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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Jn ihrem eigenthümlichen Wesen und Walten erscheinen die
Schärfenspieler geradezu als die intellectuellen Urheber und Hehler
der von ihren gaunerischen Verbündeten und Günstlingen began-
genen Diebstähle. Es ist merkwürdig, wie auch dies Treiben
der Schärfenspieler von der Gaunersprache, welche sonst für jede
feine Nuance gaunerischer Thätigkeit einen bestimmten Kunstaus-
druck hat, ebenso kurz wie scharf bezeichnet wird. 1) Die Gauner-
sprache hat für den Begriff Hehler, Trödler und Hausirer
nur den einen und selben Ausdruck Pascher. 2) Das Wort
Feling oder Felinger des Liber Vagatorum, welches den Krämer
und Olitätenhändler bedeutet (vgl. oben Neppen, Kap. 60, Note 1),
ist veraltet. Das allerdings auch vorkommende Wort Kinjer,
von Kinjenen (bei Bischoff, a. a. O., S. 48), ist keineswegs
ausschließlich der Hehler, sondern allgemein der Ankäufer, auch
in gutem Glauben. Das Wort Verkowerer 3), welches bei
Grolman unter der Beschränkung als Hehler vorkommt, ist allge-
mein jeder, welcher etwas kawure legt. Das Wort Pascher 4)

1) Ebenso bezeichnend ist, daß auch für den Begriff von Diebsnieder-
lage
kein concreter Ausdruck existirt, sondern dafür nur die allgemeinen Aus-
drücke für Diebsherberge: Kochemerbajes, Kochemer- oder Chessen-
spiese, Kochemer-
oder Chessenpenne, Kochemer- oder Chessenkitt,
oder auch nur Penne, Spiese, viel seltener Tschorbajis (vom zigeune-
rischen Tschor, Dieb) u. s. w. gebraucht werden.
2) Vgl. Kap. 75, wo die Rochlim als hausirende Apotheker und Quack-
salber dargestellt sind. Der Medinegeier (Geier = Geher, Gänger) bedeu-
tet, dem Stradehändler entsprechend, allgemein den auf irgendein Unternehmen
das Land durchziehenden Gauner, sei es zum Hausiren, Baldowern oder Han-
deln (Stehlen).
3) Das Wort ist bei Grolman, "Wörterbuch", S. 89, als Verkomerer
verdruckt, dagegen S. 100 als Verkowerer aufgeführt, welches etymologisch
mit dem Verkawwern (bekabern, von [fremdsprachliches Material - fehlt], Grab; vgl. Kap. 34), ver-
graben (bei Pfister, I, 231) übereinstimmt. Gleicher Abstammung ist Kober,
Wirth ("Waldheimer Wörterbuch") und Kobera, Wirthshaus ("Hildburg-
hausener Wörterverzeichniß").
4) Vielleicht von [fremdsprachliches Material - fehlt] (peschar), weich, lau werden, aufthauen, zer-
thauen; das "Prager jüdisch-deutsche Wörterbuch" leitet (S. 123) davon her:
Mispascher sein, sich oder andern vergleichen; Pescher, Peschoro, der
Vergleich in Streitigkeiten; Pschores, der Gewinn, Verdienst aus dem Handel.

Jn ihrem eigenthümlichen Weſen und Walten erſcheinen die
Schärfenſpieler geradezu als die intellectuellen Urheber und Hehler
der von ihren gauneriſchen Verbündeten und Günſtlingen began-
genen Diebſtähle. Es iſt merkwürdig, wie auch dies Treiben
der Schärfenſpieler von der Gaunerſprache, welche ſonſt für jede
feine Nuance gauneriſcher Thätigkeit einen beſtimmten Kunſtaus-
druck hat, ebenſo kurz wie ſcharf bezeichnet wird. 1) Die Gauner-
ſprache hat für den Begriff Hehler, Trödler und Hauſirer
nur den einen und ſelben Ausdruck Paſcher. 2) Das Wort
Feling oder Felinger des Liber Vagatorum, welches den Krämer
und Olitätenhändler bedeutet (vgl. oben Neppen, Kap. 60, Note 1),
iſt veraltet. Das allerdings auch vorkommende Wort Kinjer,
von Kinjenen (bei Biſchoff, a. a. O., S. 48), iſt keineswegs
ausſchließlich der Hehler, ſondern allgemein der Ankäufer, auch
in gutem Glauben. Das Wort Verkowerer 3), welches bei
Grolman unter der Beſchränkung als Hehler vorkommt, iſt allge-
mein jeder, welcher etwas kawure legt. Das Wort Paſcher 4)

