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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Gewißheit und Gelegenheit zum directen überraschenden Angriff
des so schlau und sicher gedeckten Verbrechers geben. Die Beob-
achtung darf sich nicht irre machen lassen durch den Hinblick auf
die Beweglichkeit der Schärfenspieler und auf die Behendigkeit der
jetzigen Communicationsmittel, durch welche letztere der alte gaune-
rische Grundsatz, daß der Verbrecher am Orte des verübten
Verbrechens sicherer ist als auf der Flucht
1) gerade nur
noch mehr an Consistenz gewinnt. Besteht ein Massematten aus
einer größern Menge oder aus leicht kenntlichen Gegenständen,
so ist ein sofortiger Weitertransport nicht rathsam für den Gauner.
Solche Gegenstände werden sofort an die Schärfenspieler am Orte
der That, oder in dessen unmittelbarer Nähe hinterlegt oder ver-
schärft. Der sofortige schnelle Transport auf den Eisenbahnen
wird durch die bei diesen erforderliche solide Verpackung, förmliche
Declarirung, und durch die auf den Bahnhöfen concentrirte scharfe
polizeiliche Controle verhindert, oder doch erschwert und gefährdet.
Auch ist der Transport auf besondern Agolen sehr bedenklich, da
diese ebenfalls einer polizeilichen Controle unterliegen und durch
Nacht- und Thorwachen, Zoll- und Accisebeamten u. dgl. leicht
angehalten werden können. Am Orte des Verbrechens selbst und
in dessen unmittelbarer Nähe ist daher vorzüglich die Aufmerksam-
keit der Behörden auf alle des Schärfenspielens verdächtige Jndi-
viduen zu richten, während die dabei allerdings auch niemals zu
vernachlässigende rasche Benachrichtigung in die Ferne nur im-
mer für den Fall der Möglichkeit geboten ist. 2)

1) Dieser gaunerische Grundsatz verdankt hauptsächlich der allzu geräusch-
vollen und großen Hastigkeit der Polizei seine Entstehung. Er ist immer
genau zu beobachten, damit man nicht allein lebhaft in die Ferne, sondern
auch still vor sich hinblicken lerne. Seine Beachtung liefert immer große Vortheile.
2) Den hitzigen telegraphischen Depeschen folgt gewöhnlich bald durch die
besonnenere Post die Anzeige des geglückten Anhaltens von Person und Sachen,
selten aber dabei die Angabe, wo und wie dieselben angehalten wurden.
Dieser verzweifelten Discretion liegt gewöhnlich die Thatsache zu Grunde, daß
der Dieb und das Gestohlene nicht aus dem Diebstahlsorte oder wenigstens
nicht aus dessen unmittelbarer Nähe herausgekommen ist. Davon kommen
häufig so pikante wie merkwürdige Beispiele vor.
Ave-Lallemant, Gaunerthum. II. 21

Gewißheit und Gelegenheit zum directen überraſchenden Angriff
des ſo ſchlau und ſicher gedeckten Verbrechers geben. Die Beob-
achtung darf ſich nicht irre machen laſſen durch den Hinblick auf
die Beweglichkeit der Schärfenſpieler und auf die Behendigkeit der
jetzigen Communicationsmittel, durch welche letztere der alte gaune-
riſche Grundſatz, daß der Verbrecher am Orte des verübten
Verbrechens ſicherer iſt als auf der Flucht
1) gerade nur
noch mehr an Conſiſtenz gewinnt. Beſteht ein Maſſematten aus
einer größern Menge oder aus leicht kenntlichen Gegenſtänden,
ſo iſt ein ſofortiger Weitertransport nicht rathſam für den Gauner.
Solche Gegenſtände werden ſofort an die Schärfenſpieler am Orte
der That, oder in deſſen unmittelbarer Nähe hinterlegt oder ver-
ſchärft. Der ſofortige ſchnelle Transport auf den Eiſenbahnen
wird durch die bei dieſen erforderliche ſolide Verpackung, förmliche
Declarirung, und durch die auf den Bahnhöfen concentrirte ſcharfe
polizeiliche Controle verhindert, oder doch erſchwert und gefährdet.
Auch iſt der Transport auf beſondern Agolen ſehr bedenklich, da
dieſe ebenfalls einer polizeilichen Controle unterliegen und durch
Nacht- und Thorwachen, Zoll- und Acciſebeamten u. dgl. leicht
angehalten werden können. Am Orte des Verbrechens ſelbſt und
in deſſen unmittelbarer Nähe iſt daher vorzüglich die Aufmerkſam-
keit der Behörden auf alle des Schärfenſpielens verdächtige Jndi-
viduen zu richten, während die dabei allerdings auch niemals zu
vernachläſſigende raſche Benachrichtigung in die Ferne nur im-
mer für den Fall der Möglichkeit geboten iſt. 2)

