zu leiten. Darüber wird später, Kap. 104, noch weiter gespro- chen werden.
2) Das geheime Verständniß.
Zwölstes Kapitel. a)Die Gaunersprache.
Bei dem tiefen Geheimniß, auf welchem der ganze Organis- mus des Gaunerthums begründet ist, sind die durch Jahrhunderte hindurch zusammengetragenen, immer verbesserten Verständigungs- mittel sehr zahlreich und mannichfaltig. Sie tragen alle Spuren ihrer Schöpfung und Vervollkommung durch Convention an sich, und geben sowol von der Verworfenheit, als auch von dem Scharf- sinn und dem Uebermuth ihrer Erfinder Zeugniß. Vor allem erkennt man in der wüsten und wirren Gaunersprache, die durch alle Jahrhunderte hindurch wie ein trüber Bodensatz in beständi- ger gährender Bewegung gehalten ist, den geistigen Ausdruck der gemischten schmuzigen Volkselemente, welche diese Sprache zu- sammentrugen und mit immer neuen Zusätzen bereicherten. Die Gaunersprache ist daher nicht nur in linguistischer, sondern auch in culturhistorischer Hinsicht eine Merkwürdigkeit, der leider bis- her nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt ist. Nur in neuester Zeit hat Hoffmann von Fallersleben im "Weimarischen Jahrbuch", I, 328 fg., einige jedoch nur sehr dürftige Andeutungen gegeben, welche keineswegs ein tieferes Eingehen in die Gaunersprache verrathen. Was Maßmann in Berlin über die Gaunersprache geschrieben hat, ist noch nicht zur Oeffentlichkeit gelangt, was um so mehr zu bedauern ist, als nach brieflichen Mittheilungen zu schließen, seine Anschauung und Behandlung geistvoll ist. Nur Pott hat in seinem Werke über die Zigeuner, II, 1--60, sehr interessante und zum Theil treffend gelungene Wortuntersuchungen veröffentlicht, die zum weitern Nachforschen anregend sind. Alle ältern Versuche sind kümmerlich und ungenügend, namentlich da die tiefe sprachgeschichtliche Bedeutsamkeit des sogenannten Juden-
4*
zu leiten. Darüber wird ſpäter, Kap. 104, noch weiter geſpro- chen werden.
2) Das geheime Verſtändniß.
Zwölſtes Kapitel. a)Die Gaunerſprache.
Bei dem tiefen Geheimniß, auf welchem der ganze Organis- mus des Gaunerthums begründet iſt, ſind die durch Jahrhunderte hindurch zuſammengetragenen, immer verbeſſerten Verſtändigungs- mittel ſehr zahlreich und mannichfaltig. Sie tragen alle Spuren ihrer Schöpfung und Vervollkommung durch Convention an ſich, und geben ſowol von der Verworfenheit, als auch von dem Scharf- ſinn und dem Uebermuth ihrer Erfinder Zeugniß. Vor allem erkennt man in der wüſten und wirren Gaunerſprache, die durch alle Jahrhunderte hindurch wie ein trüber Bodenſatz in beſtändi- ger gährender Bewegung gehalten iſt, den geiſtigen Ausdruck der gemiſchten ſchmuzigen Volkselemente, welche dieſe Sprache zu- ſammentrugen und mit immer neuen Zuſätzen bereicherten. Die Gaunerſprache iſt daher nicht nur in linguiſtiſcher, ſondern auch in culturhiſtoriſcher Hinſicht eine Merkwürdigkeit, der leider bis- her nur wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt iſt. Nur in neueſter Zeit hat Hoffmann von Fallersleben im „Weimariſchen Jahrbuch“, I, 328 fg., einige jedoch nur ſehr dürftige Andeutungen gegeben, welche keineswegs ein tieferes Eingehen in die Gaunerſprache verrathen. Was Maßmann in Berlin über die Gaunerſprache geſchrieben hat, iſt noch nicht zur Oeffentlichkeit gelangt, was um ſo mehr zu bedauern iſt, als nach brieflichen Mittheilungen zu ſchließen, ſeine Anſchauung und Behandlung geiſtvoll iſt. Nur Pott hat in ſeinem Werke über die Zigeuner, II, 1—60, ſehr intereſſante und zum Theil treffend gelungene Wortunterſuchungen veröffentlicht, die zum weitern Nachforſchen anregend ſind. Alle ältern Verſuche ſind kümmerlich und ungenügend, namentlich da die tiefe ſprachgeſchichtliche Bedeutſamkeit des ſogenannten Juden-
4*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0063"n="51"/>
zu leiten. Darüber wird ſpäter, Kap. 104, noch weiter geſpro-<lb/>
chen werden.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">2) Das geheime Verſtändniß.</hi></head><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Zwölſtes Kapitel.<lb/><hirendition="#aq">a)</hi><hirendition="#g">Die Gaunerſprache.</hi></hi></head><lb/><p>Bei dem tiefen Geheimniß, auf welchem der ganze Organis-<lb/>
