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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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herigen Unterdrücker auftrat. 1) Zum Lohne dafür verlieh der
König diesen Gemeinden das königliche Privilegium der bürger-
lichen Gemeinheit, die communia, welche im Grunde kaum ein
Privilegium genannt zu werden verdiente 2), wenn sie nicht die
Aufhebung aller willkürlichen grundherrlichen Geldforderungen und
die Ablösung der drückenden dinglichen Verbindlichkeiten, nament-
lich der Burgfrohndienste, des Sterbefalles, der Zwangsheirathen
u. s. w. zur Folge gehabt hätte. Um diesen Preis gewannen
die Könige die Unmittelbarkeit der Städte und die volle Reichs-
hoheit über die großen unmittelbaren Reichslehnsgebiete, und zwar
so bald und so entschieden, daß unter anderm schon im Jahre
1183 der Herzog Hugo von Burgund für die Bürger von Dijon
die Gemeinheit vom Könige erbat und zugesprochen erhielt.

Die gegenseitige üble Täuschung offenbarte sich aber sehr
bald. Mit den Waffen in der Hand war auch dem großen Hau-
fen die Gelegenheit zur eigenmächtigen Selbsthülfe, Gewaltthat
und zum Aufruhr gegeben. Die blutigen mörderischen Aufstände

1) Auch gegen äußere Feinde wurden die Bürgerschaften bald geführt,
wie z. B. 1120 die Städte Abbeville, Amiens, Beauvais, Estampes, Laon,
Soissons und Orleans gegen Heinrich V. von Deutschland. Vgl. Hüllmann,
"Städtewesen", III, 8.
2) Die ertheilten Privilegien waren kümmerlich genug: "Verbrecher und
böse Schuldner, welche sich in die Gebäude, Höfe und Burgen geflüchtet
haben, sollen ausgeliefert werden. Weigert sich dessen die Herrschaft, so ist
die Gemeinheit befugt, Rache zu nehmen an deren Gütern und Unterthanen.
Jst der Straffällige nicht Bürger, sondern außerhalb der Stadt, in dem Ge-
biete einer städtischen Gerichtsherrschaft ansässig, so wird diese zur Handhabung
der Gerechtigkeit aufgefordert; bleibt dies vergeblich, so vertreten die Vorsteher
der Gemeinheit den Kläger, und dürfen Anstalt machen, daß dieser an dem
Vermögen des Uebelthäters sich schadlos hält. Ebenso stehen in der Bürger-
schaft alle für einen, und ihre Beamten halten sich an die Güter und Bauern
eines Großen, wenn derselbe einen von ihm verursachten Schaden zu ersetzen
sich weigert." Verbrecher von geistlichem Stande sollen von ihrem geistlichen
Richter bestraft werden; dazu sollen die Vorsteher des Vereins denselben an-
halten. Das war alles, und wenig genug. Vgl. die Bestätigungsurkunden und
Verleihungsurkunden Ludwig's VI. von 1128 für Laon, Philipp's II. von
1182 für Beauvais, und von 1192 für St.-Quentin. Vgl. Hüllmann, "Städte-
wesen", III, 13.

herigen Unterdrücker auftrat. 1) Zum Lohne dafür verlieh der
König dieſen Gemeinden das königliche Privilegium der bürger-
lichen Gemeinheit, die communia, welche im Grunde kaum ein
Privilegium genannt zu werden verdiente 2), wenn ſie nicht die
Aufhebung aller willkürlichen grundherrlichen Geldforderungen und
die Ablöſung der drückenden dinglichen Verbindlichkeiten, nament-
lich der Burgfrohndienſte, des Sterbefalles, der Zwangsheirathen
u. ſ. w. zur Folge gehabt hätte. Um dieſen Preis gewannen
die Könige die Unmittelbarkeit der Städte und die volle Reichs-
hoheit über die großen unmittelbaren Reichslehnsgebiete, und zwar
ſo bald und ſo entſchieden, daß unter anderm ſchon im Jahre
1183 der Herzog Hugo von Burgund für die Bürger von Dijon
die Gemeinheit vom Könige erbat und zugeſprochen erhielt.

Die gegenſeitige üble Täuſchung offenbarte ſich aber ſehr
bald. Mit den Waffen in der Hand war auch dem großen Hau-
fen die Gelegenheit zur eigenmächtigen Selbſthülfe, Gewaltthat
und zum Aufruhr gegeben. Die blutigen mörderiſchen Aufſtände

