gange der Blick weniger auf die speciellen Einzelheiten gelenkt, auch gewöhnlich des massenhaften Gebrauchs wegen das schlechteste Lack verwendet wird, welches selten oder gar nicht eine genaue Vergleichung und Prüfung der Siegel zuläßt. Noch undeutlicher und gefährlicher ist das, meistens noch dazu hastig betriebene Siegeln auf Papier mit untergelegter großer sogenannter Notar- oblate, einem ärmlichen mürben Teig 1) aus Weizenmehl und Brunnenwasser. Das Siegel drückt sich selten gut aus; entweder wird bei hastigem schiefen Druck nur ein Theil des Siegels deut- lich, oder bei geradem aber zu scharfem Druck reißt der Deckman- tel, sodaß der Oblatenteig durchquillt und das feuchte Siegel beim Hinlegen oder Verpacken der Documente platt gedrückt und sogar auch wol kleberig wird. Obendrein ist nichts leichter, als ein solches Oblatensiegel von einer Urkunde durch allmähliches Be- feuchten der Rückseite loszulösen, um es auf ein anderes zu über- tragen, da die Oblaten, noch dazu eklerweise mit Speichel, mei- stens nur flüchtig befeuchtet werden und sehr kümmerlich haften.
Noch leichter gelingt die Fälschung und Nachahmung soge- nannter Farbe- oder Schwärzesiegel. Aus falscher Sparsamkeit werden selbst die täglich zu hundertmal gebrauchten Stempel anstatt auf gutem Stahl nur auf bloßem Messing gestochen und anstatt mit einer Schrauben- oder behenden Hebelpresse mit der Hand auf die Urkunden, Pässe u. dgl. hastig geschlagen, nachdem sie auf den staubigen zerrissenen Tupfballen mit zusammengetrock- neter zäher Färbemasse eilig und aufs Gerathewohl aufgestoßen werden, wobei auch wol die einmalige Färbung oft zu zwiefachem Abdruck ausreichen muß. So kommt es, daß selbst die sorgfältig gearbeiteten Siegel sehr bald abgenutzt werden und bei der nach- lässigen Färbung und Handhabung sehr schlecht und undeutlich auf das Papier kommen. Daher genügen denn auch die von kunstgeübten Fleppenmelochnern mit spielender Leichtigkeit und
1) Ueber Bereitung der verschiedenen Oblaten vgl. Percy, a. a. O., S. 441 fg. Ueber die Versetzung der Oblaten mit Giften vgl. Westrumb, a. a. O, II, 176.
gange der Blick weniger auf die ſpeciellen Einzelheiten gelenkt, auch gewöhnlich des maſſenhaften Gebrauchs wegen das ſchlechteſte Lack verwendet wird, welches ſelten oder gar nicht eine genaue Vergleichung und Prüfung der Siegel zuläßt. Noch undeutlicher und gefährlicher iſt das, meiſtens noch dazu haſtig betriebene Siegeln auf Papier mit untergelegter großer ſogenannter Notar- oblate, einem ärmlichen mürben Teig 1) aus Weizenmehl und Brunnenwaſſer. Das Siegel drückt ſich ſelten gut aus; entweder wird bei haſtigem ſchiefen Druck nur ein Theil des Siegels deut- lich, oder bei geradem aber zu ſcharfem Druck reißt der Deckman- tel, ſodaß der Oblatenteig durchquillt und das feuchte Siegel beim Hinlegen oder Verpacken der Documente platt gedrückt und ſogar auch wol kleberig wird. Obendrein iſt nichts leichter, als ein ſolches Oblatenſiegel von einer Urkunde durch allmähliches Be- feuchten der Rückſeite loszulöſen, um es auf ein anderes zu über- tragen, da die Oblaten, noch dazu eklerweiſe mit Speichel, mei- ſtens nur flüchtig befeuchtet werden und ſehr kümmerlich haften.