1) Ebenſo bezeichnend iſt, daß auch für den Begriff von Diebsnieder-
lage
kein concreter Ausdruck exiſtirt, ſondern dafür nur die allgemeinen Aus-
drücke für Diebsherberge: Kochemerbajes, Kochemer- oder Cheſſen-
ſpieſe, Kochemer-
oder Cheſſenpenne, Kochemer- oder Cheſſenkitt,
oder auch nur Penne, Spieſe, viel ſeltener Tſchorbajis (vom zigeune-
riſchen Tſchor, Dieb) u. ſ. w. gebraucht werden.
2) Vgl. Kap. 75, wo die Rochlim als hauſirende Apotheker und Quack-
ſalber dargeſtellt ſind. Der Medinegeier (Geier = Geher, Gänger) bedeu-
tet, dem Stradehändler entſprechend, allgemein den auf irgendein Unternehmen
das Land durchziehenden Gauner, ſei es zum Hauſiren, Baldowern oder Han-
deln (Stehlen).
3) Das Wort iſt bei Grolman, „Wörterbuch“, S. 89, als Verkomerer
verdruckt, dagegen S. 100 als Verkowerer aufgeführt, welches etymologiſch
mit dem Verkawwern (bekabern, von [fremdsprachliches Material – fehlt], Grab; vgl. Kap. 34), ver-
graben (bei Pfiſter, I, 231) übereinſtimmt. Gleicher Abſtammung iſt Kober,
Wirth („Waldheimer Wörterbuch“) und Kobera, Wirthshaus („Hildburg-
hauſener Wörterverzeichniß“).
4) Vielleicht von [fremdsprachliches Material – fehlt] (peschar), weich, lau werden, aufthauen, zer-
thauen; das „Prager jüdiſch-deutſche Wörterbuch“ leitet (S. 123) davon her:
Mispaſcher ſein, ſich oder andern vergleichen; Peſcher, Peſchoro, der
Vergleich in Streitigkeiten; Pſchores, der Gewinn, Verdienſt aus dem Handel.
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[322/0334] Jn ihrem eigenthümlichen Weſen und Walten erſcheinen die Schärfenſpieler geradezu als die intellectuellen Urheber und Hehler der von ihren gauneriſchen Verbündeten und Günſtlingen began- genen Diebſtähle. Es iſt merkwürdig, wie auch dies Treiben der Schärfenſpieler von der Gaunerſprache, welche ſonſt für jede feine Nuance gauneriſcher Thätigkeit einen beſtimmten Kunſtaus- druck hat, ebenſo kurz wie ſcharf bezeichnet wird. 1) Die Gauner- ſprache hat für den Begriff Hehler, Trödler und Hauſirer nur den einen und ſelben Ausdruck Paſcher. 2) Das Wort Feling oder Felinger des Liber Vagatorum, welches den Krämer und Olitätenhändler bedeutet (vgl. oben Neppen, Kap. 60, Note 1), iſt veraltet. Das allerdings auch vorkommende Wort Kinjer, von Kinjenen (bei Biſchoff, a. a. O., S. 48), iſt keineswegs ausſchließlich der Hehler, ſondern allgemein der Ankäufer, auch in gutem Glauben. Das Wort Verkowerer 3), welches bei Grolman unter der Beſchränkung als Hehler vorkommt, iſt allge- mein jeder, welcher etwas kawure legt. Das Wort Paſcher 4) 1) Ebenſo bezeichnend iſt, daß auch für den Begriff von Diebsnieder- lage kein concreter Ausdruck exiſtirt, ſondern dafür nur die allgemeinen Aus- drücke für Diebsherberge: Kochemerbajes, Kochemer- oder Cheſſen- ſpieſe, Kochemer- oder Cheſſenpenne, Kochemer- oder Cheſſenkitt, oder auch nur Penne, Spieſe, viel ſeltener Tſchorbajis (vom zigeune- riſchen Tſchor, Dieb) u. ſ. w. gebraucht werden. 2) Vgl. Kap. 75, wo die Rochlim als hauſirende Apotheker und Quack- ſalber dargeſtellt ſind. Der Medinegeier (Geier = Geher, Gänger) bedeu- tet, dem Stradehändler entſprechend, allgemein den auf irgendein Unternehmen das Land durchziehenden Gauner, ſei es zum Hauſiren, Baldowern oder Han- deln (Stehlen). 3) Das Wort iſt bei Grolman, „Wörterbuch“, S. 89, als Verkomerer verdruckt, dagegen S. 100 als Verkowerer aufgeführt, welches etymologiſch mit dem Verkawwern (bekabern, von _ , Grab; vgl. Kap. 34), ver- graben (bei Pfiſter, I, 231) übereinſtimmt. Gleicher Abſtammung iſt Kober, Wirth („Waldheimer Wörterbuch“) und Kobera, Wirthshaus („Hildburg- hauſener Wörterverzeichniß“). 4) Vielleicht von _ (peschar), weich, lau werden, aufthauen, zer- thauen; das „Prager jüdiſch-deutſche Wörterbuch“ leitet (S. 123) davon her: Mispaſcher ſein, ſich oder andern vergleichen; Peſcher, Peſchoro, der Vergleich in Streitigkeiten; Pſchores, der Gewinn, Verdienſt aus dem Handel.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/334>, abgerufen am 25.11.2024.