1) Auch gegen äußere Feinde wurden die Bürgerſchaften bald geführt,
wie z. B. 1120 die Städte Abbeville, Amiens, Beauvais, Eſtampes, Laon,
Soiſſons und Orleans gegen Heinrich V. von Deutſchland. Vgl. Hüllmann,
„Städteweſen“, III, 8.
2) Die ertheilten Privilegien waren kümmerlich genug: „Verbrecher und
böſe Schuldner, welche ſich in die Gebäude, Höfe und Burgen geflüchtet
haben, ſollen ausgeliefert werden. Weigert ſich deſſen die Herrſchaft, ſo iſt
die Gemeinheit befugt, Rache zu nehmen an deren Gütern und Unterthanen.
Jſt der Straffällige nicht Bürger, ſondern außerhalb der Stadt, in dem Ge-
biete einer ſtädtiſchen Gerichtsherrſchaft anſäſſig, ſo wird dieſe zur Handhabung
der Gerechtigkeit aufgefordert; bleibt dies vergeblich, ſo vertreten die Vorſteher
der Gemeinheit den Kläger, und dürfen Anſtalt machen, daß dieſer an dem
Vermögen des Uebelthäters ſich ſchadlos hält. Ebenſo ſtehen in der Bürger-
ſchaft alle für einen, und ihre Beamten halten ſich an die Güter und Bauern
eines Großen, wenn derſelbe einen von ihm verurſachten Schaden zu erſetzen
ſich weigert.“ Verbrecher von geiſtlichem Stande ſollen von ihrem geiſtlichen
Richter beſtraft werden; dazu ſollen die Vorſteher des Vereins denſelben an-
halten. Das war alles, und wenig genug. Vgl. die Beſtätigungsurkunden und
Verleihungsurkunden Ludwig’s VI. von 1128 für Laon, Philipp’s II. von
1182 für Beauvais, und von 1192 für St.-Quentin. Vgl. Hüllmann, „Städte-
weſen“, III, 13.
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[343/0355] herigen Unterdrücker auftrat. 1) Zum Lohne dafür verlieh der König dieſen Gemeinden das königliche Privilegium der bürger- lichen Gemeinheit, die communia, welche im Grunde kaum ein Privilegium genannt zu werden verdiente 2), wenn ſie nicht die Aufhebung aller willkürlichen grundherrlichen Geldforderungen und die Ablöſung der drückenden dinglichen Verbindlichkeiten, nament- lich der Burgfrohndienſte, des Sterbefalles, der Zwangsheirathen u. ſ. w. zur Folge gehabt hätte. Um dieſen Preis gewannen die Könige die Unmittelbarkeit der Städte und die volle Reichs- hoheit über die großen unmittelbaren Reichslehnsgebiete, und zwar ſo bald und ſo entſchieden, daß unter anderm ſchon im Jahre 1183 der Herzog Hugo von Burgund für die Bürger von Dijon die Gemeinheit vom Könige erbat und zugeſprochen erhielt. Die gegenſeitige üble Täuſchung offenbarte ſich aber ſehr bald. Mit den Waffen in der Hand war auch dem großen Hau- fen die Gelegenheit zur eigenmächtigen Selbſthülfe, Gewaltthat und zum Aufruhr gegeben. Die blutigen mörderiſchen Aufſtände 1) Auch gegen äußere Feinde wurden die Bürgerſchaften bald geführt, wie z. B. 1120 die Städte Abbeville, Amiens, Beauvais, Eſtampes, Laon, Soiſſons und Orleans gegen Heinrich V. von Deutſchland. Vgl. Hüllmann, „Städteweſen“, III, 8. 2) Die ertheilten Privilegien waren kümmerlich genug: „Verbrecher und böſe Schuldner, welche ſich in die Gebäude, Höfe und Burgen geflüchtet haben, ſollen ausgeliefert werden. Weigert ſich deſſen die Herrſchaft, ſo iſt die Gemeinheit befugt, Rache zu nehmen an deren Gütern und Unterthanen. Jſt der Straffällige nicht Bürger, ſondern außerhalb der Stadt, in dem Ge- biete einer ſtädtiſchen Gerichtsherrſchaft anſäſſig, ſo wird dieſe zur Handhabung der Gerechtigkeit aufgefordert; bleibt dies vergeblich, ſo vertreten die Vorſteher der Gemeinheit den Kläger, und dürfen Anſtalt machen, daß dieſer an dem Vermögen des Uebelthäters ſich ſchadlos hält. Ebenſo ſtehen in der Bürger- ſchaft alle für einen, und ihre Beamten halten ſich an die Güter und Bauern eines Großen, wenn derſelbe einen von ihm verurſachten Schaden zu erſetzen ſich weigert.“ Verbrecher von geiſtlichem Stande ſollen von ihrem geiſtlichen Richter beſtraft werden; dazu ſollen die Vorſteher des Vereins denſelben an- halten. Das war alles, und wenig genug. Vgl. die Beſtätigungsurkunden und Verleihungsurkunden Ludwig’s VI. von 1128 für Laon, Philipp’s II. von 1182 für Beauvais, und von 1192 für St.-Quentin. Vgl. Hüllmann, „Städte- weſen“, III, 13.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/355>, abgerufen am 22.11.2024.