1) Dieſer gauneriſche Grundſatz verdankt hauptſächlich der allzu geräuſch-
vollen und großen Haſtigkeit der Polizei ſeine Entſtehung. Er iſt immer
genau zu beobachten, damit man nicht allein lebhaft in die Ferne, ſondern
auch ſtill vor ſich hinblicken lerne. Seine Beachtung liefert immer große Vortheile.
2) Den hitzigen telegraphiſchen Depeſchen folgt gewöhnlich bald durch die
beſonnenere Poſt die Anzeige des geglückten Anhaltens von Perſon und Sachen,
ſelten aber dabei die Angabe, wo und wie dieſelben angehalten wurden.
Dieſer verzweifelten Discretion liegt gewöhnlich die Thatſache zu Grunde, daß
der Dieb und das Geſtohlene nicht aus dem Diebſtahlsorte oder wenigſtens
nicht aus deſſen unmittelbarer Nähe herausgekommen iſt. Davon kommen
häufig ſo pikante wie merkwürdige Beiſpiele vor.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 21
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[321/0333] Gewißheit und Gelegenheit zum directen überraſchenden Angriff des ſo ſchlau und ſicher gedeckten Verbrechers geben. Die Beob- achtung darf ſich nicht irre machen laſſen durch den Hinblick auf die Beweglichkeit der Schärfenſpieler und auf die Behendigkeit der jetzigen Communicationsmittel, durch welche letztere der alte gaune- riſche Grundſatz, daß der Verbrecher am Orte des verübten Verbrechens ſicherer iſt als auf der Flucht 1) gerade nur noch mehr an Conſiſtenz gewinnt. Beſteht ein Maſſematten aus einer größern Menge oder aus leicht kenntlichen Gegenſtänden, ſo iſt ein ſofortiger Weitertransport nicht rathſam für den Gauner. Solche Gegenſtände werden ſofort an die Schärfenſpieler am Orte der That, oder in deſſen unmittelbarer Nähe hinterlegt oder ver- ſchärft. Der ſofortige ſchnelle Transport auf den Eiſenbahnen wird durch die bei dieſen erforderliche ſolide Verpackung, förmliche Declarirung, und durch die auf den Bahnhöfen concentrirte ſcharfe polizeiliche Controle verhindert, oder doch erſchwert und gefährdet. Auch iſt der Transport auf beſondern Agolen ſehr bedenklich, da dieſe ebenfalls einer polizeilichen Controle unterliegen und durch Nacht- und Thorwachen, Zoll- und Acciſebeamten u. dgl. leicht angehalten werden können. Am Orte des Verbrechens ſelbſt und in deſſen unmittelbarer Nähe iſt daher vorzüglich die Aufmerkſam- keit der Behörden auf alle des Schärfenſpielens verdächtige Jndi- viduen zu richten, während die dabei allerdings auch niemals zu vernachläſſigende raſche Benachrichtigung in die Ferne nur im- mer für den Fall der Möglichkeit geboten iſt. 2) 1) Dieſer gauneriſche Grundſatz verdankt hauptſächlich der allzu geräuſch- vollen und großen Haſtigkeit der Polizei ſeine Entſtehung. Er iſt immer genau zu beobachten, damit man nicht allein lebhaft in die Ferne, ſondern auch ſtill vor ſich hinblicken lerne. Seine Beachtung liefert immer große Vortheile. 2) Den hitzigen telegraphiſchen Depeſchen folgt gewöhnlich bald durch die beſonnenere Poſt die Anzeige des geglückten Anhaltens von Perſon und Sachen, ſelten aber dabei die Angabe, wo und wie dieſelben angehalten wurden. Dieſer verzweifelten Discretion liegt gewöhnlich die Thatſache zu Grunde, daß der Dieb und das Geſtohlene nicht aus dem Diebſtahlsorte oder wenigſtens nicht aus deſſen unmittelbarer Nähe herausgekommen iſt. Davon kommen häufig ſo pikante wie merkwürdige Beiſpiele vor. Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 21

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/333>, abgerufen am 25.11.2024.