durch jede Schlinge drei mal haucht und
dieselbe dann zum Knoten zusammenzieht, wodurch das Fieber "weggeschnürt"
wird.
Ave-Lallemaut, Gaunerthum. II. 5

an dieſen Zinken vorüber; theils erblickt er in den Knoten der
Weidenzweige ein ſympathetiſches Mittel gegen das Wechſelfieber 1),
theils irgendeine andere ſympathetiſche Cur, bei deren Störung
er die gebannte Krankheit anzuerben fürchtet, theils findet er in den
an Kreuzwegen im Sand oder Schnee gezeichneten Zinken Zauber-
und Hexenkreiſe, deren Berührung ihm Gefahr oder Tod bringen
könnte. Deshalb werden die Zinken von niemand mehr beſchützt,
als vom abergläubiſchen Landmann, zu deſſen Schaden ſie doch
gerade weſentlich dienen. Die Zerſtörung ſolcher Zinken, ſelbſt
wenn ſie noch ſo unſcheinbar ſind, muß jedem Sicherheitsbeamten
zur Pflicht gemacht werden. Selbſt das Beſchreiben der Kirchen-
wände u. ſ. w., welches von den Handwerksburſchen mit beſon-
derer Liebhaberei betrieben wird, ſollte, ganz abgeſehen von der
Ungebührlichkeit der Beſudelung, ſtrenger als bis jetzt geſchehen,
verboten und beſtraft werden. Sogar in Gefängniſſen finden ſich
ſolche Jnſchriften und Zinken, welche, theils ihrer mühſamen, theils
ihrer häufig ſaubern Darſtellung wegen, von den Gefangenwärtern
mit einer Art Pietät conſervirt werden, ohne daß bei der ſchein-
baren Unverfänglichkeit oder Unverſtändlichkeit derſelben (ich habe
ſogar jüdiſch-deutſche Currentſchrift gefunden) die Verfänglichkeit
in einzelnen, beſonders gezinkten Lettern bemerkt wurde.



Siebzehntes Kapitel.
δ) Die phoniſchen Zinken.

Auch die Nachahmung von Thierſtimmen iſt noch ein
unter den Gaunern gebräuchlicher Zinken, beſonders zur Nachtzeit
und zum Ferneſignal in Feld und Wald. Von den Chouans iſt

1) Jn Norddeutſchland iſt es ein durchgängiges ſympathetiſches Volks-
mittel, daß der Fieberkranke ſtillſchweigend drei mal eine Schlinge in den
Zweig einer grünenden Weide ſchürzt, durch jede Schlinge drei mal haucht und
dieſelbe dann zum Knoten zuſammenzieht, wodurch das Fieber „weggeſchnürt“
wird.
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[65/0077] an dieſen Zinken vorüber; theils erblickt er in den Knoten der Weidenzweige ein ſympathetiſches Mittel gegen das Wechſelfieber 1), theils irgendeine andere ſympathetiſche Cur, bei deren Störung er die gebannte Krankheit anzuerben fürchtet, theils findet er in den an Kreuzwegen im Sand oder Schnee gezeichneten Zinken Zauber- und Hexenkreiſe, deren Berührung ihm Gefahr oder Tod bringen könnte. Deshalb werden die Zinken von niemand mehr beſchützt, als vom abergläubiſchen Landmann, zu deſſen Schaden ſie doch gerade weſentlich dienen. Die Zerſtörung ſolcher Zinken, ſelbſt wenn ſie noch ſo unſcheinbar ſind, muß jedem Sicherheitsbeamten zur Pflicht gemacht werden. Selbſt das Beſchreiben der Kirchen- wände u. ſ. w., welches von den Handwerksburſchen mit beſon- derer Liebhaberei betrieben wird, ſollte, ganz abgeſehen von der Ungebührlichkeit der Beſudelung, ſtrenger als bis jetzt geſchehen, verboten und beſtraft werden. Sogar in Gefängniſſen finden ſich ſolche Jnſchriften und Zinken, welche, theils ihrer mühſamen, theils ihrer häufig ſaubern Darſtellung wegen, von den Gefangenwärtern mit einer Art Pietät conſervirt werden, ohne daß bei der ſchein- baren Unverfänglichkeit oder Unverſtändlichkeit derſelben (ich habe ſogar jüdiſch-deutſche Currentſchrift gefunden) die Verfänglichkeit in einzelnen, beſonders gezinkten Lettern bemerkt wurde. Siebzehntes Kapitel. δ) Die phoniſchen Zinken. Auch die Nachahmung von Thierſtimmen iſt noch ein unter den Gaunern gebräuchlicher Zinken, beſonders zur Nachtzeit und zum Ferneſignal in Feld und Wald. Von den Chouans iſt 1) Jn Norddeutſchland iſt es ein durchgängiges ſympathetiſches Volks- mittel, daß der Fieberkranke ſtillſchweigend drei mal eine Schlinge in den Zweig einer grünenden Weide ſchürzt, durch jede Schlinge drei mal haucht und dieſelbe dann zum Knoten zuſammenzieht, wodurch das Fieber „weggeſchnürt“ wird. Avé-Lallemaut, Gaunerthum. II. 5

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/77>, abgerufen am 26.11.2024.