mus des Gaunerthums begründet iſt, ſind die durch Jahrhunderte<lb/>
hindurch zuſammengetragenen, immer verbeſſerten Verſtändigungs-<lb/>
mittel ſehr zahlreich und mannichfaltig. Sie tragen alle Spuren<lb/>
ihrer Schöpfung und Vervollkommung durch Convention an ſich,<lb/>
und geben ſowol von der Verworfenheit, als auch von dem Scharf-<lb/>ſinn und dem Uebermuth ihrer Erfinder Zeugniß. Vor allem<lb/>
erkennt man in der wüſten und wirren Gaunerſprache, die durch<lb/>
alle Jahrhunderte hindurch wie ein trüber Bodenſatz in beſtändi-<lb/>
ger gährender Bewegung gehalten iſt, den geiſtigen Ausdruck der<lb/>
gemiſchten ſchmuzigen Volkselemente, welche dieſe Sprache zu-<lb/>ſammentrugen und mit immer neuen Zuſätzen bereicherten. Die<lb/>
Gaunerſprache iſt daher nicht nur in linguiſtiſcher, ſondern auch<lb/>
in culturhiſtoriſcher Hinſicht eine Merkwürdigkeit, der leider bis-<lb/>
her nur wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt iſt. Nur in neueſter Zeit<lb/>
hat Hoffmann von Fallersleben im „Weimariſchen Jahrbuch“,<lb/><hirendition="#aq">I,</hi> 328 fg., einige jedoch nur ſehr dürftige Andeutungen gegeben,<lb/>
welche keineswegs ein tieferes Eingehen in die Gaunerſprache<lb/>
verrathen. Was Maßmann in Berlin über die Gaunerſprache<lb/>
geſchrieben hat, iſt noch nicht zur Oeffentlichkeit gelangt, was um<lb/>ſo mehr zu bedauern iſt, als nach brieflichen Mittheilungen zu<lb/>ſchließen, ſeine Anſchauung und Behandlung geiſtvoll iſt. Nur<lb/>
Pott hat in ſeinem Werke über die Zigeuner, <hirendition="#aq">II,</hi> 1—60, ſehr<lb/>
intereſſante und zum Theil treffend gelungene Wortunterſuchungen<lb/>
veröffentlicht, die zum weitern Nachforſchen anregend ſind. Alle<lb/>
ältern Verſuche ſind kümmerlich und ungenügend, namentlich da<lb/>
die tiefe ſprachgeſchichtliche Bedeutſamkeit des ſogenannten Juden-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[51/0063]
zu leiten. Darüber wird ſpäter, Kap. 104, noch weiter geſpro-
chen werden.
2) Das geheime Verſtändniß.
Zwölſtes Kapitel.
a) Die Gaunerſprache.
Bei dem tiefen Geheimniß, auf welchem der ganze Organis-
mus des Gaunerthums begründet iſt, ſind die durch Jahrhunderte
hindurch zuſammengetragenen, immer verbeſſerten Verſtändigungs-
mittel ſehr zahlreich und mannichfaltig. Sie tragen alle Spuren
ihrer Schöpfung und Vervollkommung durch Convention an ſich,
und geben ſowol von der Verworfenheit, als auch von dem Scharf-
ſinn und dem Uebermuth ihrer Erfinder Zeugniß. Vor allem
erkennt man in der wüſten und wirren Gaunerſprache, die durch
alle Jahrhunderte hindurch wie ein trüber Bodenſatz in beſtändi-
ger gährender Bewegung gehalten iſt, den geiſtigen Ausdruck der
gemiſchten ſchmuzigen Volkselemente, welche dieſe Sprache zu-
ſammentrugen und mit immer neuen Zuſätzen bereicherten. Die
Gaunerſprache iſt daher nicht nur in linguiſtiſcher, ſondern auch
in culturhiſtoriſcher Hinſicht eine Merkwürdigkeit, der leider bis-
her nur wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt iſt. Nur in neueſter Zeit
hat Hoffmann von Fallersleben im „Weimariſchen Jahrbuch“,
I, 328 fg., einige jedoch nur ſehr dürftige Andeutungen gegeben,
welche keineswegs ein tieferes Eingehen in die Gaunerſprache
verrathen. Was Maßmann in Berlin über die Gaunerſprache
geſchrieben hat, iſt noch nicht zur Oeffentlichkeit gelangt, was um
ſo mehr zu bedauern iſt, als nach brieflichen Mittheilungen zu
ſchließen, ſeine Anſchauung und Behandlung geiſtvoll iſt. Nur
Pott hat in ſeinem Werke über die Zigeuner, II, 1—60, ſehr
intereſſante und zum Theil treffend gelungene Wortunterſuchungen
veröffentlicht, die zum weitern Nachforſchen anregend ſind. Alle
ältern Verſuche ſind kümmerlich und ungenügend, namentlich da
die tiefe ſprachgeſchichtliche Bedeutſamkeit des ſogenannten Juden-
4*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/63>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.