Noch leichter gelingt die Fälſchung und Nachahmung ſoge- nannter Farbe- oder Schwärzeſiegel. Aus falſcher Sparſamkeit werden ſelbſt die täglich zu hundertmal gebrauchten Stempel anſtatt auf gutem Stahl nur auf bloßem Meſſing geſtochen und anſtatt mit einer Schrauben- oder behenden Hebelpreſſe mit der Hand auf die Urkunden, Päſſe u. dgl. haſtig geſchlagen, nachdem ſie auf den ſtaubigen zerriſſenen Tupfballen mit zuſammengetrock- neter zäher Färbemaſſe eilig und aufs Gerathewohl aufgeſtoßen werden, wobei auch wol die einmalige Färbung oft zu zwiefachem Abdruck ausreichen muß. So kommt es, daß ſelbſt die ſorgfältig gearbeiteten Siegel ſehr bald abgenutzt werden und bei der nach- läſſigen Färbung und Handhabung ſehr ſchlecht und undeutlich auf das Papier kommen. Daher genügen denn auch die von kunſtgeübten Fleppenmelochnern mit ſpielender Leichtigkeit und
1) Ueber Bereitung der verſchiedenen Oblaten vgl. Percy, a. a. O., S. 441 fg. Ueber die Verſetzung der Oblaten mit Giften vgl. Weſtrumb, a. a. O, II, 176.
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gewöhnlich des maſſenhaften Gebrauchs wegen das ſchlechteſte
Lack verwendet wird, welches ſelten oder gar nicht eine genaue
Vergleichung und Prüfung der Siegel zuläßt. Noch undeutlicher
und gefährlicher iſt das, meiſtens noch dazu haſtig betriebene
Siegeln auf Papier mit untergelegter großer ſogenannter Notar-
oblate, einem ärmlichen mürben Teig 1) aus Weizenmehl und
Brunnenwaſſer. Das Siegel drückt ſich ſelten gut aus; entweder
wird bei haſtigem ſchiefen Druck nur ein Theil des Siegels deut-
lich, oder bei geradem aber zu ſcharfem Druck reißt der Deckman-
tel, ſodaß der Oblatenteig durchquillt und das feuchte Siegel beim
Hinlegen oder Verpacken der Documente platt gedrückt und ſogar
auch wol kleberig wird. Obendrein iſt nichts leichter, als ein
ſolches Oblatenſiegel von einer Urkunde durch allmähliches Be-
feuchten der Rückſeite loszulöſen, um es auf ein anderes zu über-
tragen, da die Oblaten, noch dazu eklerweiſe mit Speichel, mei-
ſtens nur flüchtig befeuchtet werden und ſehr kümmerlich haften.
Noch leichter gelingt die Fälſchung und Nachahmung ſoge-
nannter Farbe- oder Schwärzeſiegel. Aus falſcher Sparſamkeit
werden ſelbſt die täglich zu hundertmal gebrauchten Stempel
anſtatt auf gutem Stahl nur auf bloßem Meſſing geſtochen und
anſtatt mit einer Schrauben- oder behenden Hebelpreſſe mit der
Hand auf die Urkunden, Päſſe u. dgl. haſtig geſchlagen, nachdem
ſie auf den ſtaubigen zerriſſenen Tupfballen mit zuſammengetrock-
neter zäher Färbemaſſe eilig und aufs Gerathewohl aufgeſtoßen
werden, wobei auch wol die einmalige Färbung oft zu zwiefachem
Abdruck ausreichen muß. So kommt es, daß ſelbſt die ſorgfältig
gearbeiteten Siegel ſehr bald abgenutzt werden und bei der nach-
läſſigen Färbung und Handhabung ſehr ſchlecht und undeutlich
auf das Papier kommen. Daher genügen denn auch die von
kunſtgeübten Fleppenmelochnern mit ſpielender Leichtigkeit und
1) Ueber Bereitung der verſchiedenen Oblaten vgl. Percy, a. a. O.,
S. 441 fg. Ueber die Verſetzung der Oblaten mit Giften vgl. Weſtrumb,
a. a. O, II, 176.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/324>, abgerufen am 25.11.2024.
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